Was ist eigentlich in Büdingen los?

Der Verein Bürgerpark Büdingen e.V. setzt sich seit Jahren intensiv mit dem geplanten Hotelneubau auf dem Büdingen-Areal an der Seestraße auseinander. Jetzt wendet er sich in einem offenen Brief an die Konstanzer Verwaltungsspitze, weil er seine Mitwirkungsmöglichkeiten verletzt sieht und sich um das Wohl auf dem Grundstück verbliebener Bäume sorgt. Hier lesen Sie den Brief in voller Länge.

Stadt Konstanz vertreten durch
Herrn Oberbürgermeister Burchardt
z.K. Bürgermeister Langensteiner-Schönborn
78462 Konstanz

 

Konstanz, den 10. März 2022

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Burchardt,
sehr geehrter Herr Bürgermeister Langensteiner-Schönborn,

wie wir der Stadt Konstanz schon vor Monaten zur Kenntnis gebracht haben, ist der Verein Bürgerpark Büdingen e.V. vom Landesumweltministerium als Umweltvereinigung im Sinne des UmwRG zugelassen worden. Leider missachtet die Stadtverwaltung unsere damit zusammenhängenden Rechtspositionen vorsätzlich und zielgerichtet. Anders als es für die Wahrnehmung der im UmwRG enthaltenen Befugnisse erforderlich ist, werden wir nicht, verspätet oder vollkommen unstrukturiert über die behördlichen Maßnahmen im Hinblick auf das Büdingen- Areal unterrichtet. Diese Lage ist untragbar. Soweit hieraus Schäden im Hinblick auf den Büdingen- Park entstehen, können wir ihnen jetzt schon entsprechende Schadensersatz- und Amtshaftungsklagen in Aussicht stellen. Wie wir mittlerweile durch Eigeninitiative und öffentlich zugängliche Informationen in Erfahrung bringen konnten, wird beim Verwaltungsverfahren und bei der konkreten Durchführung des Bauprojekts im Büdingen-Park gravierend gegen umwelt- und naturschutzrechtliche Standards verstoßen. Als Umweltvereinigung sind wir nicht nur dazu zugelassen, das Bauvorhaben und die Einhaltung der entsprechenden Bestimmungen zu überwachen, sondern dazu verpflichtet, gegebenenfalls auch gegen die Aufsichtsbehörden vorzugehen, wenn diese ihren Aufgaben nicht oder nur unzureichend nachkommen.

Folgende Verstöße und gravierende Unzulänglichkeiten haben wir zwischenzeitlich festgestellt:

1. Naturdenkmal Blutbuche, in städtischer Verantwortung

Schon seit 2014 existiert ein Gutachten eines renommierten Baum-Experten, das schon im damaligen Kontext für das Naturdenkmal Blutbuche als Erhaltungsmaßnahme den Einbau einer Kronensicherung empfohlen hat, um den Erhalt des Baumes zu gewährleisten. Dies ist im Gegensatz zu den umwelt- und naturschutzrechtlichen Vorgaben nicht passiert. Dies ist umso erstaunlicher, als die Stadt für die Pflegemaßnahmen verantwortlich ist. Die Kosten für die Kronensicherung hätten 2.000-3.000 € nicht überschritten. Mit dieser Erhaltungsmaßnahme wäre es auch nicht zum Kronenabbruch im Februar 2020 gekommen. Die Stadt Konstanz muss sich daher vorwerfen und ggf. auch in Haftung nehmen lassen, dass dieser Schaden auf ihr pflichtwidriges Unterlassen zurückzuführen ist.

Wie schon zuvor, fordern wir Sie hiermit förmlich auf, das besagte Gutachten aus dem Jahr 2014 zugänglich zu machen und zu erklären, weshalb die darin als notwendig ausgewiesenen Kronensicherungsmaßnahmen ungeachtet des überschaubaren finanziellen Aufwandes nicht ergriffen wurden. Das Verhalten der Stadt Konstanz ist umso erstaunlicher, als sie nicht nur die zuständige Stelle für den Erhalt und die Pflege von Naturdenkmälern ist, sondern das Gutachten auch selbst in Auftrag gegeben hatte. Ferner fordern wir Sie dazu auf, durch ein erneutes Gutachten klären zu lassen, welche baumschützenden Maßnahmen im Hinblick auf die Blutbuche derzeit geboten sind.

