Die Konstanzer Maultasche: Preisverleihung steht an
Ein Preis, den niemand will – und den doch so manche redlich verdient haben: Es ist ein Preis für besonders schikanöses Arbeitgeberverhalten im Landkreis Konstanz. Verliehen wird die Konstanzer Maultasche am kommenden Dienstag. Wer sie bekommen hat, wird dann umgehend auf seemoz bekannt gegeben.
Im Jahr 2009 sorgte die fristlose Kündigung einer langgedienten Altenpflegerin bundesweit für Aufsehen: Die Spitalstiftung Konstanz, eine städtische Einrichtung, hatte die Frau entlassen, weil sie ein paar Maultaschen auf die Seite gelegt hatte, die ohnehin in den Müll gewandert wären. Die Geschichte sorgte bundesweit für Aufsehen, weil sie nur eine unter vielen war: In letzter Zeit häufen sich die sogenannten Bagatellkündigungen. Im Fall „Emmely“ hat das Bundesarbeitsgericht im Juni 2010 zugunsten einer entlassenen Kassiererin entschieden.
Der Maultaschenfall hat in unserer Region viele BürgerInnen empört. Doch die Spitalstiftung (Leitbild: „Mit Kompetenz und Menschlichkeit“) ist nicht die einzige Arbeitgeberin, die mit ihren Angestellten nach Belieben umspringt. Immer wieder schikanieren Großunternehmen, Kleinbetriebe, Manager im öffentlichen Dienst, Behörden und selbst Wohlfahrtseinrichtungen ihre Beschäftigten. Da werden langjährige Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen geschuriegelt und Betriebsräte gemobbt; da erzwingen Firmen unbezahlte Zusatzschichten, spielen mit der Angst und stellen nur noch befristet ein; da erhalten Lohnabhängige einen Stundenlohn von fünf oder sieben Euro und werden noch unter Druck gesetzt.
All das geschieht unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Und genau das wollen wir, das Komitee Konstanzer Maultasche, mit unserer Initiative verhindern. Das Komitee entstand aus einer Initiative der Deutschen Journalisten- und JournalistInnen Union (dju) im ver.di-Bezirk Schwarzwald-Bodensee. Angeschlossen haben sich Gewerkschafter und Kommunalpolitiker aus dem Landkreis Konstanz.
Ab Dienstag wird auch die Website der Initiative aufgeschaltet, auf der alle Informationen zum Thema zu finden sind: http://www.konstanzer-maultaschen.de
Die Gründung einer Initiative und die Verleihung der „Konstanzer Maultasche“ ist eine wunderbare Idee! Es kann und darf nicht sein, dass in den Chefetagen von Unternehmen soziale Kälte zum Handlungsprinzip wird und der Bürger davon nichts erfährt.
Im Konstanzer Maultaschenfall kamen die Informationen überwiegend von SeeMoz, bevor die überregionalen Medien sich des Themas angenommen haben. Und es waren die Bürger der Region, die wütende Leserbriefe verfassten und auch ohne langwierige Gerichtsverhandlung erkannten, was Recht und was Unrecht ist. Seltsam ist nur, dass den Verantwortlichen diese Erkenntnis zu fehlen schien.
Peter Ulrich, Begründer des Instituts für Wirtschaftsethik an der Universität St. Gallen, glaubt an einen „Primat der Ethik“, der jede unternehmerische Handlung unter einen „Legitimitätsvorbehalt“ stellt. Vielleicht sollte man die künftigen Personalchefs erstmal in ein Seminar „Wirtschaftsethik“ stecken, bevor sie auf dem Chefsessel Platz nehmen dürfen !!
Nicht mal mehr der Trost kommt heute aus der Kirche, sondern z. B. aus einem Artikel auf seemoz! Chapeau den Kollegen und der dju, die ihr und damit auch das öffentliche Augenmerk auf ethische Entgleisungen richten, welche durch die neoliberal verbogenen rechtstaatlichen Raster fallen! Vor bald 20 Jahren hat man sich in den Philosophieseminaren oben an der Konstanzer Universität so hoffnungsvoll mit „Wirtschaftsethik im Werden“ (so ein besprochener Buchtitel) beschäftigt. Heute lässt sich resigniert konstatieren: Ist wohl nix geworden – mit der Wirtschaftsethik!