Engagiert und widerspenstig: Wer wars? (47)
Der militante Aufstandsdichter
Das erste Mal entkam er seiner Exekution, weil der Staatspräsident gestürzt und das Todesurteil ausgesetzt wurde. Das zweite Mal ließ ein Erdbeben die Gefängnismauern einstürzen, sodass er fliehen konnte. Vor der dritten Exekution rettete ihn jedoch niemand und nichts mehr. Allerdings hatte er gewusst, worauf er sich einließ, als er seine Feder (und später die Waffe) gegen die Mächtigen zu richten begann: „Politik macht man, indem man sein Leben riskiert, oder man redet erst gar nicht davon“, erklärte er einmal. Wie aber hätte er ahnen können, dass sich die Mörder in den eigenen Reihen befanden?
Der unbotmäßige Poet war 1935 als Sohn einer Krankenschwester in El Salvador zur Welt gekommen (der Vater war ein US-amerikanischer Millionär und bereits anderweitig liiert). Nach dem Besuch einer Jesuitenschule studierte der Spross – wie viele seiner Generation – Jura und kam dabei mit sozialistischem Gedankengut in Kontakt. Er erkannte, dass eine kleine Minderheit die Mehrheit der Landlosen terrorisierte – zwei Prozent der Bevölkerung verfügte über hundert Prozent des Bodens, um zuerst Indigo, dann Kaffee anbauen zu lassen. Und er begriff, dass diese Oligarchie, von den USA beschützt, sich niemals freiwillig von der Macht trennen würde. Er trat der Kommunistischen Partei bei und nutzte sein Beobachtungs- und Schreibtalent, um ein Bewusstsein für den notwendigen Befreiungskampf zu schaffen: mit Gedichten ohne Pathos und lyrische Schnörkel, in einer volkstümlichen Sprache, auch spöttisch und derb.
Nachdem er – als kommunistischer Aufwiegler verhaftet – dem Tod bereits zweimal von der Schippe gesprungen war, ließ er sich im kubanischen Exil zum Guerillero ausbilden, kehrte 1974 heimlich nach El Salvador zurück und schloss sich – seine Gedichte waren inzwischen verboten – der Revolutionären Volksarmee ERP an. Jetzt reiche Zärtlichkeit nicht, resümierte er damals. Viel Zeit blieb ihm jedoch nicht für den revolutionären Kampf gegen Repression und Rechtlosigkeit. Im Mai 1975 wurde der undogmatische Kommunist nach einem Tribunal von den eigenen Genossen erschossen. Ihr Vorwurf: Er arbeite für den Geheimdienst. Womit sich zumindest kurzzeitig bewahrheitete, was die CIA einst angekündigt hatte: Sie würde seinen Ruf zerstören.
Wer war der „arme kleine“ Poet, der mit seinen Gedichten die Nacht, das Elend und den Hass erschießen wollte, dabei aber auch, so sein Zeitgenosse Eduardo Galeano, „Steine zum Lachen bringen“ konnte?
Text und Bildcollage: Brigitte Matern
Die Auflösung folgt am kommenden Montag.