Das Runde und jede Menge Heuchler

Ein paar Tage noch, dann treten 16 Mannschaften in Polen und der Ukraine an, um heraus zu finden, wer sich am Ende eines langen Turniers als Fußball-Europameister küren lassen darf. Im Vorfeld des weltweit zweitwichtigsten Anlasses aus der Abteilung Balltreter rumort es seit Wochen kräftig. Manche forderten sogar, EM-Spiele in der Ukraine zu boykottieren. Anlass dafür ist Julia Timoschenko, die ehemalige Premierministerin der Ukraine.

Sie soll während ihrer Regierungszeit ihr Amt missbraucht haben. Von persönlicher Bereicherung war die Rede, angeblich habe Timoschenko zum Nachteil ihres Landes Verträge mit Russland über die Lieferung von Erdgas abgeschlossen. Seitdem nennt man sie auch die „Gasprinzessin“. Es kam zu einem Gerichtsverfahren und Timoschenko wurde zu sieben Jahren Haft verurteilt. Postwendend tönte es aus dem ach so freien Westen, der ukrainische Präsident Wiktor Janukowitsch hätte die Justiz instrumentalisiert und reibe sich täglich feixend die Hände, dass seine innenpolitische Kontrahentin nunmehr im Gefängnis darbt und ihm nicht mehr ins Handwerk pfuschen kann.

Einfachen Gemütern mag diese Erklärung einleuchtend vorkommen, doch ein kritischer Blick hinter die Kulissen ist angebracht. Denn Timoschenko, die blondgezopfte Maid mit BDM-Charme und Bandscheibenschaden, ist alles andere als eine lupenreine Demokratin. In ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen, hat sie sich und ihre Familie über ihre politischen Verbindungen in kurzer Zeit persönlich in einem Maß bereichert, dass einem die Augen tränen. Timoschenko hat ein ansehnliches Vermögen angehäuft, dessen Herkunft nicht mit ehrenhafter und anständiger Arbeit in Verbindung gebracht werden kann. Alleine auf Auslandskonten – Gruezi Helvetia ! – sollen Millionen in dreistelliger Höhe lagern, ihr Gesamtvermögen wird auf mehrere Milliarden Euro geschätzt.

Ungeheure Summen mit Drogen-, Alkohol-, Gas-, Erdöl- oder Waffendeals

Nichts Neues in postsowjetischen Zeiten, in denen Korruption zum längst akzeptierten Tagesgeschäft gehört. Hinter vielen russischen Oligarchen stecken kriminelle Strauchdiebe und Bandenchefs, die es geschafft haben, mit Drogen-, Alkohol-, Gas-, Erdöl- oder Waffendeals ungeheure Summen zu ergaunern. Um einen Teil der Kohle weiß zu waschen, kauft man sich cash die teuersten Villen an der französischen Mittelmeerküste mit Hubschrauberlandeplatz und bis an die Zähne bewaffnetem Sicherheitsdienst, oder sponsert einen europäischen Fußballclub, um seinem undurchsichtigen Finanzgebaren einen sympathischen Touch zu bescheren.

Julia Timoschenko erfuhr in letzter Zeit massive Unterstützung, vor allem aus politischen Kreisen, und vor allem aus Deutschland. Mehrere Minister wollen darauf verzichten, zur EM in die Ukraine zu reisen. Sie geißeln die ukrainische Regierung wegen diverser Menschenrechtsverletzungen und bringen Janukowitsch in arge Verlegenheit. Keine Frage: Dieser Vorsteher einer Demokratur hat nachweislich jede Menge Dreck am Stecken. Oppositionelle lässt er schikanieren oder gleich einsperren, ansonsten handelt er nach dem Prinzip, dem auch Timoschenko ihren ergaunerten Reichtum zu verdanken hat: Nehmen, was geht, freie Bahn für skrupellose Raubzüge, wer aufmuckt, wird entsorgt.

