Impfzentrum kommt, Klimaschutzstrategie vertagt
Am vergangenen Donnerstag wollte der Konstanzer Gemeinderat jene ersten Schritte zur Umsetzung der Klimaschutzstrategie beschließen, die unbedingt noch in den Haushaltsplan für 2022 aufgenommen werden müssen. Die Sitzung stand wegen einer anschließenden Veranstaltung unter großem Zeitdruck, sodass die Entscheidung auf eine Sondersitzung in der nächsten Woche vertagt wurde. Außerdem gab es Informationen zum kommenden Konstanzer Impfzentrum.
Sichtlich sauer auf das Land Baden-Württemberg und gewisse Ärztefunktionäre ist der Oberbürgermeister. Die Funktionäre hatten auf die Schließung der Impfzentren (wie dem in Singen) gedrungen, weil die Impfungen in Zukunft durch Hausärzte vorgenommen werden sollten. Das Land hatte denn ja auch seine Impfzentren wie etwa das in Singen dichtgemacht.
Städtisches Impfzentrum soll kommen
Jetzt stellt sich aber, so Uli Burchardt, heraus, dass die Arztpraxen dem Ansturm der Impfwilligen nicht gewachsen sind, und dass die Impfzentren bitter benötigt würden. Das Land weist jetzt aber den Städten die Aufgabe zu, die Impfungen in Eigenregie zu organisieren. Dass er die Schließung der Impfzentren angesichts der anlaufenden vierten Corona-Welle für groben Unfug hält, war dem Konstanzer Stadtoberhaupt überdeutlich anzumerken, aber er wollte dafür keine politisch Verantwortlichen namhaft machen. Als erstes Provisorium soll jetzt der Bürgersaal zum Impfzentrum werden. Das heißt, dass die Wartenden im Freien stehen und es keine Termine gibt, wenn das mobile Impfteam dort haltmacht. Es ist derzeit an drei Tagen in der Woche in Konstanz. Lange Warteschlangen sind also vorprogrammiert.
Im Dezember soll dann das Bofo in ein leistungsfähiges Impfzentrum umgestaltet werden, das dem mobilen Impfteam zur Verfügung steht. An den Tagen, an denen das Team nicht in Konstanz ist, sollen die Konstanzer Hausärzte dort eigene wie sonstige Patienten impfen – sie sollen bereits ab Dezember Termine für ihre Impfungen im Bofo bis weit hinein ins nächste Jahr buchen können. Ziel ist es, möglichst die ganze Woche lang zu impfen. Schließlich wird jetzt die dritte Impfung für alle empfohlen, und es soll bald auch einen Impfstoff für Kinder geben. Damit werden in Konstanz viele tausend weitere Impfungen erforderlich, für die das Bofo am ehesten geeignet wäre. Uli Burchardt rechnet mit einer großen Impfwelle im ersten Quartal 2022, und die soll im Bofo abgearbeitet werden, notfalls an sieben Tage pro Woche.
Natürlich herrscht auch hier akuter Personalmangel, denn nach der Schließung der Impfzentren hat sich das Personal in alle Winde zerstreut. Thomas Traber, Personalleiter der Stadt Konstanz, ergänzte, dass die Sterbezahlen in Deutschland täglich etwa einem Absturz eines Großflugzeuges entsprechen werden und dass es schon jetzt so gut wie zehn nach zwölf sei, weshalb die Stadt mit Hochdruck am Impfzentrum arbeite.
Konstanzer Kilmaschutz
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Der Rest der Sitzung war, abgesehen von der ungefährdeten Wiederwahl des Baubürgermeisters Karl Langensteiner-Schönborn, vor allem dem Klima gewidmet. Ganz einfach war es nicht, den Debatten zu folgen, denn die Materie ist komplex, und die Konstanzer Klimaschutzstrategie, die unter maßgeblicher Mitwirkung des Instituts für Energie- und Umweltforschung (ifeu) entstand, sieht eine Fülle an Maßnahmen vor, die in den nächsten 14 Jahren bis 2035 verwirklicht werden sollen. Das Ziel ist es, bis 2035 „weitgehend“ klimaneutral zu werden, was von KlimaaktivistInnen, die volle Klimaneutralität bis 2030 für unerlässlich halten, als unzureichend kritisiert wird.
Der Gemeinderat wollte jetzt erste Schritte beschließen, die im Jahr 2022 verwirklicht werden und noch bei der Zertifizierung zum European Energy Award berücksichtigt werden sollen. Er hatte sich also einiges vorgenommen und es wurde schnell deutlich: Das war nicht zu schaffen, und etliche RätInnen zeigten verständlicherweise deutliche Anzeichen von Konfusion, als dann auch noch Änderungsanträge auf den Tisch kamen.
