Was, wenn uns das Wasser bis zum Halse steht?
Im Juli 2020 gab es in West- und Mitteleuropa eine Flutkatastrophe. In Deutschland führte Mitte Juli die Überflutung an der Ahr in Verbindung mit der Unfähigkeit der Obrigkeit zu einer Katastrophe, deren Ausmaß im vermeintlich so gut organisierten Deutschland nicht erwartet worden war. Aber auch uns Anwohnern des Bodensees ist das Wasser nicht fern, deshalb gab es auch hier vor Ort politische Aktivitäten.
Während der große Regen niederprasselte, gingen im letzten Juli innerhalb weniger Tage gleich zwei Anfragen plus ein Antrag bei der Stadt Konstanz ein. Was wäre, wenn … auch hier das Hochwasser 1998 nicht das Jahrhunderthochwasser gewesen wäre, sondern das Wasser unentwegt weiterstiege (oder der Hohentwiel wieder einmal ausbräche)?
Die Antwort darauf gibt die Verwaltung in der Gemeinderatssitzung am Donnerstag. Es geht um den „Katastrophenschutz Konstanz (Antrag der CDU-Fraktion vom 16.08.2021, Anfrage der FDP-Fraktion vom 10.08.2021 und Anfrage der FGL-Fraktion vom 13.07.2021)“.
Föderalismus beim Katastrophenschutz
Es wäre kaum anders zu erwarten gewesen: In der Bundesrepublik mit ihrer föderalen Gliederung ist auch der Katastrophenschutz nach Angaben der Verwaltung streng gegliedert, wie das Feuerwehramt (FWA), das Amt für Stadtplanung und Umwelt (ASU), die Entsorgungsbetriebe (EBK) und das Tiefbauamt (TBA) dem Gemeinderat berichten. Die ebenfalls angefragte Untere Katastrophenschutzbehörde des Landkreises hat dem Vernehmen nach leider nicht geantwortet, vielleicht erbarmt sich ja irgendjemand und fragt im Kreistag noch mal nach?
Im Falle einer Katastrophe sind die Zuständigkeiten so verteilt: „Der Katastrophenschutz fällt in die Zuständigkeit der Länder. Diese haben für die Gefahrenabwehr ein mehrstufiges System aufgebaut. Die akute Gefahrenabwehr bei Bränden, Unfällen und sonstigen Ereignissen (z.B. Hochwasser, Starkregen, Wind- und Schneebruch, etc.) liegt zuerst bei den Kommunen (Städte und Gemeinden). Diese haben entsprechend leistungsfähige Einheiten und Einrichtungen (in der Regel die Gemeindefeuerwehr) aufzustellen, auszustatten und zu unterhalten, um diesen Gefahren wirkungsvoll begegnen zu können.“ Wenn uns also in der Konstanzer Innenstadt das Wasser bis zum Halse steht, ist das zuerst einmal eine Konstanzer Angelegenheit.
Wenn es aber richtig rumst oder am gesamten Untersee Land unter herrscht, greift die föderale Logik: „Sind mehrere Kommunen von einem Ereignis betroffen oder handelt es sich um ein besonders schweres Schadensereignis, kann der Landkreis den Katastrophenfall ausrufen. Hier trägt der Landkreis in seiner Funktion als ‚Untere Katastrophenschutzbehörde‘ die Verantwortung und übernimmt die Koordination aller Maßnahmen. Als kreisangehörige Stadt untersteht in einem solchen Fall auch die Stadt Konstanz der ‚Unteren Katastrophenschutzbehörde‘ des Landkreises und hat dann keine eigene Zuständigkeit mehr. Darüber sind die ‚Höheren Katastrophenschutzbehörden‘ bei den Regierungspräsidien und die ‚Oberste Katastrophenschutzbehörde‘ beim Innenministerium angesiedelt.“
Organisation ist alles
