Kreuzlinger FDP-Gemeinderäte wollen mehr Schokolade

Schweizer Franken Geldschein

Normalerweise ist die (obligatorische) Abstimmung über das Budget (Haushaltsplan) der Stadt Kreuzlingen die zweitlangweiligste Abstimmung eines Jahres – gleich nach der Abstimmung zur Rechnung über bereits ausgegebenes Geld. Ende November könnte das anders sein: Drei FDP-Gemeinderäte wollen sich nicht damit zufrieden geben, dass sie im Gemeinderat mit einem Antrag auf Steuersenkung knapp unterlagen. Sie rufen deshalb öffentlich dazu auf, das Budget abzulehnen.

Die drei FDP-Parlamentsmitglieder hatten Anfang Oktober beantragt, den städtischen Steuerfuss um zwei Punkte von 66 auf 64 Prozent zu senken und waren mit 20 zu 19 Stimmen unterlegen. Jetzt versuchen sie, ihr Ziel doch noch zu erreichen.

Steuerfuss-Erklär-Bär

Zuerst für deutsche seemoz-LeserInnen eine Anmerkung des Erklär-Bärs: Nein, die Stadt Kreuzlingen knöpft ihren Steuerpflichtigen nicht 64 Prozent ihres Einkommens für Steuern ab und der Kanton Thurgau will auch nicht, dass die SteuerzahlerInnen auch noch Haus und Hof verkaufen, um 117 Steuerprozente zusätzlich abgeben zu können. Die Prozentzahlen beziehen sich nicht auf das Einkommen, sondern auf die „einfache Staatssteuer“. Das ist der Betrag, der einmal festgesetzt wurde, damit der Kanton seine Verpflichtungen erfüllen kann. Reicht diese Summe – die als 100 Prozent ausgewiesen ist – nicht aus, steigt der Steuerfuss über 100. Braucht eine Gemeinde weniger, sinkt der Steuerfuss unter 100.

Steuerpflichtige zahlen ihren Obolus entsprechend einem addierten Steuerfuss von Stadt, Schule, Kanton und Kirche (falls sie einer Kirchengemeinde angehören). Die Bundessteuer kommt gesondert, einheitlich und unabhängig noch dazu, wird aber nicht im Steuerfuss berücksichtigt. Kreuzlinger Steuerpflichtige kommen derzeit – ohne Kirchensteuern – auf einen Steuerfuss von insgesamt 296 Prozent. Da die Sekundarschulgemeinde (7. Bis 9. Klasse) ihren Steuerfuss bereits um 3 Prozent reduziert, sind es 2022 noch 293 Prozent – und falls die drei Kämpfer für weniger städtische Einnahmen erfolgreich sind, noch auf 291 Prozent.

Zwei Tafeln Schoggi pro Monat

Falls also heute jemand, der/die in Kreuzlingen wohnt, insgesamt 9000 Franken Steuern bezahlt, würde er/sie durch die 2-Prozent-Steuersenkung im Jahr 61 Franken sparen – 5 Franken pro Monat. Dafür könnte er/sie sich glatt zwei Tafeln Schweizer Schokolade kaufen. Etwas, das sich der eine FDP-Gemeinderat sicher gerne gönnt – bezeichnet er sich doch in der Werbung für seinen familiären Zigarrenhandel gerne als Genussmensch.

In der Kreuzlinger Stadtkasse würde gleichzeitig eine Million Franken weniger landen. Das wäre ganz im Sinne der Erfinder, denn sie reklamieren zu hohe Ausgaben: Das KultX, dem die Stimmberechtigten kürzlich einen jährlich wiederkehrenden städtischen Beitrag gönnten, war ihnen in der damaligen Diskussion viel zu teuer. Dieses Mal ist ihnen eine neue Überdachung des Busbahnhofs zu kostenintensiv.

Nun ist es nicht so, dass Kreuzlingen am Hungertuch nagt: Das Budget 2022 schließt bei Einnahmen von 71,05 Millionen Franken und Ausgaben von 71,6 Millionen mit einem Defizit von 0,57 Millionen ab. Das sind in etwa die Kosten, die für ein Stadtfest 2022 veranschlagt sind. Angesichts eines satten städtischen Vermögens, sowie der Tatsache, dass Budgets gewöhnlich mit einer roten Zahl schließen, die sich bis zur Rechnung in eine schwarze Null verwandelt, kämen auch nach einer solchen Steuersenkung die Kirchenmäuse nicht mit verweinten Augen aus der Stadtkasse.

Andererseits wäre der Schoggi-Kauf ja schon durch die Senkung der Sekundarschulsteuer finanziert. Die Stadt dagegen schiebt immer noch größere Ausgaben vor sich her: z.B. die Planungen für ein Parkhaus, für eine Lösung für ein Stadthaus (Rathaus) – nachdem die letzte Planung (mal wieder) versenkt wurde. Dabei ist es immer wieder die FDP, die jeweils darauf abhebt, was sich die Stadt wegen knapper Finanzen alles nicht leisten könne. Wobei der zweite FDP-Gemeinderat – vor knapp drei Jahren im Rennen ums Stadtpräsidium gescheitert – seinem Parteikollegen und Stadtpräsidenten Niederberger vielleicht schon gerne zeigen würde, wie das alles mit etwas weniger Geld noch viel besser ginge.

Text: Lieselotte Schiesser
Bild: H. Reile