Engagiert und widerspenstig: Wer wars? (53)
Der bibelfeste Kommunarde
Der englische Oberbefehlshaber und spätere Alleinherrscher Oliver Cromwell bezeichnete sie als „verabscheuungswürdige Personen, die sich kaum von Tieren unterscheiden“. Er war nicht gut auf diese „gleichmacherischen“ Republikaner zu sprechen, obwohl sie ihm kurz zuvor – in der ersten bürgerlichen Revolution Europas – in die Steigbügel geholfen hatten. Ganz besonders gegen den Strich ging ihm dieser ehemalige Tuchhändler aus Wigan, denn der forderte nicht nur Teilhabe und Religionsfreiheit, sondern wollte auch gleich noch die Geldwirtschaft, den Handel und das Privateigentum abschaffen. Und als wäre das nicht genug, hatte er gerade eben mit seinen Getreuen brachliegendes Ackerland besetzt.
Dass der Querulant seine Vorstellungen von einem gerechten, egalitären Gesellschaftsmodell zudem noch schriftlich unters Volk brachte – allein auf die Bibel gegründet und in allgemeinverständlichem Englisch –, machte Cromwell und seine privilegierte Klientel zu Recht nervös. Bürgerkrieg, Missernten und die rücksichtslose Landnahme der reichen Kaufleute hatten ein Heer verarmter LandarbeiterInnen nach London getrieben. Würden sie alle gemeinsam auf eigenem Boden wirtschaften, wäre es schnell vorbei mit der Macht und Herrlichkeit: Wer würde dann noch Lohnarbeit leisten?
Über das Vorleben des unbequemen Vielschreibers – er verfasste in drei Jahren achtzehn Streitschriften und Traktate – ist heute nur wenig bekannt. 1609 im Nordwesten Englands geboren, hatte er als Kaufmannssohn vermutlich eine gute Schulausbildung genossen. Mit zwanzig trat er in London eine Tuchhändlerlehre an, eröffnete irgendwann ein Handelsgeschäft und ging 1643, mit einer Arzttochter verheiratet, in den Wirren des Bürgerkriegs pleite. Danach lebte er südlich von London auf einem Bauernhof der Schwiegerfamilie und fand beim Viehhüten Zeit, über die missachteten Worte der Bibel und das daraus resultierende soziale Elend nachzudenken.
Als er 1649 seine Erkenntnisse umsetzte und zur ersten gemeinschaftlichen Landnahme schritt, machte das in Südostengland und Wales Schule: Schnell entstanden weitere Landwirtschaftskommunen. Doch die Grundbesitzer antworteten brachial, ließen Hütten zerstören und Ernten vernichten. Nach zwei Jahren war die Bewegung am Ende. Der bibelfeste Gesellschaftskritiker schrieb noch sein politisches Testament, „Das Gesetz der Freiheit“, und zog sich dann nach London zurück, wo er 1676 starb.
Wer war der im 19. Jahrhundert wiederentdeckte Frühkommunist, der wollte, dass es kein „Dies ist mein und jenes ist dein“ mehr gibt und dass die Erde „die Schatzkammer aller“ ist?
Text und Bildcollage: Brigitte Matern
Die Auflösung erscheint am kommenden Montag.