Die Organisation einer Katastrophe ist eine immense technische und organisatorische Herausforderung, und vermutlich lässt sich der genaue Ablauf einer Katastrophe nie wirklich genau vorhersehen. Trotzdem ist es durchaus beeindruckend, welche Pläne und welches Wissen da zusammengetragen wurden. „Seit 2013 werden in der Hochwassergefahrenkarten (HWGK) Baden-Württemberg durch das Land die von Oberflächengewässern ausgehende Überflutungsgefahren bei unterschiedlichen Hochwasserereignissen dargestellt. Für den Bereich Bodensee-Hegau ist das Regierungspräsidium Tübingen die zuständige Landesbehörde. Auf Basis der amtlichen HWGK wurden 2015/16 entsprechende Hochwassermanagementpläne (mit Maßnahmenbericht) ausgearbeitet. Alle Informationen stehen auch online zur Verfügung (siehe hier). Seit dem Hochwasser im Jahr 1999 gibt es zusätzlich von der Stadt Konstanz eine Hochwassergefahrenkarte. In Verbindung mit dem Digitalen Geländemodell (DGM) können die Überflutungsbereiche mit einer hohen Genauigkeit dargestellt werden. Daraus können Maßnahmen je nach Pegelstand abgeleitet werden.“
Aufgabe der Entsorgungsbetriebe ist es dann etwa, zu verhindern, dass „Bodenseewasser in die Kanalisation läuft, wodurch die ordnungsgemäße Abwasserableitung und Abwasserreinigung gefährdet würde.“ Und dafür ist einiges getan worden: „Die EBK betreiben 25 Abwasserpumpwerke und 2 Schmutzfangzellen für die Abwasserableitung zur Kläranlage. Für die Regenwasserbehandlung im Mischsystem sind 3 Regenüberlaufbecken, 9 Stauraumkanäle, 1 Regenrückhaltebecken und 7 Regenüberlaufbecken im Stadtgebiet Konstanz vorhanden. 4 Regenklärbecken werden im Kanal-Trennsystem (ein Kanal für Schmutzwasserableitung und ein Kanal für die Regenwasserableitung) betrieben.“
Gleichzeitig ist auch die Renaturierung jener Bäche im Stadtgebiet zum Hochwasserschutz nötig, die in den letzten Jahrzehnten wie damals üblich verdolt oder gar überbaut wurden. Allerdings bleibt noch viel zu tun: „Es ist richtig, dass die Aufwendungen für Renaturierungen, Beseitigung von Engstellen und Gewässerunterhaltung in den nächsten Jahren deutlich zunehmen müssen und der Umgang mit Starkregenereignissen einer verstärkten Betrachtung und Bearbeitung bedarf. Neben den finanziellen Mitteln fehlen sowohl beim TBA als auch beim ASU die entsprechenden Personalkapazitäten.“
Ohne Russen keine Sirenen
Allerdings stellt sich die Frage, wie die Bevölkerung von einer angehenden Katastrophe erfahren soll. „Die Information der Bevölkerung soll im Schadensfall über Warn-Apps, z.B. Nina und Katwarn, erfolgen. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit von Rundfunkdurchsagen oder von Durchsagen über die Außenlautsprecher der Einsatzfahrzeuge. Die Feuerwehr Konstanz verfügt aktuell bei drei Fahrzeugen über diese Möglichkeit.“ Die gute alte Sirene, die gelegentlich aus der Schweiz bis zu uns herüberheult, hat hingegen ausgedient. „Die Sirenen wurden in Konstanz nach dem Ende des kalten Krieges abgebaut. Aus Sicht des Feuerwehramtes sind Sirenen zur flächendeckenden Warnung die effektivste Variante der bestehenden Möglichkeiten. Sollten wieder Sirenen zur Warnung der Bevölkerung zum Einsatz kommen, wäre ein komplett neues Netz aufzubauen.“ Mit anderen Worten, seit der Russe nicht mehr vor der Tür steht, haben sich die Warnmöglichkeiten in Deutschland deutlich verschlechtert.
Mit einer Katastrophe wie an der Ahr aber, wo der Pegel nach heftigem Regen innerhalb kürzester Zeit auf rekordverdächtige Werte stieg, rechnet die Konstanzer Verwaltung nicht. Da der Wasserstand des Bodensees eher über einen längeren Zeitraum hin steigt als schlagartig, hält die Verwaltung ein Hochwasser für wesentlich besser planbar als an der Ahr.
Text: O. Pugliese, Bild: Markus Distelrath auf Pixabay
Etliche Zitate wurden sinnerhaltend, aber teils erheblich gekürzt. Im Interesse des Leseflusses wurden diese Kürzungen nicht eigens kenntlich gemacht.