Sport ist Stadtkassenmord
Corona hatte scheint’s deutliche Auswirkungen auf die städtische Finanzlage, und so versucht die Stadtverwaltung denn, an vielen Ecken und Enden zu sparen. Vorläufig soll es allerdings nicht das Millionengrab Bodenseeforum treffen, sondern eher unscheinbare Zuschüsse etwa im Sport- und Bildungsbereich.
Wenn heute die Ausschüsse für Bildung und Sport tagen, geht es (wie so oft) um Geld, und dieses Mal ist der Wille der Stadtoberen, den Gürtel vor allem der Kinder enger zu schnallen, in den Sitzungsvorlagen deutlich spürbar.
Außerplanmäßiges Geld für Wollmatingen
Der SC Konstanz-Wollmatingen soll nach dem Willen der Herren über das Stadtsäckel noch einmal mit einem blauen Auge davonkommen. Er hat 938 Mitglieder, darunter 419 Jugendliche, und ist in Fußball, Tischtennis, Turnen/Gymnastik, Lacrosse und Chearleading aktiv – eine echte Größe also für alle, die den olympischen Geist des Schneller-Höher-Weiter in sich brodeln lassen.
Der Gemeinderat hat nun aber im Dezember 2021 beschlossen, im Rahmen der erweiterten Jugendförderung ausschließlich Kaderathleten zu fördern, wodurch der SC Konstanz-Wollmatingen als Verein statt der beantragten 32.600 Euro nur 3.000 Euro erhielt – immerhin eine Differenz von 29.600 Euro, die den Wollmatingern schwer ins Kontor schlägt.
Das brachte die SportskameradInnen in eine erhebliche Zwickmühle, denn sie konnten „ausstehende Entschädigungen an die ehrenamtlichen Übungsleiterinnen und Übungsleiter“ nicht mehr auszahlen, wohl speziell im Bereich des Jugendfußballs. Deshalb will die Verwaltung in diesem Fall Gnade vor Recht ergehen lassen, und dem Verein außerplanmäßig eine „corona-bedingte Hilfe in Höhe von 15.000 Euro“ zukommen lassen, was einem Zuschuss zum Defizit entspricht, wie er auch „anderen Vereinen wie der HSG Konstanz und dem Trab e.V. gewährt wurde“. Ausdrücklich hebt die Stadt in diesem Zusammenhang hervor, dass sich diese Zahlung „außerhalb der gültigen Sportförderrichtlinien bewegt.“
Mit anderen Worten: Nicht alle SportlerInnen dürfen mit einer derartigen milden Gabe rechnen.
Dem Stadtkämmerer in die Badehosentasche gefasst
In anderen Fällen gibt sich die Verwaltung hingegen deutlich weniger konziliant. Das bekommen etwa die Schwimmer vom Schwimmklub Sparta e.V. zu spüren, die von der Verwaltung erst einmal so heftig lobend an die Brust gedrückt werden, dass man sie hinterher halb bewusstlos ins kalte Wasser der Haushaltsrealitäten stoßen kann: „Der Bildungsausschuss und der Sportausschuss sehen in dem vom Schwimmklub Sparta e.V. erarbeiteten und mit dem ABS abgesprochenen Konzept ‚Schwimmen lernen‘ einen wertvollen Ansatz, die Grundschulen beim Erreichen des Ziels der Schwimmfähigkeit jedes/jeder Grundschüler/in zu unterstützen.“ Mehr Begeisterung für das ehrenamtliche Engagement, mit dem GrundschülerInnen vor dem Ertrinken bewahrt werden sollen, lässt sich wohl kaum in Worte fassen.
