Bodenseeforum: Pfeife im Walde, selbst wenn die Wölfe heulen (Teil II)
Am Donnerstag tagt der Betriebsausschuss Bodenseeforum Konstanz und wird die neusten Vorstellungen der Verwaltung zur Kenntnis nehmen. Doch wie soll es mit dem Millionengrab am Seerhein nach der Pandemie tatsächlich weitergehen? Klar, die Bremser aus allen Lagern des Gemeinderates tragen aus Sicht von Uli Burchardt die Schuld am Millionendesaster, der OB hingegen möchte Gas geben.
Der folgende Text bezieht seine Informationen zum Bodenseeforum Konstanz aus den öffentlich zugänglichen Unterlagen für die öffentliche Sitzung des Betriebsausschusses Bodenseeforum am Donnerstag und ist weder ein fiktiver Text noch eine Satire. Dies sei aus gutem Grunde vorweg bemerkt, weil es früher einmal bedauerliche Fehlinterpretationen eines unserer Texte zum Bofo und daraus resultierende öffentliche Drohungen seitens des OBs gab (siehe hier[[https://archiv.seemoz.de/lokal_regional/gemeinderat-stadt-will-gegen-seemoz-vorgehen/]]).
Zurück zum Thema. Wie stellt sich die Verwaltung, die alles Üble ausschließlich dem zu wenig folgsamen Gemeinderat in die Schuhe schiebt, die Zukunft des Hauses nach der Seuche vor?
Ganz einfach: Sie will solange Druck machen, bis der Gemeinderat ihr den Gastronomieanbau genehmigt, komme, was da will. „Für eine vollständige Positionierung bzw. Umsetzung der Positionierung des Bodenseeforum[s] Konstanz als ‚Ort für Begegnungen‘ für die Bürgerinnen und Bürger der Stadt ist eine nochmalige Beratung über einen möglichen Gastronomieanbau aus Sicht der Verwaltung sowie der Geschäftsführung erforderlich.“
Die Indianer im Gemeinderat (mehrheitlich Bofo-Befürworter) haben’s also mal wieder verbockt, weil sie nicht genug dafür waren, und jetzt kommt die Kavallerie unter Führung des OBs und paukt die arme Jungfrau raus aus den Fängen der Indianer in den sicheren Hafen der Ehe mit der Konstanzer BürgerInnenschaft.
Würg.
Ein Blick in die Zukunft
Wie soll’s weitergehen? Nach der Vorstellung der Verwaltung vor allem möglichst lange. „Die am Prozess beteiligten Berater empfahlen folgende Segmentierung:
Tagungen und Kongresse 52,5%
Kultur und Gesellschaft 25%
Vorträge 5%
Messe 10%
Feierlichkeiten 7,5%“
Mit Verlaub, das muss ein sehr guter Berater sein, der nicht 50 oder 55 Prozente Tagungen und Kongresse, sondern exakt 52,5% empfiehlt. Heidenei, das ist endlich einmal eine exakte Handlungsempfehlung! Wenn plötzlich die UNO ein paar Wochen lang in Konstanz tagen möchte, sollten wir sie ablehnen, weil wir dann 73,8 Prozent Tagungsgeschäft hätten? Bei solchem Schwachsinn lachen ja die Hühner.
Sehr traumbelastet sind auch die Phantasien der Verwaltung für die Zeit nach der Seuche: „Der Bereich Tagungen und Kongresse wird zukünftig aus Präsenzveranstaltungen sowie aus hybriden Formaten bestehen, Vorträge erweitern ihre Reichweite durch Hybridität, virtuelle Messestände ergänzen das Angebot vor Ort.“
Die Annahme, dass das Kapital irgendwann wieder kostengünstige Online-Konferenzen durch teure Kongresse in Konstanz ersetzen könnte, wohin es auch vor der Seuche schon nicht gehen wollte, ist schlichtweg … ich sag’s lieber nicht, sondern riefe am liebsten „Pfleger, Pfleger!“
Das alles erinnert vage an den wegweisenden Berater bei der Übernahme des Bofo, der – sollte ich mich falsch erinnern, korrigiere mich jemand – 210 Veranstaltungen pro Jahr im Bofo prognostizierte. Wenn einem die Kundschaft die Bude einrennt, lässt sich gut segmentieren (=selektieren), aber das hat sie in Konstanz nie getan und wird es absehbar auch weiterhin nicht tun. Bis dahin beschließt der blöde Gemeinderat immer das Falsche, und die kluge Verwaltung muss ihn vor sich hertreiben, bis die Schäfchen im Stall sind.
