Cervelat und Zigarette
In der Schweiz geht’s um die Wurst – könnte man meinen wenn man derzeit die Abstimmungsplakate im Nachbarland sieht. Sollen die SchweizerInnen etwa alle VeganerInnen werden? Nein. Kein Kinder- und Jugendauge soll Tabakwerbung sehen können – das ist das Ziel einer Volksinitiative. Was dann die Bratwurst dann auf dem Plakaten soll? Das weiss nur das Komitee, das sich gegen die Volksinitiative wehrt.
Denn über die Volksinitiative „Ja zum Schutz der Kinder und Jugendlichen vor Tabakwerbung“ wird am 13. Februar abgestimmt – und das Nein-Komitee kämpft auf ziemlich verlorenem Posten. Umfragen zeigen derzeit eine fast 80-prozentige Zustimmung zum Initiativ-Anliegen und das, obwohl Regierung und Parlament mehrheitlich gegen die Initiative, wenn auch nicht gegen weitere Tabak-Werbeverbote sind.
Es ist ja nicht so, als ob heute Tabakindustrie und -handel in der Schweiz im Werbeschlaraffenland lebten: In 17 von 26 Kantonen (darunter Thurgau, St. Gallen und Zürich) ist Plakatwerbung, in sechs davon auch Kinowerbung für Tabakwaren verboten. Zwei dieser 17 Kantone verbieten auch bereits Tabakwerbung und –sponsoring auf öffentlichem Grund und von öffentlichem Grund aus einsehbarem Privatgrund sowie bei Kultur- und Sportveranstaltungen. Man sollte meinen, da bliebe nicht mehr viel Spielraum.
Aber da sind ja noch ein paar Kantone übrig, in denen Tabakwerbung und das Sponsoring von Sport- oder Musikveranstaltungen durch Zigarettenfirmen erlaubt ist. Und wenn man das unterbinden will, dann langt man doch gleich richtig hin. Deshalb treibt die Initiative den Schutz der Jugend vor Tabak noch um eine Stufe höher: Sie will jegliche Werbung für Tabakprodukte überall dort verbieten, wo sie von Jugendlichen gesehen werden kann. Nicht nur dürfen Jugendliche nicht direkt von der Werbung angesprochen werden – sie dürfen sie gar nicht erst sehen. Auch nicht im Internet.
„Pssst…“
Womit sich die Frage stellt, wo sie denn überhaupt noch möglich wäre – vermutlich nur im Bordell und in der Spielbank, wo unter 18-Jährige sowieso keinen Zutritt haben. Auch an Kiosken dürfte dann nämlich solche Werbung nicht mehr zu sehen sein. Tabakwaren als „Bückware“ am Kiosk – wie früher die Pornohefte. Oder eine neue Aufgabe für Schlemihl (Lefty, the salesman) aus der Sesamstrasse, der jeweils mit einem „Psst“ seinen schwarzen Mantel öffnete und „verbotene Ware“ anbot.
Nicht verboten werden aber die Bratwurst und der Cervelat (nicht die deutsche Zervelat/Servelat, sondern die Schweizer „Nationalwurst“ Cervelat) – deren künftige Verbote das Komitee vorhersagt, (nicht anders ist das Plakat zu verstehen), das gegen die Volksinitiative ist. Dessen Versuch, den SchweizerInnen Angst vor künftigen Unsinns-Verboten zu machen, wird scheitern, denn wenn’s um Tabak geht, sind viele SchweizerInnen so sendungsbewusst, wie man das sonst nur von Gesundheitsaposteln kennt. Es ist übrigens nichts davon bekannt, dass QuerdenkerInnen sich gegen diese Beschneidung ihrer Freiheit irgendwo zu einem „Spaziergang“ zusammengefunden hätten.
Text: Lieselotte Schiesser
Bild: Abstimmungsplakat
Spannendes Thema! Herrlich amüsant geschrieben.