Doch dann kommt die kalte Dusche: „Aufgrund der erforderlichen Haushaltskonsolidierung besteht jedoch im Doppelhaushalt 2023/24 kein Spielraum, das Konzept zusätzlich mit Sondermitteln umzusetzen. Daher muss die Umsetzung des an sich wertvollen Konzepts auf unbestimmte Zeit verschoben werden. Alternativ könnte eine Finanzierung über Einsparungen an anderer Stelle im Rahmen der Beratungen in der Haushaltsstrukturkommission diskutiert und dem Gemeinderat zur Entscheidung vorgelegt werden.“
Worum geht es? Mit der Wiedereröffnung des Schwaketenbades bestünde die Möglichkeit, an den Schulen wieder ausreichend Schwimmunterricht zu erteilen. Aber leider fehlt es an den Schulen an SchwimmlehrerInnen. Deshalb haben sich Sportverwaltung, Bädergesellschaft und die Spartaner zusammengesetzt, und siehe da: „Mit dem Schwimmklub Sparta Konstanz e.V. steht ein engagierter und im Bereich der Schwimmausbildung hoch kompetenter Partner zur Verfügung, der mit überwiegend hauptamtlichen Schwimmtrainern ein fundiertes Unterstützungsprogramm anbieten kann.“
Also könnte dank der Hilfe des Vereins den Konstanzer SchülerInnen ein vernünftiger Schwimmunterricht geboten werden, und eigentlich wollen das die politisch Verantwortlichen ja auch – irgendwie zumindest: „Es ist erklärter politischer Wille der Stadt Konstanz, dass jeder Grundschüler am Ende seiner Grundschulzeit nicht nur am Schwimmunterricht teilgenommen hat, sondern auch schwimmen kann. Mit Klassengrößen von bis zu 28 Kindern, von denen teils 80% nicht schwimmen können, und einer betreuenden Lehrkraft lässt sich diese Herausforderung nicht meistern.“
Also erklärt sich der Schwimmclub bereit, pro Klasse bei Bedarf „zusätzlich bis zu zwei ausgebildete SchwimmlehrerInnen zur Seite zu stellen. Dies ermöglicht eine Untergliederung der meist sehr heterogenen Klasse in bis zu drei Gruppen, den Nichtschwimmern, den sich schon leicht im Wasser bewegenden Kindern und den geübten Schwimmern.“ Ein abgestuftes Programm also, das Kinder in kleineren Gruppen auf ihrem jeweiligen Leistungsstand abholt und zur Schwimmreife und darüber hinaus führt. Das hat auch einen sozialen Aspekt, denn die kindlichen NichtschwimmerInnen stammen bevorzugt aus den ärmeren Kreisen, die sich eben keinen privaten Schwimmunterricht und häufiges Herumtollen in den recht teuren SchimmbäderInnen leisten.
Kostenpunkt: „Bei 38 Schulwochen ergibt sich daraus ein Jahresbetrag von 140.220 Euro (90 Unterstützungsstunden x 38 Schulwochen x 41 Euro).“ An just diesem Betrag soll das gesamte Vorhaben jetzt scheitern, zumal es hierfür keine Landesförderung gibt – und ohne Landes- oder Bundesmoos ist die Stadtverwaltung bekanntlich ziemlich lustlos.
Couch-Potatos der übernächsten Generation
Nicht besser ergeht es dem Bewegungsförderkonzepts „SportGarten“, das bis 2020 bereits erfolgreich durchgeführt wurde und ebenfalls ausdrücklich und überschwänglich gelobt wird. Dabei geht es darum, den Kleinen in den Kindertagesstätten rechtzeitig Beine zu machen, ehe sie – wie die meisten ihrer Eltern – im Dauerhock vor dem Computerbildschirm zu lebenslangen Sportmuffeln mutieren.
In der Vorlage heißt es: „Der SportGarten verbindet den Ansatz zur Bewegungsförderung von Kindern mit der Chance auf kooperative Sportentwicklung von Vereinen. Damit bietet das Konzept ein innovatives Programm zur
– Bewegungsförderung und Bewegungsmotivation von Kindern,
– gezielter Sportvereinsentwicklung in den Bereichen Struktur, Mitgliederbindung und Angebotserweiterung,
– Unterstützung, Entlastung und Angebotserweiterung in den Kitas.“
In diesem Fall geht es um noch kleinere Beträge als beim Schwimmenlernen, und doch: „Der Haushalt der Stadt Konstanz wird in den nächsten Jahren keinen Spielraum bieten, die erforderlichen Sondermittel in Höhe von 84.000 Euro pro Jahr für ein ganzjähriges SportGarten-Angebot in 21 Kitas zu finanzieren.“
Sport ist zwar Mord, aber ohne Sport stirbt mensch einfach früher.
Die Sitzungsunterlagen finden Sie hier.
