Eine AfD-nahe Stiftung erwartet Steuermillionen

Null Prozent für die afdEine Kaderschmiede der Neuen Rechten in Deutschland will an die staatlichen Fördertöpfe. Sie stößt auf beträchtlichen Widerstand. In Deutschland verfügt jede Partei über eine ihr nahestehende Stiftung, benannt nach wichtigen Persönlichkeiten. Bei der SPD beispielsweise ist es die Friedrich-Ebert-Stiftung, bei der CDU die Konrad-Adenauer-Stiftung. Nun will auch die AfD mitmischen.

Diese parteinahen Institutionen haben verschiedene Aufgaben, etwa politische Bildung, sie mischen informell in der Aussenpolitik mit, haben nicht selten Büros in diversen Ländern, unterhalten die Archive der ihnen nahestehen Parteien und verwalten Politikernachlässe.

«Rechtlich besser absichern»

Finanziert werden diese Stiftungen zum allergrößten Teil vom Staat, konkret etwa vom Innen-, Aussen-, Umwelt- und Bildungsministerium. Die Bundesmittel erreichen dreistellige Millionenbeträge, Tendenz steigend. Nur: Die Finanzierung steht rechtlich auf wackligen Beinen, sie ist nicht sonderlich transparent, und eine klare gesetzliche Grundlage gibt es nicht. Die neue deutsche Regierungskoalition hat das Problem zwar erkannt und den folgenden Satz in den Koalitionsvertrag geschrieben: «Die Arbeit und Finanzierung der politischen Stiftungen wollen wir rechtlich besser absichern.» Sehr konkret ist das nicht. Und die Parteien sind sich auch nicht einig, in welcher Form das geschehen soll.

Acht Millionen Euro für die AfD?

Deshalb gilt wohl bis auf weiteres Gewohnheitsrecht. Dieses sieht vor, dass eine Partei, die ein zweites Mal in Folge in den Bundestag einzieht, Anrecht auf staatliche Förderung ihrer parteinahen Stiftung hat. Zuständig für den Entscheid ist der Haushaltsausschuss (Finanzkommission) des Bundestages. Doch was bisher Routine war, gewinnt nun plötzlich an Brisanz – weil es um die AfD geht. Formal erfüllt die Partei die Bedingungen zur Finanzierung, sie wurde im vergangenen Herbst zum zweiten Mal in den Bundestag gewählt. Allerdings machen nun große Teile der deutschen  Zivilgesellschaft mobil und wollen verhindern, dass die AfD-nahe Desiderius-Erasmus-Stiftung (DES) mit Steuergeldern unterstützt werden soll. Die Stiftung rechnet mit rund acht Millionen Euro im ersten Jahr: «Wenn alles nach Recht und Gesetz zugeht, stehen der Desiderius-Erasmus-Stiftung ab dem Jahr 2022 Fördermittel des Bundes zu. Auf jeden Fall werden sich die Verhandlungen dazu aufgrund der vorangegangenen Bundestagswahl bis zum Ende des ersten Quartals 2022 hinziehen», heisst es auf der  Homepage der DES.

Für Völkerverständigung

Die DES gibt sich offiziell zurückhaltend und staatstragend. Dies ganz im Gegensatz zur AfD: Seit dem Rücktritt von Jörg Meuthen als Parteichef unter gleichzeitigem Parteiaustritt im Januar 2022 scheint sich jedenfalls der völkische Flügel der ohnehin in Teilen rechtsradikalen AfD durchzusetzen. Auf der Homepage der Stiftung dagegen kann man lesen: «Wir setzen uns für die Förderung des demokratischen Staatswesens und die Vermittlung staatsbürgerlicher Bildung ein.» Und: Die Stiftung unterstützt «die Förderung von Wissenschaft und Forschung sowie die wissenschaftliche Aus- und Fortbildung begabter junger Menschen.» Herausgestrichen wird auch «die internationale Gesinnung, die Völkerverständigung, die Toleranz auf allen Gebieten der Kultur.»

