Burnoutle

Ich scheue mich nicht, das zu outen: Ich wohne im Schwäbischen, genauer gesagt in den Schwäbischen Karpaten. So halbwegs funktioniert das, aber es gibt eine Sache, da habe ich Probleme – ich bin halt kein echter Schwabe. Ich hab’s probiert, ehrlich, aber so einen richtig gepflegten Burnout kriege ich einfach nicht hin. Aber ohne bin ich irgendwie draußen.

Bei uns im Ort haben alle einen, gerade in Schwaben ist das so etwas wie ein Ritterschlag, höher kannst du auf der allgemeinen Akzeptanzskala gar nicht steigen. Ohne ist wie Fegefeuer. Wenn du so richtig schön verschafft aussiehst, hast du’s geschafft. Es heisst ja auch: „Schaff’s gut!“ statt „Mach’s gut!And it burns, burns, burns …

Neulich hätte ich beinahe einen hingekriegt, aber dann beschlich mich die Angst, dass das nur eine Depression ist, und mit einer Depression kann ich mich nirgendwo blicken lassen, unmöglich. Also habe ich mich zurückgehalten. Vielleicht kann mir eben mal jemand erklären, wie genau ein Burnout funktioniert? Man liest so viel darüber in der letzten Zeit, noch häufiger allerdings liest man, dass man in letzter Zeit so viel darüber liest. Ein Dauerbrenner! Manchmal denke ich, den gibt’s gar nicht wirklich, das ist eine Erfindung von Therapeuten, Ärzten und Besitzern von Wellness-Hotels. Die müssen schliesslich auch leben. Journalisten ebenfalls. Man will diese Leute nicht enttäuschen, nachher tragen sie bleibende Schäden davon, manche kriegen Sodbrennen. Die überschlagen sich alle, für die ist das Thema echter Stress, manche klagen über Erschöpfungszustände. Er schöpft, sie schöpft, aber aus was bitteschön, wenn man plötzlich „schwach ist wie eine Flasche leer“? Womöglich muss man anfangen zu töpfern. In einer Gruppe. Und dann ab ins Entmüdungsbecken. Die Buddha-Figur in der Mitte des Raumes lächelt milde dazu. Derzeit ist überall alles in Buddha, selbst auf der Herrentoilette vom Hirschen in Neckarbrunzbach, insgesamt zwei Stück thronen über drei Urinalen. Das hilft sicher, aber wobei?

Streng genommen gehöre ich gar nicht zur Zielgruppe, die besten Burnout-Kandidaten sind Manager mit Privatversicherungen. Ein bedeutender Stressfaktor ist das Multitasking, also mehrere Sachen gleichzeitig machen, Nachdenken und Kaugummikauen beispielsweise. Kann ich meinem Burnout nachgehen und gleichzeitig meine Psychosen pflegen? Ist ein Burnout vielleicht das, was man früher als „Kaputtsein“ bezeichnet hat? So wie Wandern heute „Hiking“ heisst, Radfahren „Biking“ und Nasepopeln „Boring“? Patienten mit einer „schizoiden Persönlichkeitsstruktur“ nannte man früher Einzelgänger. Mittlerweile dürfen nicht einmal Bäcker Eigenbrötler sein. Ich bin z. B. längst ein Dysthyniker, keine Ahnung, ob man dafür ein Diplom braucht, wahrscheinlich schon fürs Aussprechen – früher war das einfach ein schlecht gelaunter Mensch. Selbst Schüchternheit hat einen Upgrade erlebt, das ist neu eine Phobie, Glückwunsch!

Da bleiben Fragen offen. Wo brenz? Heidenheim, Brenz! Wie ist das eigentlich beim Burnout mit der BrenneleBrennelementesteuer? Und muss man beim Ausgebranntsein nicht vorher anstandshalber wenigstens mal ein bisschen gebrannt haben? Eine Ex-Flamme von mir soll angeblich einen gehabt haben, da habe ich doch lachen müssen: „Du?“ Da war aber su­bito Feuer unterm Dach, und sie ist wutentbrannt durchgebrannt! Dabei hatte ich nur „e Spässle gmacht!“ „Humor trägt die Seele über Abgründe hinweg“ hat schon Anselm Feuerbach geschrieben, und bei solchen Sätzen fängt der Breuer Feuer.

Manche verglühen am Himmel wie eine nordkoreanische Rakete – beneidens­wert! Wo ich einen gescheiten Burnout herkriegen könnte, weiss ich bis heute noch nicht. Vielleicht gibt’s irgendwo einen im Angebot, bei eBay oder in einem Burnoutlet-Center, für den Anfang würde mir ja auch schon mal ein Burnoutle genügen, die Leute gucken schon so komisch.

Autor: Thomas C. Breuer