Konstanz: Eine neue Fahrradstraße kommt
Trotz Corona und Winterzeit tut sich etwas für Fahrräder – so soll Konstanz eine neue Fahrradstraße bekommen, die die Anreise ans Hörnle für PedalistInnen wesentlich komfortabler gestalten wird. Aber auch einige Projekte im Kreis werden jetzt durch Bundesmittel schnell umsetzbar.
Die Zufahrt zum Hörnle über die Eichhornstraße, seit Jahrzehnten erklärter Lieblingsplatz vieler KonstanzerInnen (zumindest im Sommer, im Winter hingegen hat der Weihnachtsmarkt die glühweinrote Nase deutlich vorn), hat in den letzten Monaten viel zu reden gegeben. Durch eine Einbahnstraßenregelung sollte der motorisierte Individualverkehr reduziert werden, was neben begeisterter Zustimmung auf der einen Seite heftige Gegenwehr vor allem von einigen LautsprecherInnen aus dem Bereich Hermann-von-Vicari-Straße auf der anderen Seite auslöste. Dort fürchtete man deutlich mehr Autoverkehr, auch wenn eine Verkehrszählung eher für das Gegenteil sprach – aber was sind Zählungen des vor allem freizeitbedingten Autoverkehrs in einem Corona-Jahr wirklich wert? Niemand weiß das sicher.
Ganz einfach ist es nicht zu entscheiden, ob die jetzt erprobte Einbahnstraßen-Lösung bei der Mehrheit der KonstanzerInnen gut ankam, denn wie bei fast allen Projekten gingen die Stimmen der Befürworter im Tumult der erbosten GegnerInnen, die sich wohl in ihren Menschen- wie auch in ihren BürgerInnenrechten schwerstens verletzt fühlten, weitgehend unter.
Was tun?
Wie auch immer: Dass für den Rad- und Fußverkehr in der Eichhornstraße – vor allem zwischen der Rosenau und der Zufahrt zu den Parkplätzen am Hörnle am Beginn der Jakobstraße etwa auf Höhe des Stadions – etwas geschehen muss, ist klar. Die Fuß- und Radwege an der Straße sind eindeutig zu schmal und aufgrund der kurvenreichen Führung nur schwer einsehbar, und eine Querung der Eichhornstraße ist für FußgängerInnen wie RadfahrerInnen eine nicht ganz ungefährliche Zumutung. Nicht nur, aber auch angesichts des Klimawandels besteht dort Handlungsbedarf zugunsten des klima- und nervenschonenden Langsamverkehrs (RadlerInnen, FußgängerInnen und ähnliche) sowie der Busse. Ein nicht ganz einfaches Unterfangen, sind doch die BusfahrerInnen nicht ganz zu unrecht dem oftmals disziplinlos dahinradelnden Volk in intensiver Abneigung verbunden – man denke etwa an die langwierigen Diskussionen um die Einmündung der Markgrafenstraße in die Petershauser Straße und die Verlegung der Buslinie 6, die fast zu einem Volksaufstand geführt hätte.
Was tun? Die menschen- wie busfreundlichste Lösung wäre es, die Wege an beiden Seiten des recht engen, dunklen und unübersichtlichen Straßenabschnitts zu verbreitern und zu asphaltieren, so dass sie für den Langsamverkehr komfortabel genug würden. Quasi nebenbei müssten allerdings etliche Bäume gefällt und einiges an Buschwerk ausgerissen werden. Mit anderen Worten: Das würde richtig Geld kosten, und nichts fürchtet eine Stadtverwaltung ja mehr als Kosten, sofern es nicht um irgendwelche millionenschweren Prestige-Projekte geht, mit denen sich protzen lässt. Ach ja, und ein paar im rauschenden Waldesdom an ihren Lieblingsbäumen hängende, zartbesaitete Seelen müsste man angesichts des geplanten Baummordes wohl auch noch vertreiben, aber dazu bräuchte man ja nur ein wenig Blaulicht sowie ein paar Liter handelsüblichen Pfeffersprays.