Ganz so weichgespült und eingemittet, wie sich die DES nach außen gibt, ist sie allerdings nicht. Das zeigt allein schon ein Blick auf die Veranstaltungen: Da geht es etwa um die «Islamisierung Deutschlands», um die Vertreibung der Deutschen nach dem Zweiten Weltkrieg «aus ihren angestammten Siedlungsgebieten unter dem Aspekt des Völkerrechts», um «Massenzuwanderung» und «Migration als Sicherheitsrisiko». Auch das Führungspersonal lässt aufhorchen. Die 2017 gegründete Stiftung wird von Erika Steinbach präsidiert, einer früheren Bundestagsabgeordneten, die lange Zeit am rechten Rand der CDU politisierte. 2017 trat sie aus der CDU aus, weil sie mit der Flüchtlingspolitik von Bundeskanzlerin Angela Merkel nicht einverstanden war.

In früheren Jahren kandidierte Erika Steinbach für die CDU. Seit Januar 2022 ist sie Mitglied der AfD. © Konrad Adenauer Stiftung / Archiv für Christlich-Demokratische Politik (ACDP) / Wikimedia CC-BY-SA 3.0 DE

Ende Januar 2022 – pikanterweise nach dem Austritt von Jörg Meuthen – stellte sie einen Mitgliedsantrag bei der AfD. Polarisiert hat Steinbach schon als Präsidentin des deutschen «Bundes der Vertriebenen», wo sie die Interessen der im Gefolge des Zweiten Weltkriegs aus dem Osten Europas vertriebenen Deutschen vertreten hat. Sie musste sich auch immer wieder gegen den Vorwurf wehren, mit ihrer Fokussierung auf die deutschen Vertriebenen die nationalsozialistischen Verbrechen zu verharmlosen. Aufgefallen ist sie zudem mit geschichtsrevisionistischen Positionen; so stimmte sie etwa 1991 im Bundestag gegen die Anerkennung der Oder-Neisse-Grenze.

Tweet von Erika Steinbach anlässlich des Muttertags 2017. © Erika Steinbach / www.twitter.com

Scharfmacher geben den Ton an

Im Stiftungsvorstand sitzen weitere Scharfmacher. So etwa Thore Stein, der Mitglied in extrem rechten Burschenschaften war und noch heute in der «Halle-Leobener Burschenschaft Germania» ist. Ebenfalls im Vorstand sitzt der sächsische AfD-Landtagsabgeordnete Sebastian Wippel. Er war unter anderem Mitbegründer der völkisch-nationalistischen «Patriotischen Plattform» in der AfD, wie Le Monde diplomatique vom Februar 2022 schreibt. Zum Gedenktag der Bombardierung Dresdens durch die Westalliierten am 13./14. Februar 1945 sind auf der Homepage von Sebastian Wippel die ungeheuerlichen Worte zu finden: «Nach Kriegsende inszenierten sich die Alliierten letztlich als die großen Befreier des deutschen Volkes. Doch die Taten, die sie auf dem Weg bis zum Sieg über das nationalsozialistische Deutschland verübten, versuchen sie bis heute zu relativieren und zu kaschieren.» Das jährliche Gedenken an die Bombardierung Dresdens wird seit den Neunzigerjahren des 20. Jahrhunderts in unschöner Regelmässigkeit von Rechtsextremisten für geschichtsrevisionistische Zwecke missbraucht.

Stiftung kämpft mit Verfassungsbeschwerde

«Noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik ist die Neue Rechte einer derart großen Millionenförderung durch den Staat so nahe gewesen. (…) Sollte die DES tatsächlich staatliche Förderung erhalten, könnte sie Strukturen aufbauen, die selbst ein Verbot der AfD oder eine Beobachtung durch den Verfassungsschutz überdauern könnten», schreibt Le Monde diplomatique. Noch ist unklar, ob die Stiftung ihren finanziellen Anspruch gegen den breiten Widerstand durchsetzen kann. Die DES hat jedenfalls «als Reaktion auf dieses verfassungswidrige Verhalten», wie sie schreibt, eine  Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht eingereicht.

Text: Jürg Müller-Muralt.
Bilder: H.Reile
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