Den Bären waschen, ohne ihm den Pelz nasszumachen
Die Pläne für das künftige Fahrradparken im Paradies liegen jetzt vor. Es soll zahlreiche Abstellbügel geben, an denen Radelnde ihre Drahtesel anschließen können, und auf dem Stadtplan sieht das alles auch ganz gut aus. Ein lobenswertes Unterfangen eigentlich – aber weit weg von dem großen Sprung in Richtung Fahrradstadt, die Konstanz doch so gern wäre.
Nur zu oft setzt der Tiger der Verkehrspolitik unter lautem Gebrüll, mit gestreckten Tatzen und ausgefahrenen Krallen zu einem großen Sprung an – und landet dann wenige Zentimeter weiter als wohlig schnurrender Fußabstreifer unter den Stiefeln der mächtigen Autofahrerlobby. So ist es im fahrradpolitisch rührigen Konstanz natürlich nicht (ganz), aber das Konzept für das Fahrradparken im Paradies, über das heute im Technischen und Umweltausschuss befunden wird, bedeutet kein grundsätzliches Umdenken und Umlenken weg vom Motorisierten Individualverkehr, also speziell dem Auto, hin zu Füßen und Fahrrädern als bevorzugten Fortbewegungsmitteln. Es ist ein erster schwankender Schritt, über dessen Richtung sich streiten lässt.
200 Anlehnbügel
[the_ad id=“87862″]Das Grundproblem ist den Verantwortlichen durchaus bekannt, so heißt es in der Vorlage einleitend: „Bisher stellt die Stadt im öffentlichen Straßenraum hauptsächlich Pkw-Stellplätze für AnwohnerInnen und Besuche zur Verfügung. Sichere Abstellmöglichkeiten für Fahrräder könnten die Fahrradnutzung weiter erhöhen und die Verkehrswende vorantreiben.“
Deshalb haben die VerkehrsplanerInnen sich das Paradies genauer angeschaut und die Stellen ausgemacht, an denen besonders viele Fahrräder die Fußwege verstellen. Dann wurde geprüft, ob in der Nähe „Flächen verfügbar sind, auf denen Fahrradabstellanlagen installiert werden können, ohne dass der knappe Bestand an Straßenstellplätzen für Kfz reduziert wird“. Diese Bedingungen – es stehen viele Räder herum und es gibt freien Platz für Panzersperren – erfüllen 18 jetzt ausgewiesene Flächen „mit hohem Fahrrad-Parkdruck“, die sich vor allem im östlichen Paradies, also zur Laube hin, befinden.
Panzersperren ins Paradies
Geplant sind dort etwa 200 Anlehnbügel (im Volksmund auch „Panzersperren“ genannt) für ca. 400 Fahrräder an den 18 Standorten. Diese Bügel erfreuen sich im Allgemeinen großer Beliebtheit beim radfahrenden Volk, außer wenn sie bestimmten Bushaltestellen zu nahe kommen.
Aber halt! Was ist dort eigentlich angedacht? Ist das etwa eine Push-and-Pull-Strategie, also lecker Zuckerbrot für die Radelnden, beherzte Peitschenhiebe für die mit dem Auto?
Mitnichten! Kein Parkplatz entfällt, niemandem wird sein heilix Blechle gründlich vergällt. Der heilige Gral der an ihr Ende gekommenen Verkehrspolitik – nämlich die Herrschaft der Autos über den Verkehrsraum – wird nicht angetastet. Verbesserungen für klima- und menschenfreundlich Radelnde soll es nur geben, „ohne dass der knappe Bestand an Straßenstellplätzen für Kfz reduziert wird“ – und nicht etwa durch die Umwidmung von Autoparkplätzen in großzügig bemessene und möglichst überdachte Fahrradabstellanlagen.
Zum Ausgleich wird das alles von gellendem Marketing-Geschrei begleitet: „Die Verwaltung hat bereits bezüglich der Fahrradabstellanlagen an Bushaltestellen eine Infokampagne in den Sozialen Medien gestartet, mit der jede Woche über eine neue Station berichtet wird.“ Unwillkürlich fühlt man sich an Tarzans Schrei mit anschließendem Getrommel auf die eigene Brust erinnert – nur dass Tarzan nicht radeln konnte.