Präsidentensöhnchen Alexander Janukowitsch, einst unbedeutender Zahnarzt, wurde mit Hilfe seines Vaters innerhalb kürzester Zeit zu einem der erfolgreichsten Geschäftsmänner in der Ukraine. Timoschenkos Tochter Jewgenija kann da aber durchaus mithalten. Sie lockt ausländische Investoren ins Land, gilt als ausgebuffte Strippenzieherin und sitzt bei mehreren ukrainischen Großunternehmen im Aufsichtsrat. So ganz nebenbei ist sie Hauptaktionärin des Energieriesen EESU, einem höchst profitablen Unternehmen. War da nicht was? Richtig, der dubiose Laden gehörte einst ihrer Mutter Julia und bildete gewissermaßen den finanziellen Grundstock für den gesellschaftlichen Aufstieg des Timoschenko-Clans.

Jewgenija Timoschenko behauptet allen Ernstes, sollte ihre Mutter im Gefängnis sterben (momentan wird sie wegen ihres Rückenleidens in einem Krankenhaus behandelt), dann sterbe auch die Demokratie in der Ukraine. Heuchlerisch stimmte die deutsche Politikerkaste in das schräge Geflöte mit ein, wurde dann aber zunehmend leiser. Ein wenig Protest gegen Janukowitsch muss schon sein, aber nicht zuviel, denn die wirtschaftlichen Beziehungen dürfen keinen nachhaltigen Schaden erfahren. Und da passt es ganz gut, wenn anstelle politischer Prominenz der deutsche Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt mit einigen Wirtschaftsbossen im Schlepptau in die Ukraine reisen möchte, um während der Halbzeitpause bei einem EM-Spiel das ein- oder andere lukrative Geschäft in trockene Tücher zu bringen. Menschenrechte, das weiß man längst, spielen auch im Sport bestenfalls eine untergeordnete Rolle.

Podolski und die Menschenrechte

Ein gutes Beispiel dafür lieferte neulich Uli Hoeneß, Präsident des FC Bayern und im Zweitjob erfolgreicher Wurstfabrikant. Der verlangte von den deutschen Nationalspielern, sie sollten sich gefälligst zum Fall Timoschenko äußern. Da bürdet man den Buben, die nur in wenigen Ausnahmefällen höheren intellektuellen Ansprüchen genügen, allerhand auf. Man stelle sich lebhaft vor, die Herren Schweinsteiger, Podolski oder Klose fühlen sich tatsächlich veranlasst, politische Statements abzugeben. Sepp Herberger bewahre uns davor! Sie sollen das tun, wofür man sie ins Ausland schickt: Laufen, grätschen, flanken und das Runde ins Eckige versenken.

Vor exakt 34 Jahren fand die Fußball-Weltmeisterschaft in Argentinien statt. Damals herrschte eine Militärjunta im Land und ließ zehntausende Gegner ihres mörderischen Regimes verschwinden. Das war bekannt, hinderte den Deutschen Fußball Bund aber nicht, seine Balltreter nach Südamerika zu schicken. Der damalige Nationalspieler Manfred Kaltz befand dann auch offen und frei: „Ich fahr da hin, um Fußball zu spielen, nichts sonst. Belasten tut mich das nicht, dass dort gefoltert wird. Ich habe andere Probleme“.

Jetzt fehlt nur noch die Antwort auf die Frage, was gerade Herrn Hoeneß dazu treibt, sich für mehr Menschenrechte in der Ukraine einzusetzen, aber derselbe keinerlei Bedenken hat, seine Mannschaft gegen ein fürstliches Honorar gerne bei Menschenrechtsignoranten auf der arabischen Halbinsel spielen zu lassen. Ganz einfach: Der Ukrainer an sich kann mit bayrischen Weißwürsten rein gar nichts anfangen. Und in diesem Punkt ist der Hoeneß nachtragend.

Dennoch eine spannende EM wünscht

Ihr Dribbelkönig

Franz „Stan Libuda“ Holz