Massiver Fachkräftemangel in Konstanzer Kindertageseinrichtungen
Hier eine Medienmitteilung (wohl eher ein Offenbarungseid) der Stadt zum akuten Personalmangel in den Konstanzer Kinderbetreuungseinrichtungen. Fazit: Eine nennenswerte Zahl an Kindern bekommt aus Mangel an BetreuerInnen keinen Platz, obwohl die Räumlichkeiten vorhanden wären.
Die neue Kita Grenzbach ist fertig und auch die zukünftige Kita Allmannsdorf kann in das frisch renovierte Gebäude einziehen, die Räume sind eingerichtet und eigentlich kann es zum neuen Kindergartenjahr in beiden neuen Kitas endlich losgehen – es fehlen eigentlich nur noch die Kinder. Wobei das natürlich nicht ganz stimmt, denn die Kinder für die Kita-Gruppen sind da und genug Familien warten sehnsüchtig auf einen Betreuungsplatz. Was tatsächlich fehlt, sind die Erzieherinnen und Erzieher.
80 Vollzeitstellen sind unbesetzt
Mit fehlenden Fachkräften in den Kitas haben andere Kommunen schon länger zu kämpfen, in Konstanz wird dies nun in diesem Jahr deutlich spürbar – zum Leidwesen vieler Eltern: Aktuell sind trägerübergreifend insgesamt 80 Vollzeitstellen für ErzieherInnen unbesetzt. Das führt dazu, dass 150 Plätze für Kinder über drei Jahren und 20 Plätze für Kinder unter drei Jahren nicht angeboten werden können, obwohl die räumlichen Kapazitäten vorhanden sind. So kann in der Kita Grenzbach nur eine Gruppe angeboten werden, obwohl die Kita Kapazitäten für insgesamt vier Gruppen hätte – aber es fehlt das Personal für die Betreuung der Kinder.
„Es ist eine dramatische Situation, wir haben in den letzten Jahren viel in den Ausbau der Kindertagesbetreuung investiert. Das alles steht und fällt mit der Frage, ob und wann wir das notwendige Personal dafür finden“, so Alfred Kaufmann, Leiter des Sozial und Jugendamtes. Denn der Fachkräftemangel trifft auf die ohnehin schon angespannte Situation in der Kinderbetreuung, bei der in den letzten Jahren im Schnitt rund 200 Kindern, sowohl im Krippen- als auch im Kindergartenalter zu Beginn des Kindergartenjahres kein Betreuungsplatz angeboten werden konnte – trotz großer Investitionen und Ausbaubemühungen der Stadt Konstanz. „Ich betrachte die Situation in der Kinderbetreuung mit großer Sorge. Wir investieren sehr viel, um Plätze für alle Kinder zur Verfügung zu stellen. Wir müssen aber auch bezahlbaren Wohnraum für das dazu notwendige Personal schaffen, denn neues Personal braucht neuen Wohnraum. Solchen Wohnraum schaffen wir zum Beispiel mit dem Projekt Jungerhalde-West. Es muss jedem klar sein: Wer solche Projekte verhindert, verhindert damit auch Kita-Plätze“, so Oberbürgermeister Uli Burchardt.
Wachsender Betreuungsbedarf
Gründe sind für die fehlenden Betreuungsplätze sind aber auch zum einen die wachsende Betreuungsbedarfe, insbesondere für Ganztagsplätze seitens der Eltern, und zum anderen die steigenden Kinderzahlen. Für das kommende Kindergartenjahr, das am 1. September beginnt, sind es 85 Kinder (Stichtag 1. März) mehr als im vergangenen Jahr, die für einen Betreuungsplatz angemeldet wurden – das entspricht der Größe einer viergruppigen Kita und 12 zusätzlichen ErzieherInnen. Hinzukommt, dass dieses Jahr weniger Kinder aus dem Kindergarten in die Schule wechseln und auch die Vorverlegung des Stichtages zur Einschulung beeinflusst die Situation ungünstig.
Nach jetzigem Stand können rein rechnerisch von insgesamt 1269 Kinder rund 380 Kinder unter 3 Jahren und 300 Kinder über 3 Jahre nicht versorgt werden (Stand 19. April 2022). Diese Zahl wird sich noch im Laufe des Jahres relativieren, durch Wegzüge, nicht stattgefundene Zuzüge von Familien oder Unschärfen durch Einrichtungswechsel der Kinder. Bis zum Sommer wird es darum voraussichtlich vier Vergaberunden geben. Das Vergabeverfahren ist auch bereits angelaufen und die ersten Zusagen werden ab Anfang Mai verschickt – viele Eltern werden aber zunächst auf die Nachrückverfahren vertröstet werden müssen. Kaufmann wendet sich mit einer Bitte auch an die Eltern: „Wir wissen, was das für die Familien bedeutet und wir können die Frustration verstehen. Wir hängen uns rein, müssen aber die Eltern dennoch um Geduld bitten und bitten von Nachfragen beim Sozial- und Jugendamt abzusehen. Beschwerden und Klagen – wovon wir jede einzelne sehr ernst nehmen – kosten uns wichtige Ressourcen, die wir für die Bewältigung der vor uns stehenden Aufgabe benötigen.“
Stadt geht das Problem Fachkräftemangel offensiv an
„Wir werden nach wie vor alle Plätze belegen, die wir anbieten können. Und wir haben auch noch weitere Ausbauprojekte in Planung und Umsetzung. Um das Problem Fachkräftemangel offensiv anzugehen, haben wir im Herbst des vergangenen Jahres die Strategiegruppe Fachkräfte gegründet“, so Kaufmann weiter. Diese Strategiegruppe besteht aus Vertretern aller Träger in Konstanz und der Elternschaft, die sich untereinander zu dem Thema Personalgewinnung abstimmen und gemeinsam eine Strategie entwickeln, damit u.a. Konkurrenz zwischen den Einrichtungen und Trägern vermieden wird. Auch das bestehende Personal in Konstanz zu halten, ist ein weiteres wichtiges Anliegen.
