Mutter Courage am Kongo
„Ruiniert“ heißt das Stück, das am vergangenen Freitag am Konstanzer Stadttheater Premiere hatte. Und ruiniert ist das Land, in dem das Stück spielt, ruiniert die Moral, von der das Stück handelt, ruiniert auch die Menschen, von dem das Stück der New Yorkerin Lynn Nottage erzählt. Und ein wenig ruiniert ist auch die Dramaturgie des Dramas, über das sich nicht zu berichten lohnte, wenn nicht außergewöhnliche Schauspielerinnen mitmachen würden.
Dabei hat man sich in Konstanz so viel Mühe gegeben: Das Stück „Ruiniert“ wurde als deutsche Erstaufführung auf die Bühne gebracht, als Pulitzer-Preis-Auszeichnung mit vielen Vorschusslorbeeren bedacht, von Chefdramaturg Spiekermann eigens übersetzt. Und man konnte damit den Themenbogen der Saison „Afrika – in weiter Ferne so nah“, gestartet mit einer fulminanten Aufführung von Joseph Conrads „Herz der Finsternis“, stimmungsvoll und aktuell zugleich beenden:
Und die Geschichte hat das Zeug zum großen Drama: Mama Nadi führt ein Bordell im Ostkongo, und im Schankraum – einziges Bild der Aufführung – drängen sich Soldaten und Minenarbeiter, Rebellen und Händler, vor allem aber Frauen, die der Krieg zu Prostituierten gemacht hat. Und diese Frauen, wohl durchweg Farbige, die auf der Konstanzer Bühne aber ungeschminkt daher kommen, haben Furchtbares erlebt: Vergewaltigt und verstoßen, verstümmelt und zerstört finden sie Zuflucht bei Mama Nadi, die sie behütet und gleichzeitig ausbeutet. Das hat schon etwas vom Mutter-Courage-Stoff – doch, und das ist das große Manko dieses Stücks, – Lynn Nottage findet in Dramaturgie und Dialogen nie zu der Stärke eines Bertolt Brecht. Was zugegeben auch Weltklasseformat erfordern würde.
So bleibt „Ruiniert“ ein Kammerspiel fast ohne Höhepunkte und ohne dramaturgische Spannung, das manchmal gar langweilt und mit 100 Minuten viel zu langatmig und pausenlos über die Bühne kommt. Da helfen auch die Tricks und Kniffs von Regisseur Oliver Vorwerk nicht, der mit seinen Musikeinlagen einen Spannungsbogen von tösendem Schlachtenlärm zu säuselnder Romantik zu zeichnen versucht. Allein die außergewöhnlichen Schauspieler-Leistungen rechtfertigen diesen, dann doch zu langen Theaterabend.
Allen voran die der Schauspielerinnen. Was Miriam Japp als Mama Nadi an Bühnenpräsenz und Wandlungsfähigkeit zeigt, ist verdammt bemerkenswert: Zwischen kaltschnäuziger Puffmutter und treu sorgender Amme zieht sie alle Register. Alle Achtung aber auch für Julia Philippi (Salima), Jana Alexia Rödiger (Sophie) und Sophie Köster als Josephine. Wie diese jungen Interpretinnen die Zerstörtheit geschundener Frauen in Sprache und Körpersprache spielen – das ist wahrlich großes Theater. Immer wieder erstaunlich, was dieses kleine Ensemble an Schauspieler-Leistungen hervorbringt.
Ein Theaterabend also mit zwiespältiger Resonanz: Ein, man muss es so schonungslos sagen, schwaches Stück mit aber aufrüttelndem Schauspiel. Und schon deshalb war der lang anhaltende Beifall des fast ausverkauften Hauses redlich verdient – die SchauspielerInnen haben es wieder einmal raus gerissen. Dafür ein uneingeschränktes Bravo.
Autor: hpk