Zwischen allen Stühlen … Die ganze Stadt ein Kino!

Der Kurzfilm, der in Konstanz auf eine stolze Tradition verweisen kann, wird in dieser Woche wieder zum Star in der Konzilstadt: Am 14. Juli gibt es Film satt, und das gleich an mehreren – teils ausgefallenen – Spielstätten.

15 Jahre lang hat das Zebrakino ein Kurzfilmfestival entwickelt, aufgebaut und durchgeführt: die Kurzfilmspiele. Die Kurzfilmspiele waren ein echtes Einreichfestival: Filmemacher:innen konnten sich bewerben, ein Team aus Mitgliedern des Zebrakino-Vereins sichtete die Filme und wählte diejenigen aus, die auf dem Festival gezeigt werden sollten. An zwei aufeinander folgenden Tagen wurden dann zuletzt etwa 40 Filme von weniger als einer Minute bis zu maximal 30 Minuten Länge gezeigt. Eine gemischt besetzte professionelle Jury aus Vertreter:innen von Filmverleihs, Fernsehsendern, Medienwissenschaft, Schauspiel und Regie hat dann drei Filme zur Prämierung ausgewählt. Außerdem durfte das Publikum einen Lieblingsfilm für den Publikumspreis auswählen.  Die Kurzfilmspiele waren ein großes und aufwändiges Festival, herausfordernd für das Zebrakino, das Kulturleben von Konstanz bereichernd. Sie wuchsen und wuchsen, das Zebra selbst war schnell zu klein: das Neuwerk und das Theater wurden zu Veranstaltungsorten, an denen man in Konstanz den kurzen Film in enthusiasmierender Festivalatmosphäre erleben konnte.

Kino als kollektives Erlebnis

Kurz vor der Pandemie, 2019, zeigten die Kurzfilmspiele ein Best-of-Programm. 2020 gab es noch einmal eine ‘abgespeckte’ Version – in Präsenz, kuratiert, aber nicht eingereicht. 2021 genügte ein Verweis auf den alljährlichen und in dem Jahr dann auch virtuellen Kurzfilmtag. Das hat jedoch niemanden so richtig befriedigt. Es fehlte einfach jene Mischung aus Beeinandersein, Feierlaune, intensiven Diskussionen und Kino als kollektivem Erlebnis, die die Kurzfilmspiele ausgemacht hatten. Auch hatte sich bereits vor der Pandemie das Genrefilmfestival „Shivers“ etabliert, so dass die Frage nach der Zukunft der Kurzfilmspiele entstand. Wollte man diesen Aufwand noch machen? Sollte man das Festival weiterleben lassen?

Anna Martinez Rodriguez, Kuratorin des Turms zur Katz und begeistertes ehemaliges Zebra, hatte darauf die klare Antwort: Ja! Unbedingt! Und auch andere ältere Mitglieder des Zebrakinos wollten, dass der Kurzfilm in Konstanz ein Podium behält. Aber wie? Klar war, dass man nicht einfach weitermachen konnte wie bisher. Vielleicht brauchten die Kurzfilmspiele auch ein Redesign, einen neuen Anfang …?

Alle machen Tag für Tag kleine Filmchen

Aus dieser Frage heraus entstanden Überlegungen im Dreierteam – Zebrakino, Turm zur Katz, Universität. Warum nicht die Frage, wie ein Kurzfilmfestival in und für Konstanz aussehen könnte, von Studierenden beantworten lassen? Und warum nicht einen ersten Versuch wagen – klein vielleicht, tastend auch, eine Selbstfindung im öffentlichen Raum? Ich entschied mich, ein Seminar im Sommersemester 22 durchzuführen, Titel: „Die ganze Stadt: ein KINO!“ Das sollte ein Raum werden für Diskussionen, welche Bedeutung dem kurzen Film im Zeitalter von Streamingdiensten und Smartphonevideos auf allen sozialen Medien zukommt. Ist sie gewachsen? Ist der kurze Film nicht einfach überall? Jede und jeder macht Tag für Tag kleine Filmchen. Da braucht es nicht mehr des technischen und sozialen Aufwands von Super8 oder auch noch Videoproduktion auf Kassetten. Nein: jede und jeder schleppt eine durchaus leistungsfähige Kamera cum Datenspeicher im Hosentaschenformat mit sich herum. Muss man also nicht von dieser Situation ausgehen? Kein Festival der hohen Kunst mehr, sondern ein demokratisches Festival von allen für alle?