Neben den üblichen Boni, die alle Beschäftigten bei der Stadt Konstanz erhalten, kommen im Kita-Bereich u.a. eine Leitungsfreistellung, die über dem Landesschlüssel liegt, sowie unter normalen Bedingungen kleine Gruppen in den Einrichtungen hinzu. Außerdem erhalten PIA-Auszubildende sowie AnerkennungspraktikantInnen zum frühestmöglichen Zeitpunkt ein Übernahmeangebot. Darüber hinaus geht die Stadt das Thema weiter offensiv an: Im Mai folgt eine Ausschreibungsoffensive mit Öffentlichkeits-Kampagne, es gibt einen ersten Feldversuch mit Eltern, inwieweit diese unterstützen können, und es startet eine Kooperation mit dem Bildungswerk der Baden-Württembergischen Wirtschaft und der Bundesagentur für Arbeit – Zentrale Auslands- und Fachvermittlung (ZAV) in den Sommerferien: Im Rahmen dieser Kooperation werden 12 Stellen in Spanien ausgeschrieben, denn dort gibt es viele gut ausgebildete ErzieherInnen ohne Beschäftigung. Nach erfolgreichen Bewerbungsgesprächen erhalten diese einen Sprachkurs und können nach 12 Monaten in Deutschland als Fachkraft anerkannt werden.
U.a. Stuttgart und weitere Kommunen haben mit dieser Kooperation schon gute Erfahrungen gemacht. Schon Mitte November könnte so erste dringend notwendige Unterstützung nach Konstanz kommen.
Aber auch auf Landesebene im Rahmen des Städtetages hat die Stadt Konstanz mit anderen Kommunen einen Vorstoß initiiert, um die derzeit noch sehr einengenden Bedingungen des Fachkräftekatalogs in Baden-Württemberg flexibler zu gestalten.
Text: Stadt Konstanz, Symbolbild: O. Pugliese
Herr Martin,
Ihre Antwort auf meinen Kommentar zeigt mir zweierlei.
Erstens – Stichworte „absurd“ und „verschwörungstheoritisch“ – dass das seit langem brennende und breit diskutierte Thema „Überbevölkerung“ an Ihnen spurlos vorbeigegangen zu sein scheint und sie offensichtlich nicht einmal die Chance ergriffen haben, zwecks Nachhilfe den dazu von mir beigefügten Link zu öffnen.
Zweitens – Stichworte „grauenvoll“, „fremd“, „dunkel“, „unterirdisch“- dass sie offensichtlich Angst haben, aus der bürgerlichen Komfortzone in den dunklen „Keller“ hinabzusteigen und der dort lauernden, wahrlich grausligen Wahrheit ins Auge zu schauen. Damit sind Sie leider nicht allein, und das ist auch einer der Gründe dafür, dass es nicht schnell genug vorwärts geht, um das Ruder noch rechtzeitig herumzureißen.
Herr Remark,
was Sie da äußern erscheint mir ziemlich absurd und grauenvoll fremd. Ich fühle mich an eine Art Verschwörungstheorie erinnert, die ich ablehne – so dunkel, so unterirdisch. Ich finde das Geistige kommt hier zu kurz.
@Martin
@Neuper
Bis in die Neuzeit hinein bedeutete über Jahrmillionen hinweg die Zeugung von Nachwuchs für den homo sapiens eine existenzielle Überlebensstrategie. Inzwischen ist sie zu einer existenziellen Bedrohung – man könnte auch sagen – Untergangsstrategie geworden (siehe u.a. https://www.naturspektrum.de/text_weltbev.php). Warum? Weil wir den evolutionären Sprung von Instinkt und Trieb hin zur Vernunft bis heute nicht geschafft haben. In unserer scheinbar so aufgeklärten Welt hat das (archaische) Stammhirn noch immer die Oberhand über das u. a. für die Logik und damit für die Vernunft verantwortliche Großhirn. Vulgo: Der Schwanz ist nach wie vor stärker als die „Birne“. Und so ist es nicht verwunderlich, dass der Mensch weiter nach diesem uralten, archaischen Muster handelt und mit einem Gemisch aus Altruismus und Egoismus fröhlich Kind um Kind in die Welt setzt.
