Zwischen allen Stühlen … Komm‘, zeig mir Deinen Lieblingsplatz!

Das Europäische Kulturforum Mainau hat, finanziert über das Bürgerbudget der Stadt Konstanz, eine neue Webplattform ins Leben gerufen, die ein anderes Bild der Stadt Konstanz vermitteln soll. Ein Seminar der Universität Konstanz hat dieses Projekt initiativ bearbeitet mit videografischen Antworten auf die Frage: Was ist ein Lieblingsort? Am 16. Juli um 14 Uhr wird das Projekt im Wolkensteinsaal des Kulturzentrums am Münster der Stadt übergeben.

„Muss ein Ort denn unbedingt ein fester Platz sein, also so im Raum – ich meine einen Platz, den man auf einer Karte oder in einer Stadt finden kann?“ Die Frage bringt einige im Seminar „Komm‘, zeig mir Deinen Lieblingsplatz“ ins Nachdenken. „Naja,“ versucht sich dann eine Teilnehmerin etwas zögerlich an einer Antwort, „das kann ja auch einfach ein Gefühl oder eine Stimmung sein.“ „Aber sind Orte, die man mag, nicht immer auch mit intensiven Gefühlen, mit Erlebnissen, starken Erfahrungen also, verbunden?“ „Also, wo ich die erste Zigarette geraucht habe und mir dann den ganzen Tag lang schlecht war – sowas?“ Allgemeines Gelächter. Die Stimmung ist gut bei diesem Seminar. Studierende unterschiedlicher Studiengänge haben sich hier zusammengefunden. Die meisten sind daran interessiert zu erlernen, wie man mit dem Smartphone gute Filme macht und nachher bearbeitet.

Auf Anregung des Europäischen Kulturforums Mainau beschäftigt sich das Seminar mit Lieblings- oder Herzensorten. Orten also, mit denen Menschen etwas verbinden. Orte, die sich nicht nur dem Kopf als Wegmarken oder Navigationshilfen, sondern als Seelenanker, emotionale Stützpfeiler und Erinnerungsbühnen dem Herzen eingeschrieben haben. Herzensorte müssen nicht unbedingt positiv besetzt sein. Herzensorte können schwierig, herausfordernd oder sogar traumatisch besetzt sein. Da – genau dort – saß ich, als ich die Nachricht vom Tod meines geliebten Opas erhielt. Auf dieser Bank haben wir uns zum ersten Mal geküsst – auf jener dort unseren letzten Streit ausgefochten. Da haben wir gefeiert und dort geweint.

Eine Stadt als Geflecht von Beziehungen

Warum sollte man einander solche Orte zeigen? Warum Türen öffnen ins eigene Seelenleben, das die anderen doch gar nichts angeht und das sie vielleicht auch gar nicht sehen wollen? In der Antike gab es die Vorstellung, dass eine Stadt kein architektonisches Gebilde sei, sondern ein Ort, der so lange fortlebe, solange es die Gemeinschaft der Menschen, die an diesem Ort gelebt hat, noch gibt. Eine Stadt ist demnach eher ein Geflecht von Beziehungen als ein System von Straßen, Plätzen und Häusern. Doch während dieses ganz offen jeder und jedem verfügbar ist, ist letzteres eher verborgen.

Ein großes Thema der Gegenwart ist der gesellschaftliche Zusammenhalt. Vielfach wird – und oft mit guten Gründen – befürchtet, wir seien einander als Gruppen, als Einzelne fremd geworden, lebten in voneinander gut abgeschirmten Blasen, ohne Zugang zur je anderen. Die gesellschaftlichen Spannungen – arm gegen reich, gesund gegen krank, jung gegen alt, berufstätig gegen ohne Beruf tätig, wohnhaft gegen obdachlos, Männer gegen Frauen etc., etc. – führten zu einer regelrechten Spaltung von Gesellschaft. Wie könnte man sie heilen?

… im anderen einfach einen anderen Menschen sehen

Ein Weg, wohlgemerkt nur einer und sicher ein ganz kleiner, schmaler, ist einander besser zu kennen. Einander kennen ist die Grundlage von Wertschätzung. Einander kennen macht es einfacher, im anderen einfach einen anderen Menschen mit Ängsten, Sorgen, Freuden, ganz ähnlich den eigenen, zu sehen. Das Projekt „KonstanzerArt. Herzensorte in Konstanz“ versteht sich als Plattform für eine solche Bewegung auf andere zu, die sich mit uns dieselbe Stadt teilen.

Dieselbe Stadt? Das suggeriert einen Kollektivsingular, den es wohl so nicht gibt. „KonstanzerArt“ zeigt die Stadt im Plural: eine Gemengelage unterschiedlichster Perspektiven. Aus diesem Grund ist „KonstanzerArt“ ein kollektives Mitmachprojekt! Jede und jeder, die oder der in Konstanz lebt oder Konstanz besucht oder Konstanz einfach mag oder Konstanz gerade gar nicht mag, ist herzlich eingeladen, einen kleinen Film auf der Website https://www.konstanzerart.de zu platzieren. Die Website hilft denjenigen, die sich bislang noch nicht so gut mit dem Verfertigen von Videos per Smartphone auskennen, mit einem kleinen Einführungsvideo des Filmemachers Manuel Stettner, einen Weg ins Filmen zu finden. Wer ein Video hochladen möchte, kann das über https://upload.konstanzerart.de/ tun. Das Video wird danach auf der Seite zu sehen sein. Dort kann man sich schon jetzt inspirieren lassen.

Text & Bilder: Albert Kümmel-Schnur