Das „Costa“ schließt im Herbst
Wir alle werden geboren, wachsen heran, welken zunehmend und sterben dann irgendwann. Genauso geht es mit unseren Begegnungsorten wie etwa den Kneipen: Sie machen auf, florieren einige Zeit und machen dann dicht (die meisten zumindest). Wir sterben irgendwann, sie auch – aber das tun sie leider oft genug noch vor uns.
Dass das „Costa del Sol“ (kurz: „Der Spanier“), eine in Konstanz längst legendäre Lokalität (in der sich vor Ewigkeiten eine Brauerei Buck befand), im Herbst seine Pforten schließen wird, ist bisher nur ein Gerücht, aber ein äußerst hartnäckiges. Demnach soll das Restaurant renoviert werden, und was danach kommt, ist scheint’s noch unklar. Pepe, mit seinem verschmitzten Sphinx-Lächeln der Unergründlichste unter den Konstanzer Wirten, wird nach Jahrzehnten Schluss machen, so heißt es zumindest. Kaum eine andere Kultstätte außer der Seekuh hat es über eine derart lange Zeit geschafft, mit einem weitgehend unveränderten Konzept (manchmal wohl nur knapp) zu überleben, und damit reißt die Schließung des „Costa“ eine verdammt tiefe Schramme in mancher Menschen Leben, die hier über Jahrzehnte hinweg immer wieder zu Gast waren.
Eine Kultstätte – nicht nur für Linke
Das „Costa“ war schon früh auch eine „linke“ Kneipe, und sein in Politkreisen berühmtester Stammgast, Uwe Lindner, war eine Ikone unter den örtlichen „Bolschewiken“. Er hatte seinen Stammplatz, der schon nach wenigen Jahrzehnten treuer Gästeschaft ein Schild mit seinem Namen erhielt (diese Ehre wurde wohl sonst niemandem zuteil). Angeblich wurde neben diesem seinem Platz auch ein Schalter installiert, mit dem er die (ohnehin sehr leise) Musik ausschalten konnte, wenn sie ihn störte. Das ist und bleibt eine Stärke des „Costa“: Keine oder nur unhörbare Musik. Nur reden, trinken und essen (und ab und zu Fußballgucken), also Konzentration auf das, was wirklich zählt im Leben.
Im Gastraum hatte damals ziemlich viel Volk seinen Tisch: Bolschewiken wie DKP-Lindner ebenso wie die anderen „Revis“ (Revisionisten). Vor einigen Jahren war dort auch noch gelegentlich eine Zusammenkunft lokaler SPD-Granden zu bestaunen; in den Siebzigern wäre das für manchen gestandenen Linken noch ein echter Grund gewesen, die Kneipe zu wechseln.
Flirtversuche bei Sangria und Paella
Vor Jahren war auch das große Restaurant im „Hinterzimmer“ noch ein beliebter Treffpunkt, aber das dürfte unter den Jüngeren kaum noch jemand aus eigener Anschauung kennen. Seine Bedeutung lässt sich daran ermessen, dass vom Zwischengang zwischen dem vorderen Schankraum und dem hinteren Restaurant eine Treppe zu eigenen Sanitäranlagen mit Flipper und Billardtisch hinaufführt(e).
Auch so mancher langhaarige Zusel, der damals mit einer eher Bürgerlichen anzubandeln suchte, lud sie in den hinteren Teil auf Sangria plus Paella ein – trotz der gebügelten Tischdecken war das noch gerade so erschwinglich. Dabei war es wichtig, den vorderen Teil schnell zu durcheilen, um dort nicht von den falschen Leuten gegrüßt zu werden – und nicht auf Studienkollegen oder Trinkgenossen zu treffen, die die holde Frau vielleicht hätten ablenken können. Bei Annäherungsversuchen sind ja Kumpels, die „Hey, setzt Euch doch zu uns“ rufen, so etwas wie raffzähnige Maulwürfe im Rasen der erhofften Erfüllung. Genau die Richtigen also für den Schankraum vorn, der mit dem Garten heutzutage das eigentliche „Costa“ bildet.
Typisch spanisch?
An manchen Tagen gab es auf der Bühne an der hinteren Wand des Restaurants Flamenco-Vorführungen, und dann war es jeweils proppevoll. Frauen und Flamenco, dazwischen passte damals kein Blatt. Das waren goldene Zeiten.
Das „Costa“ war aber vor allem immer ein Ort des Palavers und der Diskussion. In der Seekuh ließ (und lässt) es sich gut plaudern, aber wenn es ans Eingemachte ging, hatte das „Costa“ die Nase immer vorn. Was nicht nur daran lag, dass das „Costa“ wie erwähnt kaum Musik laufen lässt, sodass man ungestört palavern (und andere am Nebentisch belauschen) kann, sondern dass sich die Bedienungen untereinander und mit dem Publikum aufs Intensivste auszutauschen pflegen. Auch die gelegentlich leidenschaftliche Kommunikation zwischen Theke und Küche hat teils dramatischen Charakter und steht dem Epos über den trojanischen Krieg kaum nach – weder an Leidenschaft, noch an Unterhaltungswert. Langweilig jedenfalls wird’s dort auch nach Jahrzehnten nie.
Mit dem „Costa“ wird in einigen Monaten auch ein Teil von manchen von uns dahingehen. Also gilt es, diese Monate zu nutzen …
Text & Bild: O. Pugliese
Was für eine Katastrophe. Ich glaube, ich ziehe aus Konstanz weg…
Schön geschrieben….Schade Schade Schade….
Das Costa, ein schöner Teil meiner Studienzeit in Konstanz, hört auf. Wie schade! Alles Gute !
Die „raffzähnigen Maulwürfe im Rasen der erhofften Erfüllung“ haben hoffentlich nicht nur mir das Quartal gerettet.
– Daß Revisionisten Revisionisten Revisionisten schimpf(t)en, statt sich aufs Leben und die daraus resultierenden Erfordernisse zu konzentrieren, ist mit einer der Gründe, warum „linke“ Entwürfe regelmäßig scheitern hierzulande.
Schade um die Entwürfe.
Schade nicht zuletzt um das Costa.
Sehr treffend. Sehr schade.