Neben dieser neurophysiologischen Komponente fürs ungebremste Kinderkriegen gibt es, auch und gerade in unserer prestigesüchtigen Welt, aber auch noch eine andere, soziale Komponente. Die meisten Leute glauben nämlich immer noch, erst dann vollwertige Mitglieder der (bürgerlichen) Gesellschaft zu sein, wenn sie eine Familie gründen und Kinder in die Welt setzen. Wer diesen Tatbestand bezweifelt, der kann leicht recherchieren, welchem Unverständnis, ja sogar Anfeindungen und Spott viele Frauen auch heutzutage noch ausgesetzt sind, die keine Kinder haben, bzw. die sich gegen das Kinderkriegen entscheiden.
Soviel zur generellen Sachlage bzgl. Nachkommenschaft, die schon vor Umweltzerstörung, Klimawandel etc. Brisanz genug hatte.
Aufgrund dessen, was auf die Menschheit in absehbarer Zeit zukommt, erhält besagte generelle Sachlage nun aber noch eine ganz neue, aktuelle Dimension – womit ich schlussendlich zum eigentlichen Punkt meines Beitrags komme. Diese Dimension bedeutet m.E. nämlich in letzter Konsequenz, dass der Verzicht auf Nachwuchs inzwischen nicht mehr nur ein Recht, sondern geradezu eine Pflicht ist. Eine Fürsorgepflicht im wahrsten Sinne des Wortes! Wer eingedenk der nicht mehr zu leugnenden Zukunftsszenarien heute noch Kinder in die Welt setzt, verhält sich nicht nur verantwortungs- und gedankenlos, sondern der versündigt sich sehenden Auges an eigenem Fleisch und Blut.
PS: Hat sich für Sie, Herr Neuper, die Frage nach dem „Schrägen Witz“ nun erledigt?
Das sehe ich nicht so, Herr Neuper. Das Problem ist immer auch eine Rechenfrage; es geht um Geld – des Deutschen liebstes Kind.
Hallo Herr Martin,
Bei allem Respekt: diese auf reiner Funktionalität beruhende Argumentation ist für mein Gefühl mindestens gleich schräg.
BG, jnn
Herr Remark,
Ihr Vorschlag empfinde ich absurd beängstigend. Deutschland hat jährlich ca. 950.000 bis 1 Mio. Tote zu verkraften. Die jährlichen Geburten liegen aber nur bei etwa 750.000. Bei einem jährliches Defizit von ca. 200.000 bis 250.000 Menschen frage ich mich, wer mal Ihre Rente finanzieren wird oder haben Sie durch Eigenleistung so vorgesorgt, dass Sie die Volksgemeinschaft nicht finanziell belasten werden?
Hallo Herr Remark,
Was Eltern in Ihren Augen als „quasi selbstverständlich“ betrachten ist auch selbstverständlich. Der Anspruch auf einen Kindergartenplatz (des Kindes!) ergibt sich schlicht aus dem Gesetz.
Ob der Rest ihres Beitrages der Versuch eines schrägen Witzes oder ernst gemeint ist kann ich nicht beurteilen.
Ich möchte aber etwas optimistisches entgegen setzen:
„Wenn ich wüsste, dass die Welt morgen endet, würde ich heute noch einen bum pflanzen.“ (Martin Luther King, oder mit Apfelbäumchen von Martin Luther).
BG, jnn
Wie wär´s, wenn Eltern, die einen Kitaplatz für ihre Kinder als quasi selbstverständliche Bringschuld des Staates einfordern, mal über die (zugegebenermaßen herausfordernde) Alternative nachdächten, k e i n e Kinder in die Welt zu setzen???! Dann bliebe ihnen nämlich nicht nur das (vergleichsweise prosaische) Unterbringungsproblem ihres Nachwuchses aufgrund des lokalen Fachkräftemangels erspart, sondern – mehr noch und weitaus schwerwiegender – es bliebe ihnen auch erspart, mit den aufgrund des heraufziehenden ökologischen, ökonomischen und sozialen Zusammenbruchs unserer Zivilisation schon jetzt mit Sicherheit vorauszusagenden Verwünschungen der eigenen Nachkommenschaft konfrontiert zu werden. Die werden dann nämlich sagen – nein schreien: „Ihr hättet es wissen können“ – wenn ihr es nur hättet wissen wollen!
Ergänzend sei auf die Aktionen von ver.di im Sozial- und Erziehungsdienst (SuE) hingewiesen. Neben den Warnstreiks in der Region findet morgen anlässlich der 1.-Mai-Feier im Stadtgarten (ab 11 Uhr) nach den Redebeiträgen die Aktion „Bildung geht baden“ von SuE-Beschäftigten im Bodensee statt. Es geht um die Verbesserung der Arbeitsbedingungen, Maßnahmen gegen den Fachkräftemangel und die finanzielle Anerkennung der Sozial- und Erziehungsarbeit. „Aufwertung der sozialen Arbeit: Mehr braucht mehr!“
https://suedbadenschwarzwald.verdi.de/themen/tarifrunde-sozial-und-erziehungsberufe-2022