Klinikverbund: Viele Fragen, wenig Antworten
Vergangenes Wochenende trafen sich Gemeinderät*innen der LLK (Konstanz) und SÖS (Singen) mit Kreisrät*innen der LINKEN, darunter auch Kreisrätin Sybille Röth (Bild), um das Vorgehen in der Frage der geplanten Klinikschließungen zu besprechen. Um eine nachvollziehbare Einschätzung der Situation zu erlangen, waren auch externe Expert*innen geladen: Ein Vertreter aus der Gesundheitsberatung und zwei Mitglieder des „Bündnis Klinikrettung“.
Letztere erhoben deutliche Zweifel an der Methodik des Gutachtens von Lohfert und Lohfert, das an einigen Stellen schlicht nicht dem Gebot der Transparenz entspräche. Nach einer kontroversen Debatte war für die Beteiligten klar: Bei einer so komplexen Materie kann die Entscheidung nicht übers Knie gebrochen werden.
Zweifel am Standort
„Für mich sind noch viele Fragen offen, die ich gerne beantwortet hätte. Über eine Klinikschließung entscheidet man schließlich nicht alle Tage“, sagt Sibylle Röth, Fraktionsvorsitzende der LINKEN im Konstanzer Kreistag. Sie verweist etwa darauf, dass der optimale Standort des geplanten Zentralneubaus in dem Gutachten von Lohfert und Lohfert mathematisch berechnet sei. „Grundlage ist eine genaue Analyse der Fahrtzeiten, schließlich muss der Standort des Neubaus sicherstellen, dass alle Kreisbewohner*innen innerhalb einer halben Stunde eine Notaufnahme erreichen können. Wenn wir jetzt aber über verfügbare Grundstücke in Singen oder Radolfzell reden, ist nicht klar, ob das gewährleistet ist.“ Solange diese Fragen offen sind und wenn jetzt zudem grundsätzliche Zweifel an dem Gutachten laut werden, lässt sich doch keine abgewogene Debatte führen“, beklagt Röth.
Auch eine Frage des Geldes
Der Austausch unter Hinzuziehung der Sachverständigen erbrachte zwar keine eindeutigen Antworten, legte den Finger aber in die Wunde der offenen Fragen und nötigen Abwägungsprozesse: Wo verläuft die Trennlinie zwischen unnötigen Doppelstrukturen und einer wohnortnahen Versorgung? Was ist unserer Gesellschaft eine umfassende Gesundheitsversorgung wert? Welche Kosten kommen durch den Neubau auf den Kreis zu, wenn angenommen werden muss, dass die im Gutachten genannten Schätzungen nicht realistisch sind? Die erzwungene Rentabilität auf der einen Seite steht dem berechtigten Bedürfnis der Bevölkerung nach einer sicheren, hochwertigen und gut erreichbaren Versorgung, im Notfall wie bei geplanten Eingriffen, gegenüber. Der mit dem Rettungswagen optimal erreichbare Standort liegt nicht an der Seehas-Strecke. „Wir werden nicht in allen Punkten die optimale Lösung finden können,“ führt Röth aus, „dazu ist die Gesamtfinanzierung unserer Krankenhäuser zu lückenhaft. Aber wir müssen berücksichtigen, dass Kliniken nicht nur moderne medizinische Ausrüstung brauchen, sondern auch zufriedenes Personal und nicht zuletzt räumliche Nähe, die es Menschen gestattet, ihre Verwandten und Bekannten im Krankenhaus zu besuchen. Gesundheitsversorgung ist genau deswegen kein Geschäft, sondern Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge und somit eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.“
BürgerInnen sollen einbezogen werden
Die Neuausrichtung des Gesundheitsverbundes müsse langfristige Lösungen schaffen und dabei die Menschen vor Ort ebenso wie Mitarbeiter*innen in den Kliniken mitnehmen.
Auch auf den Informationsveranstaltungen in Konstanz, Radolfzell und Singen ist deutlich geworden, dass bei den Bürger*innen großer Gesprächsbedarf herrscht. „Landrat Danner hat zugesagt, dass es eine weitere Einbindung der Einwohner*innen in den Entscheidungsprozess geben wird. Ich hoffe, wir können ihn hier beim Wort nehmen“, so Röth. „Wenn aber weiterhin der Plan besteht, schon Ende Mai den Grundsatzbeschluss zu fassen, weiß ich nicht, wie das funktionieren soll. Eine Pseudobeteiligung, wenn die eigentliche Entscheidung schon gefällt wurde, stünde uns nicht gut zu Gesicht“, meint die Kreisrätin der Linkspartei.
Text: PM/Tobias Braun
Bild: Privat
Ich frage mich, warum das Gutachten, obwohl Betten abgebaut werden sollen, einen Neubau auf der grünen Wiese vorschlägt.
Jede Klinikkonzentration erhöht für einen Teil der Bevölkerung die Entfernung zum nächstgelegenen Krankenhaus.
Deshalb sind das Bündnis Klinikrettung und die Aktionsgruppe Schluss mit Kliniksterben in Bayern grundsätzlich gegen Klinikschließungen und Klinikzusammenschlüsse.
Entscheiden ist und bleibt, ob Bürger Ihrer Region binnen 30 Fahrzeitminuten ein Allgemeinkrankenhaus mit Innerer Medizin, Chirurgie, Geburtshilfe und Notfallversorgung erreichen kann. Genau deshalb werden Leistungen der Krankenhäuser ja bewusst (!) zum Zweck einer wohnortnahen klinischen Versorgung doppelt vorgehalten.
Das Gebot ist die klinische Versorgung der Burgen und nicht (!) die Verbesserung der wirtschaftlichen oder medizinischen „Effizienz“.
Der wichtigste Punkt, auf dem auch Frau Röth hingewiesen hat, ist: Gesundheitsversorgung darf kein Geschäft sein, sondern sie ist Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge und somit eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.
Und sowohl die Flüchtlingskrise, die Coronapandemie, wie auch der Krieg gegen die Ukraine zeigen deutlich, dass wir uns ein gut funktionierendes und gut ausgestattetes Gesundheitswesen leisten müssen, um auch auf Notfälle vorbereitet zu sein. Leider wurde in den letzten Jahrzehnten auch im Bereich des Gesundheitswesens allzu sehr „ökonomistisch“ gedacht und gehandelt – wie auch in vielen anderen öffentlichen Bereichen.
Mir ist bewusst, dass man jeden Euro nur einmal ausgeben kann. Und die Aufgabe der Entscheidungsträger ist es, hier Entscheidungen zu treffen, was gesellschaftlich wichtiger ist.