Text: O. Pugliese, Symbolbild: Alfred Derks auf Pixabay
Das am Seerhein gelegene Staatliche Schulamt tritt in der Diskussion, wie allen Grundschulkindern in Konstanz das Schwimmen vermittelt werden kann, nicht in Erscheinung, obwohl es als Untere Schulaufsichtsbehörde für die Einhaltung des Bildungsplans auch im Bereich Schwimmen „Bewegen im Wasser“ zuständig ist. Eine klare Positionierung für den Erwerb der Schwimmfähigkeit und ein deutliches Engagement hinsichtlich Kooperation mit lokalen Vereinen beim Schwimmunterricht an Grundschulen als auch in der Fortbildung der Lehrkräfte wäre dringend erforderlich. Neu gedacht müsste auch der Umstand werden, dass wir Lehrkräfte die Hälfte der uns zugeteilten Schwimmstunden nicht am Beckenrand, sondern im Schulbus bzw. auf dem Fußweg zur Schwimmstätte verbringen. Und noch absurder: diese Zeit wird den Kindern als Sportstunde „verrechnet“.
Bleibt die Frage: Woher könnte man das benötigte Geld bekommen?
Ich meine aus dem Kultur-Budget und aus dem Bodenseeforum-Budget.
Weitere Ideen sind willkommen.
Der Gemeinderat hat nicht entschieden
Manchmal hilft Lesen und dann eventuell verstehen…..
Zum Verständnis
Der Gemeinderat hat nicht entschieden. Im Gegenteil er war noch gar nicht damit befasst.
Der Sport hatte gute Argumente und der Sportausschuss hat am 28.06.2022 entschieden die Anträge der Verwaltung abzulehnen, bedeutet beide Projekte weiter voran zu bringen.
Die nächste Entscheidung zu den Anträgen fällt im Haupt und Finanzausschuss (HFA) am 07.07.2022.
Dann eventuell im Gemeinderat, wenn nicht die sogenannte, aber institutionell nicht legitimierte und verankerte sogenannte „Haushaltsstrukturkommision“ (für mich ein „runder Tisch“ für möglichst lange zu reden und keine Entscheidungen zu treffen) vorher ins Spiel kommt.
Sollte es dazu kommen, werden beide Projekte auf die lange Bank geschoben, selbst dann, wenn aus diesem Gremium irgendwann ein positiver Bescheid kommen sollte. Das wäre im Vorfeld einer Gemeinderatsentscheidung das tatsächliche Aus für beide Anträge.
Aber, um beide Projekte weiterzuführen bzw. zu starten, bedarf es daher einer Entscheidung möglichst positiver Art noch im Juli durch HFA und vom Gemeinderat.
Im Übrigen geht es bei der ganzen Sache nicht um Breitensport, sondern um elementare Bedürfnisse und Angebote für die Kinder in dieser Stadt/Bürgergesellschaft.
Zum Ende:
Hier geht es eben gerade nicht um „Flennen“, sondern darum in einer aufgeklärten Bürgergesellschaft einen demokratischen Diskurs über Wertigkeiten verschiedener Lebenswelten in genau dieser Bürgergesellschaft anzustoßen und zu begleiten.
Harald Schuster
Hallo Herr Harald Schuster,
der Konstanzer Gemeinderat hat so entschieden – rumflennen hilft jetzt auch nichts.
Die Zukunft ist auch nicht mehr das, was sie mal war. (Yogi Berra)
Nein, Wir haben Geld
Aber die Problematik für den Konstanzer Sport ist nicht neu:
Der Konstanzer Sport ist seit Jahren in der Breite unterfinanziert. Dies thematisiert der Sport seit vielen Jahren. Und dabei geht sowohl um Vereins- wie auch freien Sport und freie Bewegungsangebote, aber auch um Infrastruktur.
Infam
Das im Artikel angesprochene Projekt: „Grundschulschwimmen“ wurde nicht von dem Verein beantragt, sondern der Verein wurde seitens der Verwaltung angefragt, ob er sich vorstellen könne zu helfen, Grundschulen in ihrem Regelunterricht mit professioneller Unterstützung durch Übungsleiter/Trainer zu helfen. Der Verein legte dann (wie gesagt auch hier wieder im Ehrenamt) ein professionelles Konzept vor, das wie im Artikel erwähnt, überschwänglich gelobt wird, sieht sich dann aber Vorwürfen ausgesetzt nach dem Motto: „Ihr wollt doch nur mehr Mitglieder und Geld aus dem Stadtsäckel abziehen“. Das ist infam.