Wie wir darüber hinaus erfahren haben, fordert ein zweites Gutachten eines anderen Gutachters aus dem Jahre 2020 Maßnahmen, die bisher nicht umgesetzt wurden. Neben einer gezielten Kronenentlastung wäre nach unserer Einschätzung ein Schutzanstrich der Blutbuche unbedingt erforderlich. Denn diese Baumart ist anfällig gegen Sonneneinstrahlung und trägt Schädigungen davon, die einem Sonnenbrand ähneln, wie man ihn von Mensch oder Tier kennt. Insbesondere das Fällen der die Blutbuche umgebenden Bäume vermindert den Sonnenschutz der Blutbuche und trägt somit zu ihrer noch weitergehenden Schädigung bei. Auch diese vergleichsweise einfache Maßnahme wurde von der Stadt Konstanz bislang nicht umgesetzt. Sonderbarerweise wurde zudem auch die Existenz des Gutachtens bis vor kurzem vom früheren Stv. Leiter des Amtes für Stadtplanung und Umwelt, Martin Wichmann bestritten. Zwar wird seine Existenz mittlerweile eingeräumt, wir fordern aber als Umweltvereinigung eine offizielle Zugänglichmachung.

Zwischenzeitlich zeigen sich an der Blutbuche erste UV-Schäden, die mit der im Gutachten von 2020 empfohlenen einfachen Schutzmaßnahme hätten verhindert werden können. Sollten sich diese Schäden bestätigen und verstärken, werden wir entsprechende Schadensersatz- und Amtshaftungsklagen prüfen lassen.

Die Nichtherausgabe der genannten Unterlagen, die uns nach dem UmwRG zustehen, stellt eine pflichtwidrige Unterlassung dar, das Nichteinleiten von sich daraus ergebenden Schutzmaßnahmen ist ebenfalls ein pflichtwidriges Unterlassen, dass wegen der damit verbundenen materiellen und immateriellen Schäden entsprechende Haftungstatbestände erfüllt. Das von den Behörden der Stadt Konstanz ausgehende Fehlverhalten ist nicht hinnehmbar. Wir machen Sie darauf aufmerksam, dass sich Ihre Informationspolitik der Umweltvereinigung Bürgerpark Büdingen e.V. gegenüber gravierend ändern muss oder uns letztlich nichts anderes übrig bleibt, als entsprechende Haftungsklagen einzureichen.

2. Unsachgemäßer Rückschnitt im geschützten Bereich, Seestraße

Im Weiteren stellt sich auch seitens der Stadt die Nichtahndung von Rückschnittmaßnahmen im Winter 2020/21 im Bereich des Radweges der Seestraße als pflichtwidrig dar. Denn entgegen dem gebotenen Baumschutz wurde schweres Gerät zum Fällen und Entfernen von Bäumen und Büschen eingesetzt, um deren Wurzelwerk auszugraben. Auch diese Maßnahme steht nicht im Einklang mit dem geltenden Recht, das ein Gartenbau-Fachunternehmen zu befolgen hat. Es hätte an der Stadt Konstanz und ihren Behörden gelegen, dies zu verhindern. Auch hier hat die städtische Kontrolle offenbar versagt. Wir haben auch diese Maßnahmen bereits vor mehr als einem Jahr gerügt, ohne irgendeine Reaktion städtischerseits zu erhalten. Dies ist mit der Position als Umweltvereinigung und dem dadurch zwischen Stadt Konstanz und dem Bürgerverein Büdingen e.V. begründeten Rechtsverhältnis vollkommen unangemessen. Hier ist eine gravierende Änderung der Verwaltungspraxis dringend geboten.

  • Schreiben vom 22.03.2021 an Stadt Konstanz als Bauaufsichtsbehörde
  • Schreiben unserer Anwälte an die Stadt am 16.03.2021 Anlagen:
  • Damaschek_März_2021_Kurzbericht_Baumschutz_Buedingen_Park.pdf
  • Schreiben PSP an M.Wichmann 1632021.pdf

3. Unsachgemäßer Rückschnitt in mehreren Kronen, Ahorn-Bäume

Außerdem wurde auch der Kronenbeschnitt an mehreren sehr hohen Ahorn-Bäumen nach angeblichem Schneebruch, ebenfalls im letzten Winter, nach gutachterlicher Stellungnahme (durch Lothar Damaschek) nicht sachgerecht ausgeführt. Auch das haben wir bereits vor einem Jahr beanstandet, ohne dass sich das Vorgehen der städtischen Behörden verändert hätte. Die Absenkung des Grundwassers durch den Aushub der Baugrube bei nicht gleichzeitig erfolgter permanenter Bewässerung hat nun bereits dazu geführt, dass diese Bäume schon jetzt an Vitalität eingebüßt haben. Auch die Bewässerung ist nicht als freiwillige Maßnahme anzusehen, sondern ist sogar ausdrücklich in der Baugenehmigung als Auflage ausgewiesen.

Wenn die städtischen Behörden die Einhaltung dieser Anforderungen jedoch nicht konsequent kontrollieren, tragen sie eine Mitschuld, wenn die zu schützenden Bäume schwerwiegend geschädigt werden.

