Sparkasse Bodensee: Unnötige Heimlichtuerei
Vor allem in den Konstanzer Hall- und Echoräumen wird mit den VertreterInnen im Stadtparlament meist rüde umgegangen. „Die haben sowieso keine Ahnung und verdienen sich eine goldene Nase“, ist da oft zu lesen. Das ist eine grobschlächtige Unterstellung, denn die Vergütungen für das immer zeitaufwändigere„Ehrenamt“ sind für alle BürgerInnen einsehbar. Nur die Sparkasse Bodensee hüllt sich in Schweigen und will nicht verraten, was sie ihren VerwaltungsrätInnen monatlich überweist.
Wer wissen will, mit welchen finanziellen Zuwendungen die Konstanzer StadträtInnen für ihr Mandat grundsätzlich rechnen können, kann das jederzeit erfahren, und zwar hier. Verschwiegen wird nur, was die Sparkasse Bodensee für ihre VerwaltungsrätInnen monatlich ausschüttet.
Derzeit stehen neben Oberbürgermeister Uli Burchardt (CDU) drei Konstanzer RätInnen – Roger Tscheulin (CDU), Christiane Kreitmeier (FGL) und Jürgen Ruff (SPD) auf der Gehaltsliste des Geldinstituts. Letzterer muss aber erst noch in seinem neuen Zusatzamt bestätigt werden, wie er auf Anfrage von seemoz erklärte. Dass dafür eine Vergütung vorgesehen sei, wisse er von seinem Vorgänger Jürgen Faden (Freie Wähler), nicht aber, in welcher Höhe.Von einem erklecklichen Zubrot war bisher immer die Rede, doch die Sparkasse Bodensee beharrt darauf, die Höhe dieser Auszahlung weiterhin unter Verschluss zu halten. Warum eigentlich?
Bei der letzten Gemeinderatssitzung am 5. Mai kam das Thema auf Nachfrage der LLK-Fraktion zur Sprache, als es um die Wahl von Jürgen Ruff ging. Oberbürgermeister Burchardt erklärte, er habe die Sparkasse schon mehrmals gebeten, für Transparenz zu sorgen, leider bisher ohne Erfolg. Weiterhin gelte, auf Anordnung der Sparkasse, dass darüber keine Auskunft erlaubt sei. Das, so Burchardt, müsse sich endlich ändern und er werde die Sparkasse erneut auffordern, die jeweiligen Zahlungen für ihre Verwaltungsratsmitglieder offen zu legen. Das wird auch Zeit, ansonsten wuchern Spekulationen, und das ist ungut.
In anderen Bundesländern, wie beispielsweise in Bayern, geht man offener damit um. Dort hatte sich die Sparkasse über Jahre hinweg ebenfalls über viele Jahre hinweg geweigert, über die monatlichen Zahlungen an ihre Verwaltungsratsmitglieder Auskunft zu geben. Auf Intervention der bayrischen Grünen im Landtag hat sich das geändert. Mittlerweile weiß man, dass VerwaltungsrätInnen bei den dortigen Sparkassen – je nach jährlicher Bilanzsumme – monatlich bis zu 2000 Euro überwiesen werden.
Über den Click auf den Beteiligungsbericht (siehe oben) wird also klar, dass es für alle Konstanzer RätInnen monatlich 700 Euro gibt, die zum Teil auch noch zu versteuern sind. Angesichts des Zeitaufwands von bis zu 20 Stunden pro Woche darf man das getrost als leicht erhöhtes Nasenwasser bezeichnen. Somit ist aber auch zu befürchten, dass nur wenige sich dieses „Ehrenamt“ zeitlich und finanziell überhaupt noch leisten können und von einem repräsentativen Querschnitt aus der Bürgerschaft bei der Besetzung des Gemeinderates keine Rede sein kann. Denn die alleinerziehende Mutter, den Busfahrer oder die Krankenpflegerin findet man dort nicht. Das Gremium setzt sich mehrheitlich zusammen aus meist Gutverdienenden, denen die Nöte eines großen Teils der Gesamtbevölkerung oft ziemlich fremd sind.
Schlechte Aussichten also für die kommenden Kommunalwahlen 2024. Dazu bald mehr auf dieser Seite.
Text und Bild: H. Reile
Das Mittel um ein, im obigen Text beklagtes, Defizit an repräsentativer Bürger:innenschaft innerhalb stadtverwalterischer Prozesse und Entscheidungen auszugleichen, heißt Bürger:innenrat.
Hier sitzt dann nämlich auch die genannte alleinerziehende Mutter neben dem Busfahrer und der Krankenpflegerin. Denn Bürger:innenräte werden idealerweise so gestaltet und organisiert, dass sie zum einen ein tatsächlich repräsentatives Bild der Bürger:innenschaft innerhalb einer Gemeinde abbilden und zum anderen wird durch organisatorische Maßnahmen wie bspw. Kinderbetreuung, Übersetzung und finanziellen Maßnahmen, wie u.a. Arbeitsausfallentschädigung dafür gesorgt, dass Hürden, die eine Beteiligung von Gruppen ausschließen, die in der Regel nie gehört werden, abgebaut oder zumindest so klein gehalten werden, dass eine Teilnahme an Beratungs- und Entscheidungsprozessen möglich gemacht wird.
Zudem sorgen Bürger:innenräte durch das jeweils spezialisierte Themengebiet für eine Entlastung der Stadtparlamente, da diese sich nicht bis ins Detail mit Themen auseinandersetzen müssen, die ihnen selbst teilweise auch komplett fremd sind und können sich bei finaler Entscheidung, die weiterhin bei den Stadtparlamenten liegt, voll und ganz auf die ausgearbeitete Vorlage der zufällig gelosten Bürger:innenräte verlassen, da diese gemeinsam mit Expert:innen unterschiedlicher Themengebiete beschlussfertige Vorlagen ausarbeiten können, die die Stadtverwaltung dann direkt auch zur Umsetzung bringen kann.
Somit wird zum einen mehr Transparenz innerhalb politischer Prozesse geschaffen, die Arbeit wird auf mehrere Schultern verteilt, Bürger:innen identifizieren sich zunehmend mehr mit der Stadt, in der alle gleichermaßen Gehör finden und auch aktiv in Entscheidungen eingebunden werden. Stadtpolitische Entscheidungen, die in Zusammenarbeit mit Bürger:innenräten getroffen werden genießen in der breiten Bevölkerung eine hohe Legitimation, da diese nicht „Von Denen Da Oben“ im Alleingang getroffen wurden.
Und so wie Mitglieder innerhalb der Stadtparlamente einen besseren Einblick in die Wünsche und Nöte und somit in den Alltag der breiten Bevölkerung bekommen, bekommen die Menschen, die Teil eines zufällig gelosten Bürger:innenrates sind einen Einblick und damit auch Verständnis für stadtpolitische Prozesse und Entscheidungen.
Insgesamt geht es bei Bürger:innenräten um ein aktives Miteinander für eine zukunftsfähige Stadtgestaltung und Entscheidungen, welche auch über Legislaturperioden hinaus wirkungsvoll und nachhaltig im Sinne einer positiven Stadtentwicklung sind und bleiben.