Mit Volldampf in die Ökodiktatur?

Die heutige Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses behandelt in ihrem öffentlichen Teil ein Thema, das die KonstanzerInnen zutiefst bewegt: Die Stadt will der Gastronomie bei der Umstellung von Einweg auf Mehrweg Beine machen, und wie! – Notfalls irgendwann einmal mit einer Einwegverpackungssteuer, jetzt aber schon mit Fördermitteln.

Mehrweg statt Einweg liegt im Trend und findet viele Befürworter. Daher war der Antrag der Grünen, die Verwaltung möge den richtigen Zeitpunkt für die Einführung einer Konstanzer Verpackungssteuer nach Tübinger Vorbild prüfen, nur konsequent.

Ganz so einfach ist‘s nicht

Nun wurde das Thema 2020 zuerst einmal auf die lange Bank geschoben, weil die von der Pandemie gebeutelten Gastronomen, die versuchten, mit dem Straßenverkauf einige überlebenswichtige Euro einzunehmen, nicht durch eine Steuer auf ihre Verpackungen zusätzlich geplagt werden sollten.

Am 1. Januar 2022 hat Tübingen dann eine Steuer auf gastronomische Einwegverpackungen eingeführt. Ziel der Schwaben war es, so der VGH zusammenfassend in einer Pressemitteilung, „Einnahmen zum städtischen Haushalt zu generieren sowie die zunehmende Vermüllung des Stadtbilds durch die im öffentlichen Raum entsorgten ‚to go‘-Verpackungen zu verringern und einen Anreiz zur Verwendung von Mehrwegsystemen zu setzen. Für jede Einweggetränkeverpackung, jedes Einweggeschirrteil und jede sonstige Einweglebensmittelverpackung sind 50 Cent fällig sowie 20 Cent für jedes Einwegbesteck-Set. Der Steuersatz pro Einzelmahlzeit ist auf maximal 1,50 EUR begrenzt. Zur Entrichtung der Steuer sind die Endverkäufer verpflichtet, die in den Einwegverpackungen Speisen und Getränke für den unmittelbaren Verzehr an Ort und Stelle oder zum Mitnehmen ausgeben. Die Verpackungssteuer, die den Verbrauch der Einwegverpackungen besteuert, wird zwar vom Endverkäufer erhoben, sie ist aber auf Überwälzung auf den Verbraucher angelegt.“

Angesichts dieser holden Aussichten machte man sich auch in Konstanz Gedanken über eine solche Steuer, und das trotz der nach Angaben der Verwaltung erheblichen Kosten, die das verursachen kann. „Der in Tübingen bisher veranschlagte Personalbedarf von 2 Personen ist nach Aussage des dortigen Steueramtsleiters zumindest zur Einführung tatsächlich erforderlich – Kostenfaktor rund 117.000,- EUR. Über die zusätzlichen Einnahmen kann aktuell nicht berichtet werden, da die Abrechnung erst mit Ablauf des Kalenderjahres erfolgt.“ Mit anderen Worten: Ob die Steuer das klamme Stadtsäckel füllen oder ihm etwas abzwacken wird, ist ungewiss – und solche Ungewissheiten liebt eine ansonsten sehr steueraffine Verwaltung gar nicht.

Was bringt’s?

Außerdem sei unklar, ob sich die Müllmengen in Tübingen dank der Steuer signifikant verringert hätten, die Einen sagen halt dies, die Anderen jenes. Aus Sicht der Verwaltung ist diese Steuer also ein unsicherer Wechselbalg. Immerhin weiß sie aber auch Gutes aus dem Steuerparadies Tübingen zu berichten: „Die Wahrnehmung der Stadtverwaltung besagt aber, dass deutlich weniger Einwegverpackungsmüll zu sehen ist. Gerade an den sehr warmen Tagen im März sei die Vermüllung der öffentlichen Flächen deutlich geringer gewesen als in Vorjahren bei ähnlicher Wetterlage.“ Wäre das also vielleicht doch etwas für das schmucke, touristenliebende Konstanz?

Zurück auf Los

Einen dicken Strich durch die Steuer(alp)traumrechnungen in Tübingen und Konstanz hat aber ausgerechnet ein Unternehmen gemacht, von dem man es wahrlich vermutet hätte, da es Grün so außerordentlich liebt – allerdings das Grün der Dollar-Noten: McDonald’s. Die Tübinger Franchisenehmerin der Burger-Pioniere hat gegen die Tübinger Steuersatzung geklagt und am 30. März 2022 Recht bekommen, zumindest vorläufig, denn die Revision steht noch aus. Im Prinzip meint das Gericht, die Stadt Tübingen dürfe eine solche Steuer gar nicht erheben, weil jemand eine Einwegverpackung ja auch über die Stadtgrenzen von Tübingen hinaus mitnehmen könne, und außerhalb ihrer Grenzen hat die Stadt Tübingen nichts zu sagen. Eine Einwegsteuer wäre also nur für die Verpackung von vor Ort vertilgten Nahrungsmitteln möglich gewesen.