Millionen Euro Klimafolgekosten
Die Ausgangslage umriss der Verantwortliche Hans Hertle, Teamleiter Kommunaler Klimaschutz bei ifeu, so: Konstanz produziert pro Jahr etwa 428.000 t CO2, also etwa 5 t pro Kopf und Jahr, und liegt damit nur bei etwa der Hälfte des Bundesdurchschnitts. Dieser CO2-Verbrauch fällt zu 43 % in Privathaushalten an, zu 23 % in Gewerbe und verarbeitender Industrie und zu 20 % im Verkehr. Konstanz hat nach seinen Angaben insofern Glück, als es wenig verarbeitende Industrie hat und auch keine großen Autobahnen hier in der Gegend vorbeiführen. In der Bilanz fehlen allerdings einige Tonnen pro Kopf, etwa für Nahrungsmittel, weil deren CO2-Ausstoß dort verbucht wird, wo die Produkte wachsen bzw. hergestellt werden. Es gibt verschiedene Ansätze, einen solchen Ausstoß an Treibhausgasen in Euro umzurechnen, und je nach Ansatz ergibt das allein für den Konstanzer Ausstoß an Kohlenstoffdioxid 85-190 Millionen Euro Klimafolgekosten pro Jahr, die zu nicht unerheblichen Teilen der nächsten Generation auf die Füße fallen werden. Unter diesem Gesichtspunkt sind auch extrem teure Klimaschutzmaßnahmen ein gutes Geschäft.
Fünf Handlungsfelder, 61 Maßnahmen
Die Konstanzer Klimaschutzstrategie sieht 61 Maßnahmen in fünf Handlungsfeldern vor. Diese 61 Maßnahmen sollen in den nächsten 14 Jahren schrittweise umgesetzt werden, wie Lorenz Heublein, Leiter der Stabsstelle Klimaschutz, erläuterte. Für das nächste Haushaltsjahr sollen zunächst neun Maßnahmen ergriffen werden (die wohl in der Sondersitzung in der nächsten Woche beschlossen werden dürften):
a) Ausbau von Photovoltaikanlagen auf eigenen Dach- und Freiflächen.
b) Auf- und Ausbau von Förderangeboten und Beratungskapazitäten.
c) Erarbeitung von Sanierungsfahrplänen durch die größten städtischen Gebäudeeigentümer.
d) Bearbeiten von Grundsatzfragestellungen wie „Klimaschutz und Denkmalschutz“.
e) Ausbau der strategischen Wärmeplanung und von Wärmenetzen.
f) Integrierte Quartierskonzepte und Stellen zum Sanierungsmanagement, insbesondere in Hinblick auf „Stadelhofen“.
g) Capacity-Building von Handwerksbetrieben und Energiewende-Cluster
h) Erarbeitung und Umsetzung eines „Stadtwandel“-Kommunikations- und Beteiligungskonzepts.
i) Schaffung von Vorrangnetzen für aktive Mobilität und Erstellung des Klimamobilitätsplans.
Natürlich gab es dazu gleich auch Gesprächsbedarf. Die Grünen hatten einige Änderungsanträge eingereicht, und Peter Müller-Neff (FGL) merkte an, dass ihm unter diesen Prioritäten die Stadtentwicklung, insbesondere der Flächenverbrauch, fehle. Für das JFK schlug Verena Faustein (JFK) vor, am liebsten ab sofort eine Klima-Taxe für Touristen in die Prioritätenliste aufzunehmen, um Einnahmen für Klimaschutzprojekte zu generieren. Sie regte auch an, die Taxe sozial nach Höhe des Übernachtungspreises zu staffeln, falls das irgendwie möglich sei. Oberbürgermeister Uli Burchardt war von diesem Vorschlag nicht überzeugt, denn dann werde man den gewünschten Tourismus mit möglichst vielen Übernachtungen bestrafen. Die weniger beliebten Tagestouristen hingegen, die ihr Auto ins Parkhaus stellen, um für ein paar Stunden eine Runde durch die Stadt oder zum Hafen zu drehen, würden dabei nicht erfasst. Dabei seien möglichst wenige Anreisen mit möglichst vielen Übernachtungen ja das Konstanzer Ziel.
Taten statt Worte
In Richtung der VertreterInnen von „Fridays for Future“, die der Verwaltung vorwarfen, dass sie seit dem Ausrufen des Klimanotstandes nur Worte statt Taten produziert habe, verkündete er, dass die Stadt mit der jetzt vorliegenden Strategie einen Fahrplan habe, „der uns genau zeigt, wie wir in der gesamten Stadt und in den städtischen Beteiligungen vorgehen müssen“. Etwas spöttisch setzte er hinzu, es sei ja wahrlich nicht so, „dass immer schon jeder gewusst hat, was jetzt in dem umfangreichen Papier zur Klimaschutzstrategie steht“. Und er sagte auch, bis 2030, wie von FfF gefordert, sei eine weitgehende Klimaneutralität einfach nicht zu erreichen.
