Engagiert und widerspenstig: Wer wars? (38)

Der selbstbewusste Nestbeschmutzer

Einen Nobelpreis bekam er nie, obwohl ihn illustre Persönlichkeiten wie der Philosoph und Friedensaktivist Bertrand Russell vorgeschlagen hatten. 1943 ehrte man ihn jedoch mit dem Pulitzerpreis, denn für einmal hatte er zur richtigen Zeit einen Roman über das richtige Thema geschrieben: den Aufstieg Adolf Hitlers in Deutschland.

Ansonsten war der 1878 in Baltimore geborene Journalist im eigenen Land nicht sehr beliebt, zumindest nicht in Unternehmer- und Politikkreisen. US-Präsident Theodore Roosevelt bezeichnete den sozialkritischen Journalisten als „muckraker“, als Nestbeschmutzer. Dass der „Gefühlsozialist“ (wie Lenin ihn nannte) über Ausbeutung und Korruption schrieb, war schon unangenehm genug; hinzu kam aber noch, dass er die Medien angriff: Sein Buch gegen die Praktiken vor allem des Medienmoguls William Randolph Hearst bezeichnete er selbst als das wichtigste und gefährlichste, das er je geschrieben hatte.

Da er sich nicht zensieren ließ, brachte er etliche seiner Bücher im Selbstverlag heraus – oder eben in Europa, wo seine auf akribischen Recherchen fußenden Romane über die Machenschaften etwa der US-amerikanischen Ölindustrie begierig aufgesogen wurden. Sensationellen Erfolg hatte er mit einem Werk über die Nahrungsmittelindustrie: Als er 1905 die sanitären Zustände und die nicht minder katastrophalen Arbeitsbedingungen in den Schlachthöfen von Chicago beschrieb – dafür hatte er vor Ort undercover recherchiert –, war die Empörung derart groß, dass die Lebensmittelgesetze geändert werden mussten. Dabei war es ihm doch vor allem darum gegangen, wie grausam die Unternehmer mit der aus EinwanderInnen bestehenden „Reservearmee des Kapitalismus“ umsprangen: „Ich hatte auf die Herzen der Menschen gezielt und aus Versehen ihre Mägen getroffen“, klagte er einmal.

Wer war der 1968 verstorbene Abstinenzler und Vegetarier, der mit seinem Programm zur Beendigung der Armut in Kalifornien 1934 beinahe Gouverneur geworden wäre und über dessen Schlachthof-Roman Jack London einmal sagte, es handele sich um „‚Onkel Toms Hütte‘ der Lohnsklaverei“? brm

Text und Collage: Brigitte Matern

Die Auflösung erscheint am kommenden Montag.