Tierversuche in der Schweiz: Viertes Scheitern?
Nach langer Pause gibt es einen neuen Anlauf, Tierversuche in der Schweiz zu verbieten – dieses Mal verbunden mit einem Importverbot für alles, was mit Tierversuchen entwickelt und/oder hergestellt wurde. Es ist der vierte Versuch, Tierversuche in der Schweiz zu verbieten. Die ersten drei waren erfolglos – der vierte wird es, aller Wahrscheinlichkeit nach, auch sein.
Zwischen 1983 und 1993 lehnten die Schweizer Stimmberechtigten drei Volksinitiativen ab, die Tierversuche verbieten wollten. Über die vierte wird am 13. Februar abgestimmt. Sie hat etwas erreicht, was seit Menschengedenken im Schweizer Parlament nie erreicht wurde: Sie bekam keine einzige Stimme als Unterstützung – auch nicht von Linken und Grünen, die sonst ähnliche Anliegen zuverlässig befürworten. Außerhalb des Parlamentes bleibt auch die Unterstützung durch den Schweizer Tierschutz aus, dem die Forderungen zu radikal sind.
Erreicht haben das die InitiantInnen mit dem Novum, nicht nur Forschung an Mensch und Tier verbieten zu wollen, sondern auch die Einfuhr aller neuen Produkte zu verbieten, die in Verbindung mit Tier- oder menschenversuchen entstanden. Eine Ausnahme solle es nur geben, wenn es um längst zugelassene Produkte gehe, die nicht unter Zuhilfenahme von Tierversuchen hergestellt würden. Dieses Verbot würde dann auch neue Medikamente für Menschen und Tiere betreffen.
Erkrankte und Industrie
Gerade die Medikamentenentwicklung ist aber in der Schweiz nicht nur ein Thema, weil Erkrankte optimal therapiert werden wollen, sondern weil auch die starke Schweizer Pharmaindustrie durch eine Tierversuchsverbot eingeschränkt würde. Sie ließe dann vermutlich ihre Versuche woanders ausführen, mit weniger Auflagen als heute bestehen. Die neuen Medikamente dürften dann auch nicht eingeführt und eingesetzt werden.
Die Initianten argumentieren auf zwei Linien für ihr Anliegen. Die eine hat zum Inhalt, dass Tierversuche nichts über die Tauglichkeit und Unbedenklichkeit eines Stoffes für Menschen aussagten. Als Beispiel dient – wie schon in den 80er- und 90er-Jahren – Thalidomid, das als „Contergan“ bei Mäusen völlig unbedenklich gewesen war, bei Menschen aber schwere Missbildungen verursachen konnte. Die zweite Argumentationslinie besagt, es gebe keinerlei Rechtfertigung dafür, nicht zustimmungsfähige Wesen – Mensch oder Tier – für welche Versuche auch immer einzusetzen.
Menschen müssen aber bereits heute zustimmen, bevor sie an einem Medikamentenversuch teilnehmen können. Bei Kindern müssen – neben weiteren Einschränkungen – die Erziehungsberechtigten ihr Einverständnis erklären. Für Tiere wiederum ist eine Zustimmung nicht erreichbar, weil diese Menschen weder verstehen noch Unterlagen lesen können.
Heutzutage werden in der Schweiz jährlich rund 560 000 Tiere – mehrheitlich Ratten und Mäuse – für Tierversuche eingesetzt. Für 235 000 dieser Tiere waren die Versuche nicht mit Schmerz verbunden. Das deshalb, weil in der Schweiz z.B. auch Beobachtungen für die Verhaltensforschung als „Tierversuch“ gezählt werden. Etwa 20 000 Tiere waren aber schweren Belastungen und auch Schmerzen ausgesetzt. Das betraf beispielsweise Bereiche der Tumorforschung. Prinzipiell werden Tierversuche nur genehmigt, wenn auf andere Art keine gleichwertigen Erkenntnisse gewonnen werden können und die Tiere so gering wie möglich belastet werden.
Text: Lieselotte Schiesser
Bild: Abstimmungsplakat