Ein verdatterter Preisträger und Die „Konstanzer Maultasche“

Ehrlich erfreut war Werner Tweer nicht, als er von Markus Sonnenschein, Geschäftsführer der Gewerkschaft Nahrung-Genuß-Gaststätten, den Preis erhielt. Ehrlich gesagt: Der Seniorchef des Tweer Hotels „Goldener Adler“ in Konstanz-Fürstenberg war verdattert, als erster Arbeitgeber mit dem neuen Preis „Konstanzer Maultasche“ ausgezeichnet zu werden. Aber „sein Unternehmen“ ging auch nur knapp als Sieger aus dem Wettbewerb hervor. Zwei andere Unternehmen hätten die „Maultasche“ ebenso bekommen können.

Südstern-Bölle AG, Singen-Konstanz
Das schönste Rundschreiben

Man kennt sie und fürchtet sie manchmal: Die Aushänge und Rundschreiben der Chefs. Denn Gutes – ein Lob zum Beispiel für den großen Einsatz – wird selten vermeldet. Meist sind es schnöde Mitteilungen oder harsche Befehle. Was der regionale Mercedes-Händler Südstern-Bölle AG und Co. KG im Mai 2009 den 200 Beschäftigten der Mercedes-Center in Singen und Konstanz schrieb, war jedoch besonders frech.

In dem Rundbrief ging es um die Verlängerung von Einzelverträgen. Im Jahr 2007 hatte die Firmenleitung die Arbeitszeit von 36 Wochenstunden auf 38,5 erhöht – zwei Stunden davon unbezahlt. Als Ende Juni 2009 die alte Vereinbarung auslief, schickte Rainer Leenen, Centerleiter der Südstern-Bölle-Autohäuser in Singen und Konstanz, den „sehr geehrten Mitarbeitern” ein Schreiben: „In Anbetracht der allgemeinen wirtschaftlichen Lage (…) bitte ich (…) höflichst bereits im Vorfeld darum, hier [bei den anstehenden Neuverhandlungen] nicht ‚um des Kaiser’s Bart‘ diskutieren zu müssen. Die Zeiten für Geschenke jeglicher Art sind vorbei”. Aber wer hatte da wem was geschenkt? Wer hatte zwei Jahre lang zwei Stunden in der Woche für wen unbezahlt gearbeitet? Und als wäre das nicht genug, schrieb Leenen auch noch: „Ich erbitte ein Stück weit Solidarität jedes einzelnen gegenüber seinem Arbeitgeber. Diese können Sie mittels einer kurzfristigen Unterschrift unter die Verlängerung zur Regelung zur Wochenarbeitszeit dem Unternehmen, aber auch mir persönlich als Centerleiter für Singen und Konstanz gegenüber zum Ausdruck bringen.”

Statt einem Dankeswort für die bis dahin geleisteten insgesamt rund 36 000 unbezahlten Arbeitsstunden nur Druck, Ermahnungen, Warnungen. Und ein Appell an die Solidarität mit dem Centerleiter.

Wenn das nicht preisverdächtig ist!

Zweckverband Pflegeheime Schloss Blumenfeld

Mensch sein, billiger arbeiten

Der Zweckverband Pflegeheime Schloss Blumenfeld hat als oberstes Ziel, „den Heimbewohnern eine qualitativ hochwertige und individuelle Betreuung zu bieten, damit das Gefühl, ‚Mensch zu sein‘ und die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben nicht verloren geht”. So steht es in der Broschüre des Zweckverbands, zu dem sich die drei Städte Tengen, Blumberg und Geisingen zusammengeschlossen haben.

Um die Bewohnerinnen und Bewohner der Pflegeheime Schloss Blumenfeld kümmern sich etwa 160 Beschäftigte. Für die aber gilt: Mensch sein heißt, sich fügen und für weniger Lohn diesselbe Arbeit tun. Denn Anfang 2009 beschloss die Versammlung des Zweckverbandes unter der Leitung des Tengener Bürgermeisters Helmut Groß, die Arbeitszeit und damit auch den Lohn des Personals der Pflegeheime Schloß Blumenfeld im Landkreis Konstanz von Juli bis Oktober 2009 um zwanzig Prozent zu kürzen. Die Begründung dafür lautete: Die Belegung der Pflegeheime gehe zurück, deswegen sei ein Personalüberhang vorhanden. Eine zweite Arbeitszeit- und Lohnreduktion (diesmal um zehn Prozent gegenüber dem ursprünglichen Entgelt) beschloss die Verbandsversammlung für die Zeit von November 2009 bis Juni 2010.

Von einem „Personalüberhang” merkten die Beschäftigten jedoch wenig. Sie mussten nach wie vor gleich viel arbeiten. Ihre Überstundenkonten sind voll, ein Konzept für den Abbau der bisher geleisteten Mehrarbeit ist nicht zu erkennen.

In der Verbandsversammlung, die diese Beschlüsse gefasst hat, sitzen alle drei Bürgermeister. So spart in unserer Region also auch die öffentliche Hand auf Kosten jener, die Tag für Tag ihre Arbeit tun – und sich für pflegebedürftige Menschen einsetzen.

Margrit Zepf, stellv. Geschäftsführerin von ver.di im Bezirk Schwarzwald-Bodensee, Markus Sonnenschein, Geschäftsführer NGG, Raoul Ulbrich, 2. Bevollmächtigter IG Metall Singen

Autor: hpk/Komitee „Konstanzer Maultasche“, www.konstanzer-maultaschen.de

Fotos: hpk