„Konstanz bleibt stabil“ – Demo auf der Markstätte
„Konstanz bleibt stabil“, das war das durchgängige Motto der Demo gegen Impfgegner, Covid-IgnorantInnen und Verschwörungsschwurbler. Rund 1000 Menschen waren am Montagabend auf die Marktstätte gekommen, um Flagge zu zeigen gegen den grassierenden Unverstand, der auch in Konstanz zunehmend Anhänger findet. Angemeldet hatte die Veranstaltung Petra Rietzler, unterstützt wurde sie dabei von vielen Organisationen und Initiativen aus der Mitte der Stadtgesellschaft. Hier ihre Rede im Wortlaut.
Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, vielen Dank, dass Sie heute Abend gekommen sind.
Zugegebenermaßen habe ich schon gezögert, zu einer großen Veranstaltung aufzurufen, da wir uns ja noch mitten in der Pandemie befinden. Aber die vielen positiven Rückmeldungen haben mich dann doch bestärkt. Danke an alle Vertreter:innen der Gemeinderatsfraktionen, an das Theater Konstanz für die Kulturschaffenden, die mir hier sofort Unterstützung angeboten haben, in meinem Anliegen und der Organisation.
Ewald Weisschedel von den Freien Wählern Konstanz wird nachher für die Mitglieder des Gemeinderats sprechen. Ebenso wird Frau Becker vom Theater Konstanz noch für die Kulturschaffenden sprechen. Um es gleich vorab zu sagen: Ich bin Demokratin von ganzem Herzen, wie wir alle, die sich hier eingefunden haben. Ich bin froh, dass ich in einem Land lebe, in dem wir frei, an jedem Ort, zu jeder Zeit das Recht haben, unsere Meinung zu äußern. Dieses Recht steht jedem zu, und dafür stehen wir auch alle ein.
Seit fast 2 Jahren hat die Pandemie unser Leben fest im Griff. Alle, die wir hier stehen, leiden auf die eine oder andere Art darunter. Alle wünschen wir uns nichts sehnlicher, als dass es bald vorbei sein möge. Leider hilft das alleinige Wünschen nicht. Dass über die staatlichen Coronamaßnahmen nicht überall Konsens herrscht, ist klar und war auch nicht anders zu erwarten. Dass man über einzelne Maßnahmen streiten darf, abweichender Meinung sein darf, ist klar. Wir leben eben NICHT in einer Diktatur! Worum es hier und heute geht, ist nicht die Diskussion über Maßnahmen, über das Für und Wider einer Impfpflicht, den Sinn oder Unsinn von Lockdowns. Es geht um das Grundverständnis von Demokratie und deren Regeln.
Eine kleine Gruppe verabschiedet sich seit einiger Zeit zunehmend von unserem Rechtsstaat und beginnt sich zu radikalisieren. Das zeigt schon ein kurzer Blick in entsprechende Telegramkanäle. Schon seit Beginn der Pandemie haben Gruppierungen aus der rechten Szene bei den Protesten gegen Coronamaßnahmen eine Rolle gespielt. Vordergründig geht es ihnen um Coronamaßnahmen und um einen verabsolutierten Begriff von Freiheit, doch wird in diesen Netzwerken offen von Umsturzphantasien und Gewalt gesprochen und sogar Mordaufrufe geteilt.
Die Sprache ist eindeutig, Polizisten werden als Söldner bezeichnet, Politiker als Marionetten einer Verschwörungselite. Mit aller propagandistischen Macht stellt man die eigene Position als moralisch höherwertig dar, obwohl es sich gegen die Grundfesten unserer Gesellschaft richtet. Diese Verschleierungstaktik sehen wir auch bei den sogenannten Spaziergängen, deretwegen wir uns heute hier versammelt haben. Die sogenannten Spaziergänge sind ein perfides Instrument, um skeptische Menschen für die radikale Sache zu gewinnen nach dem Motto: Was kann an einem Spaziergang schon gefährlich sein? Bestimmt laufen dort viele mit, die keinesfalls rechtes oder antisemitisches Gedankengut hegen und einfach ein diffuses Unwohlsein mit den Maßnahmen verspüren. Ich hoffe, diese Menschen erkennen noch rechtzeitig, dass diese Spaziergänge bewusst als Instrument eingesetzt werden, um unser rechtsstaatliches System zu unterlaufen.
Denn es geht dort ja nicht um Meinungsfreiheit, die könnten sie jederzeit auf einer Kundgebung unter den geltenden Hygieneauflagen ausüben. Es geht Ihnen ausschließlich darum, sich über geltendes Recht zu erheben und damit den Rechtsstaat im wahrsten Sinn des Wortes zu unterwandern. Das prangern wir an: Nicht nur radikale Verschwörungstheorien zu verbreiten, sondern zugleich die Regeln dieser Gesellschaft für sich nicht mehr anzuerkennen, während die mit Abstand überwiegende Mehrheit von uns sich nach Kräften darum bemüht, die Pandemie in den Griff zu bekommen.