Doch Ernst beiseite, natürlich wäre da auch noch die Möglichkeit, die Fontainebleau-Allee durch den Lorettowald zu einer richtigen Fahrradstraße mit Asphalt und allen sonstigen Schikanen auszubauen.
Aber Hand aufs Herz: Wer vom radelnden Volk würde schon aus der Innenstadt kommend mehrere hundert Meter Umweg gegenüber der Verkehrsführung entlang der Eichhornstraße in Kauf nehmen, um auf diese Allee einzubiegen und dort entspannt fürbass zu radeln? Absehbarer Weise würde die Mehrheit samt ihrem kurzhalsigen Nachwuchs weiterhin entlang der Eichhornstraße dem sommerlichen Hörnle-Vergnügen entgegenstreben.
Was nun?
Also: Die ideale Lösung mit zwei ordentlich ausgebauten Radwegen entlang der Eichhornstraße istteuer und stellte einen Eingriff in den Baumbestand dar. Die Fontainebleau-Allee hätte wohl ein Akzeptanzproblem – vom ansehbaren Aufheulen der AnwohnerInnen der Beethovenstraße einmal abgesehen, die sich vermutlich durch die radelnden Vandalenhorden in ihren Menschen- und BürgerInnenrechten geschmälert sähen und ob des ihnen abverlangten Großopfers für die Allgemeinheit gedemütigt fühlten; schließlich lässt sich an ihrer Straße ja mustergültig studieren, dass Wohnen auch Spaß machen kann.
Es bleibt also die Lösung, die der Arbeitskreis für Rad- und Fußverkehr sowie der Technische und Umweltausschuss (TUA) jetzt sehr einmütig favorisierten: In der Eichhornstraße und Jakobstraße wird zwischen der Einmündung Büscheläcker (in Höhe der Villa Schmieder, also nahe der Rosenau) „und dem Kreisverkehr Hermann-von-Vicari-Straße/Lindauer Straße/Jakobstraße eine Fahrradstraße mit Freigabe für Anlieger“ eingerichtet, wie der städtische Radvorfahrer Gregor Gaffga jetzt mitteilte. „Diese wird die aktuelle Verkehrsführung mit der Einbahnstraßenregelung ablösen. Die Verwaltung bereitet die Umsetzung des Beschlusses vor und wird diesen so schnell wie möglich umsetzen. Das Hörnle wird dann auch mit dem Kfz wieder aus Westen über die Eichhornstraße erreichbar sein.“ Ein halber Sieg also für gewisse Lobbies und ein Einknicken der Verwaltung? Freie Rennstrecke aus der Innenstadt zum Hörnle?
Eher nicht.
Die früher den Kraftfahrzeugen vorbehaltene Fahrbahn soll eine Fahrradstraße werden, die analog zur Petershauser und Jahnstraße auch von gewissen Autos und Bussen benutzt werden darf. Dabei soll auch baulich einiges geschehen. So könnte ein vielen unbekanntes Verkehrsschild in Konstanz Einzug halten: Das oben abgebildete „Zeichen 277.1 – Verbot des Überholens von einspurigen Fahrzeugen für mehrspurige Kraftfahrzeuge und Krafträder mit Beiwagen“. Mit anderen Worten: Wer dort mit einem Auto, LKW, Motorrad mit Beiwagen oder einem ähnlichen Gefährt unterwegs ist, darf Zweiräder nicht überholen und hat sich deren Geschwindigkeit ohne zu murren anzupassen, selbst wenn diese Schritt fahren. Nichts Geringeres als die völlige Unterwerfung der Autofahrenden unter die Radelnden ist also geplant, was erstere kaum ohne Gegenwehr über sich ergehen lassen werden, denn das Auto ist ja nicht nur ein Heiligtum, sondern auch eine wirksame Waffe gegen (tatsächlich oder vermeintlich) sozial Schwächere, um denen ihren subalternen Platz in der gesellschaftlichen Hackordnung zu vergegenwärtigen.