Prioritäten
Hintergrund ist, dass aus verschiedensten Gründen Ausgaben für den Sport und andere soziale Aufgaben als 5. Rad der Aufgaben einer Kommune gesehen werden Bekanntlich das Reserverad, das man eigentlich nicht braucht, wenn´s aber nicht da ist, ist man ein bisschen unsicher, (wenn man es mal doch mal in einer Notsituation braucht, dann ist auf Deutsch gesagt: Die Situation nicht mehr handelbar (umgangssprachlich: „Die Kacke ist am Dampfen“))
Man spricht von einem strukturellen Defizit in Konstanz im von 15 Millionen für die nächsten zehn Jahre. Davon sollen jährlich neun Millionen durch Steuererhöhungen und sechs Millionen durch Einsparungen geschafft werden. Ich möchte hier die Zahlen nicht hinterfragen, erscheinen mir zumindest erklärungswert.
Zurück zum Sport. Kann es wirklich sein, dass diese zwei Projekte „Sportgarten“ und „Grundschulschwimmen“ mit einem jährlichem Gesamtvolumen von ca. € 220.000 in den Strudel von Einsparungen gerät.? Nein das kann nicht sein.
Das alles ließe sich sehr einfach lösen, wenn Prioritäten in einer Bürgergesellschaft durch Politik verändert würden, da traut sich aber niemand ran.
Das Dilemma:
Alle klopfen für die häufig breit angelegten Projekte, die seitens der Vereine aufgelegt werden, in Wirklichkeit aber Sozialprojekte für Stadt- und Bürgergesellschaft sind, heftig auf die Schultern des Ehrenamts.
Sobald es aber darum geht, das finanziell in Infrastruktur oder nicht zu schulternde ehrenamtliche Kosten darzustellen, schlägt plötzlich die Kostenkeule zu und alles wird mit Bedauern ad acta gelegt.
Schade
Fazit
Das Geld ist da. Die Prioritäten werden aber seitens der Verwaltung und der fast schon blind folgenden Politik anders gesetzt.
Es gilt leider das von der Verwaltung vorgegebene „Zuschuss-Mantra“
Bedeutet, wir machen nur das, wo wir einen Zuschuss bekommen. Auf jüngste Beispiele vom Fahrradbügel, über € 400 Tausend für Planungskosten für ein Fahrradparkhaus (das ja absolut im Prinzip kommen sollte, aber „sabber, sabber da könnte es ja einen Zuschuss geben), dass aber nach Aussagen eben dieser Verwaltung erst in zehn Jahren gebaut werden könne, bis zu anderen hinterfragbaren Projekten, möchte ich hier nicht weiter eingehen. Da spricht vieles für sich selbst.
Nein, die Politik der Stadt setzt keine Prioritäten für die Bürgergesellschaft.
Und da muss sich Stadtpolitik auch fragen lassen, ob man viele Kleinprojekte in Kunst, Kultur, Sport, etc., nicht mehr finanziert und damit ein breit aufgestelltes Bürgerengagement in einer Stadt abwürgt.
(Nach dem Motto: Ist ja nicht unsere Aufgabe, muss das Land machen (Grundschulschwimmen),
finden wir alles toll (Sportgarten/Kitas), aber ist eigentlich nicht unsere Aufgabe.
Lösungsmöglichkeit
Ich weiß, dass ich mit der folgenden Meinung Unmut errege:
Aber sollte man nicht daran denken, wenn solche Einsparschritte anstehen, an tatsächliche Kostenschleudern heranzugehen, nehme mal nur die jährlich € 2 Millionen Bodenseeforum.
Es gibt aber auch andere Bereiche in diesen Dimensionen
Zumindest Nachdenkens Wert.
Harald Schuster
Richtig ist, daß „Breitensport jeden Euro wert ist!“ [und mehr als jeden Euro] !
Aber was will man machen, wenn die Stadt Konstanz dafür kein Geld hat ?
Typisch & traurig.
Breitensport integriert und ist jeden Euro wert!