Sicherheitshalber verwies Uli Burchardt auch schon mal auf große Hindernisse für den städtischen Klimaschutz, die andere zu verantworten haben – und nahm unter anderem auch die neue Bundesregierung in die Pflicht, die die juristischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen schleunigst verbessern müsse. Zum Beispiel sei ein klimaneutraler Umbau des Wohnungsbestandes der WOBAK extrem kostspielig. Da die städtische Wohnungsbaugesellschaft aber auch soziale Ziele verfolge, ließen sich die Kosten nicht einfach auf die Mieten umlegen. „Wir wollen aber auch nicht, dass die WOBAK von Zuschüssen abhängig wird, sodass wir in Zukunft Jahr für Jahr diskutieren müssen, ob wir diese oder jene Million lieber in die Kultur oder in die Wohnungen investieren wollen.“ Außerdem sei es bis heute auch rechtlich nicht möglich, im geförderten Wohnungsbau Sharing-Modelle anzubieten, hier müsse das Land dringend nachlegen.
Nicht alle wollen Nahwärme
Er berichtete auch, dass etwa 100 Anliegern des Laubenhofes der Anschluss an das dortige Nahwärmenetz angeboten worden sei, sich eine Eigentümergemeinschaft aber dafür entschieden habe, lieber eine neue Ölheizung einzubauen, und da seien der Stadt ganz einfach die Hände gebunden. Ein Punkt aber liegt ihm aus Konstanzer Sicht besonders am Herzen, und das ist der Denkmalschutz, der etwa Photovoltaikanlagen auf den Dächern der Niederburg verhindert. Er kündigte an, gemeinsam mit dem evangelischen Landesbischof Cornelius-Bundschuh einen offenen Brief zum Thema zu schreiben, denn seiner Ansicht mache eine Solaranlage selbst einem alten, geschützten Kirchendach nichts aus. Der Denkmalschutz dürfe nicht wie derzeit allein das allerletzte Wort haben.
Eins ist jedenfalls klar: Das alles wird teuer, sehr teuer, nicht nur für die Stadt, und derzeit weiß wahrscheinlich noch niemand, wie das alles bezahlt werden soll, zumal es mittlerweile für das Klima (nicht nur in Konstanz) auch schon 5 nach 12 sein könnte. Man darf auf die Sondersitzung des Gemeinderates in der nächsten Woche sowie auf die endgültige Beschlussfassung im Dezember gespannt sein.
Text: O. Pugliese, Symbolbild: Pixabay
Auch wenn es leider nicht ins Feindbild passt: Die LBBW baut im Laubenhof keine Ölheizung ein, sondern bezieht klimaschonend Wärme von den Stadtwerken Konstanz und gewinnt aus dem dem Abwasser des Hauses Wärme mittels Wärmepumpe. Außerdem entsteht auf den Dächern eine größere Photovoltaikanlage.
Die Anlieger im Umkreis des Neubaus erhielten das Angebot, sich ebenfalls an die Fernwärmeleitung der Stadtwerke anschliessen zu lassen.
Anscheinend hat sich nun eine Eigentümergemeinschaft der Umgebung, wahrscheinlich aus Kostengründen, dafür entschieden, dieses Angebot abzulehnen und eine Ölheizung einzubauen. Das ist zwar sehr bedauerlich und unter dem Aspekt des Klimaschutzes völlig absurd, kann aber dem Laubenhof nicht vorgeworfen werden.
Es empfiehlt sich, eine Meldung genau zu lesen, bevor man einen Kommentar dazu abgibt.
„…sich eine Eigentümergemeinschaft aber dafür entschieden habe, lieber eine neue Ölheizung einzubauen, und da seien der Stadt ganz einfach die Hände gebunden.“
Die Hände sind einer Stadt genau dann gebunden, wenn öffentlicher Grund und Boden verkauft wird und dabei nicht einmal die Vertragsfreiheit genutzt wird um solche Auswüchse zu verhindern.
Herr Burchahrdt und die Stadt hätten sich doch dafür stark machen können, dass beispielsweise Klauseln zum klimafreundlichen Bauen in die Verkaufsverträge beim Vincentius Areal aufgenommen werden. Dazu muss man nicht mal alleiniger Eigentümer sein, sondern braucht nur den Mut den Immobilieninvestoren auch mal zu widersprechen.
Also Schluß mit faulen Ausreden und her mit den Daumenschrauben für uneinsichtige Immobilienhaie und Investoren. Anders scheint es nicht zu gehen. Denn aller schönen „Klimanotstandswerbung“ am Bauzaun zum Trotz, baut die Landesbank LBBW hier einen Klimakiller aus Beton mit Ölheizung, als wäre sie gedanklich irgendwo im vorletzten Jahrhundert stecken geblieben.