Der Stall in diesem Wolkenkuckucksheim allerdings wechselt regelmäßig, wie es der Verwaltung gerade passt. Die Lämmer sind selbst schuld, wenn der Wolf ihr Geld frisst.
Habt ein Herz fürs Bofo
So soll es gehen, wenn wir eines Tages wieder leben dürfen und nicht den ganzen Tag mit irgendwelchen Esos und sonstigen Irren über Spritzen, Viren und Masken diskutieren müssen:
„– Das Bodenseeforum wird Ort für Veranstaltungen, die das kulturelle Angebot der Stadt Konstanz ergänzen und bereichert so das Kulturleben in der Stadt. Im Vergleich mit anderen Veranstaltungshäusern ist zu beachten, dass Konstanz mit dem Theater Konstanz und der Südwestdeutschen Philharmonie über starke Anbieter verfügt, das Bodenseeforum also nicht den Auftrag der ‚Grundversorgung‘ hat.
– Zugleich entwickelt das Bodenseeforum Eigenveranstaltungen und Kooperationsveranstaltungen, die den Tagungsstandort Konstanz stärken.
– Die Ausrichtung des Hauses muss sich in der Entgeltordnung widerspiegeln. Hier sind Anpassungen notwendig, insbesondere für Vereine müssen tragbare Lösungen gefunden werden.“
Vom fantasierten weltweit nachgefragten Premium-Haus für Manager hin zur 1-Euro-Halle fürs gemeine Volk ist es für Uli Burchardt nur ein kleiner Schritt. Und vermutlich ein schmerzhafter, denn schon als Autor des erstaunlich grün aufgemotzten Bestsellers „Ausgegeizt! Wertvoll ist besser – Das Manufactum-Prinzip“ vertrat er 2012 unter anderem auch die Meinung, dass etwas, das wenig koste, in den Augen der Menschen nicht viel wert sei – wenn ich ihn richtig verstanden habe, was nicht zwingend der Fall sein muss.
Ich liebe es, weil es absurd ist
Demnach müssen wir alle das Bofo wohl endlich lieben, einfach, weil es teuer ist, denn ein anderer Grund (außer der Möglichkeit, dass die Stadt der IHK in den Arsch kriechen will, die die Räume darüber gekauft hat) ward noch nicht erfunden?
Diese Vorlage für den Ausschuss ist eine pure Unverschämtheit, denn sie versucht, die gesamte Verantwortung allein auf den (zweifellos mitschuldigen) Gemeinderat abzuwälzen und die Verwaltung und Uli Burchardt als die kreative Kraft, die alles zum Besseren wenden könnte, darzustellen.
In Wirklichkeit hat uns Uli Burchardt weitgehend im Alleingang mit seinem jugendlichem Charme und Verve diesen Blödsinn eingebrockt (gegen den damals nur ganz, ganz wenige, darunter die LLK gestimmt haben). Er hielt es wie Goethes „Zauberlehrling“ für sein Meisterstück, und jetzt kann er nicht zugegeben, dass er sich (aus ideologischer Verblendung, einem spontanen Anfall von Größenwahn oder was auch immer) geirrt hat.
Zum Schluss ein Kalauer
Kennen Sie den ältesten aller Oberbürgermeisterwitze? Sagt ein Oberbürgermeister zum anderen: Ich habe gehört, Dein Kongresszentrum ist abgebrannt. Antwortet der andere: Halt die Schnauze, das brennt doch erst morgen.
Die Sitzung des Betriebsausschusses Bodenseeforum ist öffentlich. Sie findet zwar als Videokonferenz statt, wird aber am Donnerstag ab 16 Uhr in Bild und Ton für die Öffentlichkeit im Ratssaal übertragen.
Text & Bild: O. Pugliese
Unvermutet wie zumeist
Kommt die Pleite angereist