Ist die ganze Stadt nicht sowieso ein Kino?

Und ist es nicht außerdem so, dass inzwischen jedes Schuhgeschäft und jeder Kosmetikladen mit Videos wirbt, dass man selbst in Wartezimmern von Zahnarztpraxen den Bildschirmen und einer Fülle von werbenden und/oder belehrenden Bewegtbildinhalten gar nicht mehr entkommen kann? Ist die ganze Stadt nicht also so oder so und sowieso ein Kino?

[the_ad id=“87862″]Und wenn das so ist: was ist dann noch die Rolle des Kinos als eines kollektiven, sozialen Ortes? Braucht es das Kino noch oder hat es sich überlebt? Klar, eine Nischenrolle wird ihm bleiben – manche Effekte, manche Geschichten kommen halt besser auf großer Leinwand im dunklen Raum rüber, aber, mal ehrlich: ist das so wichtig gegenüber den Möglichkeiten, selbst entscheiden zu können, wann und wo und was man gucken möchte? Übersteigt die Finanzkraft der großen Streamingdienste nicht längst auch die Möglichkeiten von Hollywood?

Das mag sein – gleichzeitig hat die Pandemie gezeigt, dass wir uns zwar bestens voreinander hinter vielen Bildschirmen und anderen technischen Spielzeugen verstecken können, Kontakt aber doch nur im direkten physischen Umgang von Anwesenden entsteht. Wer Kino als bloß technisches Medium zum Abspielen von Filmen begreift, hat sein Herz nicht verstanden: Kino – das bedeutet gemeinsames Erleben in der dunklen Höhle und es bedeutet, gemeinsam aus der Illusion wieder aufwachen, sich auszutauschen, über das Gesehene zu reden, Filme als Anlass zu nehmen, ins Gespräch zu kommen.

Sich voreinander hinter Bildschirmen verstecken

Und so entstand auch gleich ein Thema für mögliche Filme und die Überlegung, einen weiteren Partner mit ins Boot zu holen: die Schülerinnen und Schüler des Landkreises Konstanz. Gemeinsam mit dem Kreismedienzentrum Konstanz forderten wir die Schulen des Landkreises auf, uns filmisch die Frage „Wie habt Ihr die Pandemie erlebt?“ zu beantworten – der Aufruf war auch hier in seemoz zu lesen. Teilnehmer:innen des Seminars haben sich darüber hinaus mit Grundschüler:innen ausgetauscht – wie ging’s uns, wie ging’s Euch, was haben wir gemeinsam erlebt, was trennt uns? Auch das Klimacamp wurde eingezogen: Pandemie und Klimakrise gehören zusammen – es wird nicht unsere letzte Pandemie gewesen sein, wenn wir so weiterwirtschaften wie bisher.

Das Klimacamp ist deshalb am 14. Juli auch einer der drei Orte, an denen erste Schritte zur Neubelebung der Kurzfilmspiele gewagt werden sollen. Im Stadtgarten werden auf Tablets Filme zur Pandemie von und mit Schülerinnen und Schülern gezeigt und am Turm zur Katz kann man berühmte Filmszenen selbst nachstellen. Zwischen 16 und 18:30 Uhr sind die städtischen Stationen verfügbar. Ab 21:30 Uhr gibt es ein Kurzfilmprogramm im Hof hinter dem Turm zur Katz.

Was: Kurzfilmspiele Reloaded. Wann: 14. Juli 2022, 16:00–18:30 Uhr: Kurzfilm-Events auf dem Münsterplatz, am Klimacamp und im Stadtgarten. 21:30 Uhr: Kurzfilm Open-Air am Turm zur Katz. Was noch: www.kurzfilmspiele.de

Text: Albert Kümmel-Schnur, Bild: VeranstalterIn