Kam von den „Spaziergängern“ ein einziger konstruktiver Vorschlag, wie die Pandemie zu bewältigen ist? Die Initiatoren dieser Spaziergänge sind sich teilweise nicht zu schade, Kinder zu instrumentalisieren, indem man offen dazu aufruft, sie in vorderster Reihe bei den Spaziergängen mitzunehmen. Hier sagen wir ganz klar: STOP! Auch das hat nichts mit Meinungsfreiheit zu tun, sondern mit Missbrauch derselben, um den Rechtsstaat vorzuführen. Von den Drahtziehern dieser Spaziergänge wird vorgegaukelt, sie gingen für das „Volk“ auf die Straße. NEIN, das tun sie nicht! Wir alle stehen hier, um zu zeigen, dass wir hier die bis jetzt „leise“ Mehrheit sind. Wir, die seit fast 2 Jahren alle Anstrengung unternehmen, uns und unsere Familien zu schützen. Die Gesellschaft, das Gesundheitssystem, die Betriebe, Schulen und Kitas am Laufen zu halten. Wir alle versuchen, so gut es geht, den neuen Erkenntnissen der Wissenschaft zu folgen.
Ja, auch wir alle hadern mit einzelnen Maßnahmen oder politischen Entscheidungen. Wir diskutieren, wir schimpfen auch manchmal oder schütteln den Kopf. Das war zu erwarten und ist auch berechtigt. Auch innerhalb unserer Versammlung hier werden wir zu einigen Maßnahmen unterschiedlicher Meinung sein. Was uns aber alle eint: wir sind froh und dankbar, dass wir nicht in einer Diktatur leben, sondern in einem freien demokratischen Land. Deshalb stehen wir hier. Wir können hier klar und frei unsere Meinung kundtun. Diese Freiheit ist ein hohes Gut, und der Staat sorgt auch dafür, dass wir das in Sicherheit tun können. Dies gilt für alle, es gilt aber die Spielregeln einzuhalten. Was aber ganz klar ist: Hass und Hetze sind keine Meinung, sondern einfach nur Hass und Hetze. Gewalt- und Umsturzphantasien sind keine Meinung, sondern Angriffe auf unsere Gesellschaft und unseren Rechtsstaat. Verschwörungserzählungen sind Erzählungen, die Fakten ignorieren und negieren, Wissenschaft basiert auf Fakten und gewinnt neue Erkenntnisse.
Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, durch diese Krise kommen wir nur gemeinsam. Indem wir auch weiterhin zusammenhalten und Verantwortung übernehmen. Für uns, unsere Familien, unsere Gesellschaft. Gegen das vermaledeite Virus und die Krankheit können wir uns weitgehend schützen, mit Abstand, Maske und Impfung. Verantwortung für unsere Demokratie und den Rechtsstaat übernehmen wir, indem wir immer wieder ganz klar Kante zeigen gegen verfassungsfeindliche Angriffe und Attacken auf unseren Rechtsstaat. Die Botschaft an alle „Spaziergänger“: Schaut genau hin, wem ihr da folgt. Hinterfragt, warum diese Spaziergänge eben nicht angemeldet werden, warum hier niemand Verantwortung übernehmen möchte. Liebe alle, die ihr hier seid: Danke, dass ihr gekommen seid. Danke, dass ihr der solidarischen, demokratischen und verantwortungsbewussten Mehrheit ein Gesicht und eine Stimme gebt.
Petra Rietzler, Bild: H.Reile
Ich war nicht dort, wegen Omikron und ich nicht weiß, ob das am Ende nicht doch kontraproduktiv ist in Menschenmengen zu demonstrieren. Vielleicht lassen sich doch noch andere Möglichkeiten finden, die Stimme zu erheben und sichtbar zu machen. Ich denke darüber nach und fordere auf dazu, dass wir kreativ werden.
Nicht alle, die gegen die Maßnahmen oder eine Impflicht sind, sind Querdenker oder Verschwörungsanhänger. Die eigene Meinung steht, ab davon, jedem frei. Ins Gespräch kommen ist sicher ein wichtiger Schritt, wenn er möglich ist.
Es gibt jedoch einen Punkt an dem es nicht weiter geht und auch nicht weiter gehen muss. Es gibt eine rote Linie. Wenn Wissenschaftler und Politiker mit dem Tode bedroht werden, Mitarbeiter im Einzelhandel beleidigt und bespuckt werden, ein Tankstellenmitarbeiter erschossen wird und im Netz die Hetzte blüht, dann ist das zu viel. Wenn Menschen, die nicht so denken und handeln, trotzdem teils mit den Hetzern marschieren, dann ist die Linie überschritten. Da wird es wichtig für die Zivilgesellschaft und unsere Demokratie zu kämpfen.
Wer hat Ideen das jenseits von Massenaufläufen zu verwirklichen?
Noch einmal: Herzlichen Dank!
Ich war da mit meiner Frau und Freunden und Fr. Rietzler spricht mir irgendwie aus dem Herzen, auch wenn alles vielleicht nicht 100% meiner Meinung entspricht, was sie auf der Demo gesagt hat – muss es auch nicht.
Aber ein solidarisches Zeichen zu setzten gegen undemokratisches und unsolidarisches Handeln finde ich wichtig, zustimmungswürdig! Und das haben schätzungsweise so 1000 Bürger an diesem Abend gemacht, trotz Bedenken auch, dass sich hier möglicherweise Personen mit Corona angesteckt haben könnten. Aber alle hatten eine Maske getragen und meist einen Sicherheitsabstand gehalten, soweit ich das sehen konnte.
Tolle Aktion!