Um an die gebotene demütige und schicksalsergebene Unterordnung der sonst so herrschaftsverwöhnten Autofahrenden zu erinnern, soll in der Straßenmitte ein breiter Balken markiert werden. Mit einer solchen Lösung haben die in Fahrradfragen ja wesentliche weiter entwickelten Niederlande dem Vernehmen nach gute Erfahrungen gemacht, allerdings wird dieser Mittelstreifen dort ordentlich gepflastert, was ein wesentlich eindrücklicheres Autofahr-Erlebnis sicherstellt.
Außerdem wird es in der Jakobstraße, etwa auf Höhe der Einmündung der Seehalde, also am dortigen nördlichen Waldrand, Poller geben, die Autos daran hindern, aus Staad direkt zum Hörnle oder aus der Eichhornstraße nach Staad zu fahren. Diese Poller werden voraussichtlich zu einer spürbaren Verkehrsberuhigung beitragen, denn als Schleichweg zur Umgehung der Mainaustraße eignet sich der Lorettowald dann nicht mehr.
Es ist abzusehen, dass diese Neuregelung für Eichhorn- und Jakobstraße, die als Kompromisslösung zu verstehen ist, auf heftigen Widerspruch vor allem seitens der BusfahrerInnen, aber auch aus Autokreisen stoßen wird. In der Tat, Busse und Fahrräder passen nun mal bauart- und fahrplanbedingt schlecht zueinander, zumal auf einer relativ schmalen und gewundenen Fahrbahn. Beide brauchen Platz und wollen möglichst schnell und komfortabel an ihr jeweiliges Ziel kommen, es ist also mit einer heftigen Nutzungskonkurrenz und einigen lautstarken Auseinandersetzungen zu rechnen.
Ab circa 21.12.2021 soll die Neuregelung dann unter www.konstanz.de/eichhornstrasse veröffentlicht werden, wo sich bis dahin noch veraltete Informationen befinden werden.
Ein paar Euro mehr für den Radverkehr
Der rührige Landtagsabgeordnete Hans-Peter Storz hat eine Presseerklärung herausgegeben, in der auf die aktuelle Bundesförderung für Radprojekte im Landkreis Konstanz aufmerksam gemacht wird. Hier einige stark gekürzte Auszüge daraus:
„Mit etwa 3,2 Millionen Euro fördert der Bund insgesamt neun neue Radwege oder Fahrradabstell-Anlagen im Landkreis Konstanz. Die geförderten Projekte sollen bis Ende 2022 fertiggestellt werden. So sollen die Träger der Maßnahmen, der Landkreis und die Städte Radolfzell, Konstanz und Engen Zuschüsse in Höhe von 80 Prozent der Herstellungskosten erhalten.
So stehen für den Radweg von Kaltbrunn nach Markelfingen knapp 1,4 Millionen Euro an Zuschüssen zur Verfügung. Der Radweg von Zoznegg nach Mühlweiher wird mit mehr als einer Million Euro unterstützt. Weitere Radwege in der Projektliste sind die Verbindungen von Mahlspüren i.H. nach Windegg und ein Radweg von Anselfingen zur Landesstraße 191. Die Stadt Radolfzell wird beim Bau einer Fahrradabstellanlage mit 330.000 Euro unterstützt. Für den gleichen Zweck erhält Engen Fördermittel. In der Stadt Konstanz kann entlang der Max-Stromeyer-Straße ein Radweg ausgebaut werden.
Die begünstigten Kommunen stehen, so Storz, jetzt unter Zeitdruck. Die Realisierung der Maßnahmen sei für das Jahr 2022 vorgesehen. Bis spätestens Ende 2023 müssen die Zuschüsse verbaut werden.“
Text: O. Pugliese, Bilder: Wikipedia, gemeinfrei
Besser, umfassender und treffsicherer kann man die Gemengelage an Interessen, Notwendigkeiten, finanziellen Abwägungen, empfundenen Gewohnheitsrechten und Gegebenheiten nicht beschreiben.
An den Diskussionen im Vorfeld hat mich am meisten geärgert, dass einige motorisierte Verkehrsteilnehmer gegen den kleinen Umweg der Versuchsphase mit dem Hinweis auf erhöhte Abgasbelastungen argumentierten, als seien die restlichen zehntausend oder zwanzigtausend Kilometer, die sie Jahr für Jahr fahren, für die Umwelt kein Problem.