  • Schreiben unserer Anwälte an das Landratsamt am: 5.5.2021
  • Angemahnt per Email an M. Wichmann, OB Burchardt u.a. Empfänger: 29.3.2021 Anlagen:
  • Damaschek_März_2021_Kurzbericht_Baumschutz_Buedingen_Park.pdf
  • „Büdingenpark LRA 552021.pdf

4. Beauftragung Bodenkundlicher Baubegleitung, Umweltbaubegleitung

a) Nach dem Landes-Bodenschutz- und Altlastengesetz in der Neufassung von 2020 ist ab einer Fläche von 3.000 Quadratmetern die Beauftragung einer Bodenkundlichen Baubegleitung verpflichtend. Diese Aufsicht muss permanent erfolgen. Auch der Nachweis über die Verbringung des Aushubmaterials ist zwingend vorgeschrieben. Da es dafür also eine Dokumentationspflicht gibt (s.u.), verlangt der Verein Bürgerpark Büdingen e.V. hiermit Akteneinsicht. Vorsorglich ist auch darauf hingewiesen, dass wir uns mit einem unaufgeräumten USB-Stick nicht zufriedengeben werden, sondern die Originalakten in der Form einsehen wollen, die auch den behördlichen Entscheidungen zugrunde liegt.

b) Zudem verlangen wir Auskunft darüber, wer als Sachverständiger für Umweltbaubegleitung benannt worden ist, der den Bau in diesen Belangen (Baumschutz, Bodenschutz, Immissionsschutz, Verpflichtende Dokumentation der Begehungen) regelmäßig überwacht. Nur vorsorglich weisen wir darauf hin, dass dies nicht dieselbe Person sein darf, die die Arbeiten ausführt. Ansonsten könnte sich Herr Matscher am Ende noch selbst kontrollieren. Auch dieser Missstand, so er bestehen sollte, muss unbedingt abgestellt werden!

5. Fehlende Bewässerung, Mammutbaum und andere

Aus der aktuellen Baugenehmigung von 2019, gemäß Anlage II zu BA-2019-1084-2 Abs. 18 ergibt sich, dass eine „… Bewässerung während und nach der Bauphase.“ und „… vor Bauausführung detailliert darzustellen …“ ist. Ein solcher Bewässerungsplan liegt, wie wir feststellen mussten, nach wie vor nicht vor; eine stationäre Bewässerung wurde nicht installiert. Die eingeräumten Gießgänge können den Wasserverlust in 4-5 Metern Tiefe nicht ausgleichen. Entscheidend ist an dieser Stelle nicht die Erdfeuchte in einer Tiefe von 50 Zentimetern, sondern die Gewährleistung einer konstanten Wassersäule, die mit ihrer Kapillarkraft für Nachschub an Wasser sorgt. Auch die fehlende permanente Bewässerung haben wir bereits mehrfach angemahnt. Sie stellt einen gravierenden Verstoß gegen Bauauflagen dar, deren Nichtdurchsetzung als Amtspflichtverletzung durch die Stadt Konstanz anzusehen ist.

  • Angemahnt per Email an M. Wichmann, OB Burchardt u.a. Empfänger: 29.3.2021
  • Schreiben unserer Anwälte an das Landratsamt vom 5.5.2021
  • Meldung verschiedener Verstöße bereits Mai 2020, erneut an M. Wichmann am 24.03.2021 per Email

6. Baumaterial-Lagerung in Baumnähe

Feststellung bei Baustellenbesichtigung am 18.12.2021.

Gemäß Anlage II zu BA-2019-1084-2 Abs. 41 „… darf … der Wurzelbereich zu erhaltender Bäume … durch ständiges Begehen, durch Befahren, Abstellen von Maschinen und Fahrzeugen, Baustelleneinrichtungen und Materiallagerung nicht belastet werden.“

Durch das Abstellen von etwa 25-30 Paletten von Dämm-Materialien in direkter Stammnähe wurde diese Auflage nicht eingehalten.

  • Angemahnt per Email (bereits August 2020) an M. Wichmann durch Lothar Damaschek, siehe Anlage „Stellungnahme zu Baustelleneinrichtung.pdf“

Wie Sie sicher erkannt haben, besteht insgesamt eine Vielzahl verschiedener, aber gleichermaßen gravierender Unzulänglichkeiten und Pflichtwidrigkeiten. Sollten Sie nicht Willens oder in der Lage sein, die beanstandeten Missstände abzustellen, werden wir Schadensersatz- und Amtshaftungsklagen gegen die verantwortlichen Personen erheben und auf eine gerichtliche Abstellung der festgestellten Missstände hinwirken. Wir tun dies im Übrigen nicht, weil wir Ihnen die Arbeit erschweren wollen, sondern weil wir uns durch die Stellung als Umweltvereinigung dazu verpflichtet sehen.

Die Beantwortung der sich aus diesem Schreiben ergebenden Fragen sowie eine Aufführung der verfahrensrechtlichen Konsequenzen der Stadtverwaltung erwarten wir innerhalb einer vierzehntägigen Frist, spätestens zum 2. April 2022.

Mit freundlichen Grüßen,
Verein Bürgerpark Büdingen