Nicht knusprig, aber bekömmlich
Macht Geld des Staates Medien auf jeden Fall zu Sprachrohren des Staates? Darüber wird bis zur Abstimmung am 13. Februar in der Schweiz gestritten, denn der Bund will die Medienförderung um rund 150 Millionen Franken auf 286 Millionen ausbauen. Die Zuschüsse sollen aus Steuermitteln und aus den Fernsehgebühren bezahlt werden.
Geschnürt wurde das „Massnahmenpaket zugunsten der Medien“, weil diese in den letzten zehn Jahren massive Einbussen erlitten – die Werbekunden wanderten ins Internet und zu Gratiszeitungen ab. Tages- und Wochenzeitungen reagierten mit redaktionellen Einsparungen und Fusionen. Heute teilen sich drei große und ein paar wenige kleine Verlage den gesamten Zeitungsmarkt der Schweiz: die TX-Group (früher: Tamedia – „Basler Zeitung“, „Berner Zeitung/Bund“, „Tagesanzeiger“ etc.), die CH-Media („St. Galler Tagblatt“, „Luzerner Zeitung“, „Aargauer Zeitung“ etc.), Ringier („Blick“) und der kleinere „Südostschweiz“-Verlag beherrschen den Markt. Die Medienvielfalt hat stark abgenommen.
Dazwischen strampeln kleinere Meinungsblätter wie die „WOZ“ und Regionalzeitungen wie z.B. die „Schaffhauser Nachrichten“, die „schaffhauser az“, der „Bote vom Untersee“ gegen den Untergang. Neu entstanden sind Onlinemedien von „Tsüri“ (Zürich) über „Ostschweiz“ und „Bajour“ (Basel) bis zu „Republik“ (überregional). Die einen finanzieren sich über Werbung, die anderen vollständig aus Abonnentenzahlungen. Knapp vor „der Wand“ stand zeitweise auch die nationale Nachrichtenagentur SDA.
Um die Medienvielfalt nicht ganz vor die Hunde gehen zu lassen, sollte und wollte der Bund vor allem den kleinen Medien unter die Arme greifen. Wobei – das zeigen die beiden Zahlen am Anfang des Artikels – schon bisher Gebühren und Steuergeld in den Betrieb und die Unterstützung von Medien fließen. Allgemein bekannt ist das beim öffentlich-rechtlichen Fernsehen und Radio sowie bei den Lokalradios- und –TV-Stationen. Sie bekommen heute 81 Millionen Franken aus den Gebühren, die jeder Haushalt bezahlt. Kaum bekannt ist, dass weitere 4 Millionen Gebühren für die nationale Nachrichtenagentur und die Journalistenausbildung bezahlt werden, wobei der Bund noch eine weitere Million drauflegt. Noch unbekannter ist, dass seit über 100 Jahren der Staat das Porto für abonnierte Zeitungen und Verbandsblätter in Höhe von rund 50 Millionen Franken jährlich übernimmt.
Neu sollen jetzt sieben Jahre lang je 100 Millionen Franken aus Steuermitteln für die weitere Portoverbilligungen, die Frühzustellung abonnierter Zeitungen und für die Unterstützung von Online-Medien dazu kommen. Aus den TV-Gebühren sollen weitere 51 Millionen jährlich unbefristet für die bisherigen Empfänger locker gemacht werden.
Aus dem ursprünglichen Anliegen, kleine Zeitungen und Online-Medien zu fördern, ist also eine umfassende Medien-Unterstützung geworden, von der auch die Großverlage profitieren werden. Auch wenn die Zahlungen mit steigender Auflagenhöhe sinken sollen, schmeckt das längst nicht allen. Als „Luxemburgerli (Kleingebäck, d.R.) im Misthaufen“ bezeichnet beispielsweise ein „Republik“-Abonnent die 30 Millionen Franken für die Online-Medien-Förderung im Vergleich mit dem Gesamtpaket.
Das Online-Magazin „Republik“ – vollständig aus Abo-Zahlungen finanziert – hat seine AbonnentInnen zum Thema befragt. Zwar fiel die Zustimmung mit über 90 Prozent so deutlich aus, dass die „Republik“ selbst über „nordkoreanische Werte“ spottete, aber die Begeisterung der Ja-SagerInnen ist verhalten: Sie begründen ihre Zustimmung mit Aussagen wie „normalerweise hat man die Wahl zwischen Pest und Cholera. Diesmal können wir zwischen Pest (Nein) und Covid (Ja) wählen. Ich wähle Covid“ oder: „Kompromisse sind nie knusprig, aber bekömmlich“.
Auf der politischen Ebene lehnen die Schweizerische Volkspartei (SVP) und die Mehrheit der FDP, sowie der Gewerbeverband und der Wirtschaftsverband economiesuisse das Vorhaben ab. Befürwortet wird es von den Sozialdemokraten (SPS) und den Grünen (GP), den Grünliberalen (GLP), der Mehrheit der Mitte (früher: Christdemokraten), dem Verlegerverband, der Mehrheit der Online-Medien (Ausnahme: „Ostschweiz“) und den Mediengewerkschaften.
Während die GegnerInnen mit der Gefahr unkritischer Staatsmedien argumentieren, halten die BefürworterInnen diese Gefahr für gering im Vergleich mit jener durch den Schwund der Medienvielfalt. Sie verweisen außerdem, dass nicht alle Medien auf so zahlungskräftige UnterstützerInnen zählen könnten, wie die vielen Gratisblätter, die SVP-Übervater Christof Blocher gekauft hat – oder wie die „Weltwoche“, die Millionär Tito Tettamanti vor Jahren seinem politischen Schützling Roger Köppel sicherte.
Wie die Abstimmung ausgehen wird, ist derzeit völlig offen. Die derzeitigen Umfragen zeigen ein Patt zwischen Ja und Nein. Was vier Wochen vor einer Abstimmung gewöhnlich auf eine Ablehnung hin deutet.
Text: Lieselotte Schiesser
Bild: Pixabay