Nach diesem Urteil empfiehlt die Konstanzer Verwaltung jetzt, mit der Einwegverpackungssteuersatzung zuwarten, bis die rechtlichen Fragen geklärt sind. So einfach dürften die letztlich aber kaum zu klären sein, denn – wie die Konstanzer Verwaltung in Richtung Tübingen durchaus verwaltungskritisch anmerkt – „inzwischen sind die Ausführungsbestimmungen 22 Seiten lang, während die Satzung selbst nur 3 Seiten lang ist“.

Mehrweg bezuschussen statt Einweg besteuern?

Also entschloss man sich in Konstanz in salomonischer Weisheit, nicht Einweg zu bestrafen, sondern Mehrweg zu belohnen. Nicht fordern, sondern fördern, das ist die Devise: „Mit der Förderrichtlinie soll ein Anreiz geschaffen werden, Mehrwegverpackungssysteme in der Konstanzer Gastronomie zu implementieren.“ Daher hat man flugs „5.000 € aus dem Budget der Stabsstelle Klimaschutz bereitgestellt. Ziel ist es, mit der Förderung einen Anschub für die Einführung von Mehrwegverpackungssystemen in der Konstanzer Gastronomie zu geben“. Ein Köder von satten 5.000 Euro sorgt für die Klimawende einer ganzen Branche?

Werden da die vielen Jäger nicht schnell des Hasen vorzeitiger Tod?

Maximaler Förderschub

Keinesfalls, denn in weiser Voraussicht hat man gleichzeitig einige Regeln ersonnen, die in einem strukturierten bürokratischen Verfahren dafür sorgen, dass von diesem Geld viele Unternehmen profitieren können – mit je 250,- EUR. Also reicht das für 20 Betriebe, die dafür allerdings ein wenig Aufwand betreiben müssen, wollen sie die fette Beute erhaschen.

Sie müssen zuerst einmal fristgerecht einen Vertrag mit einem Mehrweglogistikanbieter ihrer Wahl abschließen (dem Laien am ehesten bekannt dürften Recup und Rebowl sein), auch individuell beschaffte Weckgläser wie die von „Stadtkind“ sind allerdings erlaubt.

Dann wollen die Vergabebedingungen studiert werden.

Danach gilt es einen heiligen Eid zu leisten: „Die Gastronomiebetriebe verpflichten sich Werbung für die Mehrwegverpackungssysteme seines Anbieters zu machen, Mitarbeitende zu informieren, die Mehrwegboxen seines Anbieters zurückzunehmen und zu reinigen sowie die Stadt Konstanz über die Anzahl der verkauften Gerichte in den Mehrwegboxen zu informieren und am Jahresende einen Nachweis über die vollständige Verwendung der Fördersumme zu informieren.“ Genauso steht es dort wortwörtlich, und bis man verstanden hat, was in diesem Satz alles falsch ist, wird es mindestens Neujahr. Das wäre aber großer Mist, denn zum Zuge kommen nur all jene Unternehmen, deren Anträge als erste eingehen, und zwar spätestens bis 15.12.2022, und das auch nur, sofern noch Geld da ist.

Dazu gibt es noch weitere Damoklesschwerter: „Die Gewährung der Zuschüsse ist eine freiwillige Leistung, auf deren Zusage kein Rechtsanspruch besteht.“ Oder: „Zuschüsse werden erst ab einer förderberechtigten Antragssumme von 50 Euro gewährt und ausgezahlt (Bagatellgrenze).“

Und so sieht man denn die notleidenden Konstanzer GastronomInnen trotz der anlaufenden Tourismus-Saison wochenlang hochroten Kopfes über den Antragsformularen brüten, Förderrichtlinien studieren und Verträge kopieren, während der Fördertopf dahinschmilzt wie Softeis an der von uns allen heiß ersehnten Sonne.

Aber für die Klimawende und stolze 250,- Euro Belohnung ist eben kein Weg zu weit.

Die öffentliche Sitzung des HFA beginnt heute um 16.00 Uhr im Ratssaal, Kanzleistraße 15, 78462 Konstanz.
Die Sitzungsunterlagen finden Sie hier. https://www.konstanz.sitzung-online.de/public/to010?SILFDNR=1002537&refresh=false. Es handelt sich um die Tagesordnungspunkte 4-8.

Text: O. Pugliese, Bild: Filmbetrachter auf Pixabay