Der Verkehrsraum wird aufgeräumt
Selbstverständlich sind die Fahrradbügel ein deutlicher Fortschritt, und es wird sich vermutlich herausstellen, dass man gerade doppelt so viele hätte aufstellen können, ohne dass nachts auch nur einer freibliebe. Sie bieten immerhin ein (gelegentlich trügerisches) Gefühl der Sicherheit in einem Stadtteil, in dem viele Menschen ihre Fahrräder nicht erst ins Hochparterre schleppen und sie dann die oft halsbrecherischen Kellertreppen hinunterbugsieren können. Der Haken ist ein anderer: Hier wird der Verkehrsraum für die Langsamverkehre (Fußgänger, Radelnde usw.) nicht vergrößert, sondern nur etwas aufgeräumt. Die – oft auch sozial schwächsten – VerkehrsteilnehmerInnen auf Füßen, in Rollstühlen, auf Rädern und an Krücken konkurrieren wie gehabt um die Fußwege.
Für alles andere wird auf Zukunft vertröstet: Die Panzersperren sind „Bestandteil einer Förderung des Programms ‚Klimaschutz durch Radverkehr‘. Zudem ist die Errichtung von abgeschlossenen Sammelgaragen mit mietbaren Fahrradstellplätzen im Paradies Teil des Förderprojektes. Das Modell und die Standorte für Sammelgaragen sind aktuell noch in der verwaltungsinternen Abstimmung.“ Niemand bläst hier zur so oft angekündigten Jagd auf den Bären Autolobby.
Die Anlehnbügel sollen bis Sommer 2023 aufgestellt sein und kosten etwa 87.600 Euro, die mit 23.025 Euro bezuschusst gefördert werden – es bleiben an der Stadt Konstanz also lächerliche 64.575 Euro hängen. Einige äußerst zählebige heute noch Minderjährige werden sich zudem dereinst noch am Schmerzensgewinsel der Autofans wärmen dürfen, wenn an Sankt Nimmerlein die ersten Autoparkplätze wirklichen Fahrradabstellanlagen weichen müssen.
Bürgerbeteiligung inklusive
Ein Guzzele gibt es aber für alle, die zwar die Verkehrswende wollen, aber Bügel nur vor der Tür des Nachbarn dulden mögen oder denen das alles sowieso zu viel Gedöns für die blöden RadfahrerInnen ist: Die Verwaltung soll auch noch eine Bürgerbeteiligung an den einzelnen Standorten durchführen. Recht so! Das ist ein höchst löbliches Unterfangen, das den AutobesitzerInnen endlich wieder einmal die Möglichkeit gibt, über die Verschattung ihrer Autos durch die am Straßenrand aufgestellten Fahrradbügel vielwörtig Klage zu führen, ihrer Politikverdrossenheit ausgiebig Ausdruck zu verleihen oder gleich mit einer Verfassungsklage zu drohen.
Weitere Informationen: Die Sitzungsunterlagen nebst der Karte mit den geplanten Fahrradstellplätzen finden Sie hier.
Text: O. Pugliese, Planauszug: Stadt Konstanz, historische Bilder zum Fahrradparken im Paradies: O. Pugliese
Also rund um die Wallgut Grundschule ist das pure Geldvernichtung. Dort gibt es EU gefördert Platz für hundert plus Fahrräder mit Bügel, selbst im Sommer sind diese nicht alle durch die Schüler belegt. Da hätte man sinnvollere Plätze finden können.
Autoparkplätze sind doch längst schon reichlich vernichtet worden so zum Beispiel am Zähringerplatz vor der Bäckerei Schneckenburger. Dort parkieren jetzt massenhaft Schrott- und gänzlich ungebuchte rote Leihräder der Stadtwerke.
Die ramponierten Schrotträder (Ohne Sattel, Räder) werden auch nach mehrfachem Hinweis nicht entsorgt, stattdessen wird die Personalie zum Bejagen des Autofahrers aufgeboten.
Auch bei den obigen Bildern kann man erkennen, das zwischenzeitlich absolut kein Fahrradbesitzer mehr bereit ist seinen Drahtesel in den Hinterhof oder den Fahrradkeller zu schieben.
Auch am Seerhein hat man jüngst das Vernichten von Parkplätzen gepriesen. Für Feiernde wurden Sitzgelegenheiten aufgestellt.
Mir wären ein paar still geparkte Fahrzeuge nachts lieber, als Partylärm.
Seher schöner Metapher des schnurrenden Tigers! Schade, dass es so unendlich schwierig erscheint, die heilige Dieselkuh vom Eis zu holen und die stehenden Blechkolonnen zu ersetzten mit urbanen Räumen für alle, die nicht- fossil unterwegs sind!