karla kommt bald: Neuer Journalismus in unserer alten Stadt?
Nach der Sommerpause soll Konstanz samt Umland um ein spannendes journalistisches Projekt reicher werden: karla, die für sich in Anspruch nimmt, den Lokaljournalismus in unserer Region neu zu definieren. Rekordverdächtig war schon der Start: Es ist den Machern gelungen, per Crowdfunding 101.334,02 Euro einzusammeln, die für die ersten Monate reichen sollten.
Was ist Karla eigentlich? Oder besser: Was soll es nach dem Willen der sichtlich (und angesichts ihres bisherigen Erfolges zurecht!) euphorisierten SchöpferInnen werden? „karla macht Online-Lokaljournalismus für Konstanz. Jede Woche erscheinen auf karla-magazin.de drei bis vier gründlich recherchierte Geschichten und Kolumnen aus dem kulturellen, politischen und gesellschaftlichen Leben in Konstanz.“ Toll, denn in der Tat ist mehr und vor allem besserer Lokaljournalismus, der noch dazu die Kärrnerarbeit der Recherche nicht scheut, in Konstanz Mangelware.
Außerdem will das neue Online-Format natürlich eines zum Anfassen sein: „karla will mehr als berichten. Darum ist karla auch mehr als ein Stadtmagazin. karla will die Menschen miteinander ins Gespräch bringen. Und bietet dafür Veranstaltungen und interaktive Formate an.“ Das ist fein, denn das Leben selbst und die Mitmenschen sind einfach immer noch die besten (aber oftmals auch grausamsten) LehrmeisterInnen für alle Schreiberlinge. Trotzdem oder gerade deshalb will sich karla mit ihren LeserInnen „verbünden“.
Ein ambitioniertes Unterfangen
[the_ad id=“87862″]Da karla mehr will als nur ein weiteres Online-Magazin zu sein, ist sie auch anders organisiert und aufgemacht: Sie ist eine gemeinnützige GmbH, die sich über Abos, Spenden und Fördergelder finanziert und auf Werbung gänzlich verzichten will – insbesondere dieser Punkt ist wirtschaftlich ein großes Wagnis, aber wenn es gelingt, ist der Verzicht auf Werbung natürlich ein Garant für Unabhängigkeit, denn die Werbekundschaft zaubert doch die Schere der Selbstzensur in so manches SchreiberInnenhirn. Aber der Kamin muss natürlich trotzdem rauchen, daher gibt es eine Bezahlschranke. Mit anderen Worten: karla setzt auf AbonnentInnen, und es bietet mehrere Abo-Modelle. Das Standard-Abo gibt es für acht Euro pro Monat. Ob das auf Dauer ein derart ambitioniertes Projekt, das noch dazu seine Mitarbeitenden vernünftig bezahlen will, tragen wird, bleibt abzuwarten. Auch Lokaljournalismus ist schließlich ein kostspieliges Geschäft.
Die Liste der Mitwirkenden jedenfalls zeigt, dass hier auch Profis am Werk sind, die ihr Handwerk verstehen: Bekanntester Name dürfte der Initiator Michael Lünstroth sein, einst beim Südkurier tätig und heute Redaktionsleiter bei thurgaukultur.ch. Die Kernbesatzung besteht aus acht Menschen, teils vom Fach, teils wie Peter Magulski oder Thomas Buck eher lokalpolitisch engagiert.
Wohin geht die Reise?
Welche Linie verfolgt das neue Magazin? Klar, es geht um Lokaljournalismus, aber was ist das Neue daran? Geht es in Richtung Südkurier pocket oder gar seemoz XXL? Wirklich klar wird das wohl erst, wenn das Magazin einige Monate lang erschienen sein wird. Das Selbstverständnis ist jedenfalls wie heute üblich wertebasiert: „Wir sind nicht mit einzelnen Parteien verbunden. Aber mit übergreifenden Werten. Wir sind für Menschlichkeit. Für mehr Gerechtigkeit. Und wir sind klar gegen Rassismus, Ausgrenzung und Intoleranz. Andere verteilen AfD-Wahlwerbung. karla macht keine Geschäfte mit Rechtsextremen.“ Das ist erfreulich.
Ideologiefreie Berichterstattung
Auf jeden Fall will die Redaktion für Pluralismus sorgen: „Wir sind überzeugt, dass man die Welt heute nur verstehen kann, wenn man sie aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet. Faktenbasiert. Frei von Ideologie.“ Natürlich ist letzteres blühender Unfug, denn es gibt keine Ideologiefreiheit. Die Behauptung, unpolitisch und rein faktenbasiert über Politik zu berichten, ist natürlich Teil der liberalen Märchenstunde, denn der liberale Diskurs ist ja auch davon geprägt, dass sich der Liberale im Dschungel des gesellschaftlichen Lebens als einziger nüchterner und objektiver Naturforscher unter lauter ideologieverblendeten Wirrköpfen betrachtet. Die Liberalen sehen traditionell die Scheuklappen der anderen sehr deutlich, aber die eigenen bleiben ihnen verborgen oder werden zu menschlichen Werten umgedeutet.
Natürlich erinnert man sich dabei intuitiv an das Junge Forum Konstanz (JFK), das eine „evidenzbasierte“ Politik propagierte, und wohl nicht ganz zufällig ist neben dem ehemaligen JFK-Stadtrat Thomas Buck auch Birgit Niederhafner, Vorstandsmitglied des JFK, mit von der Partie. Das mag einen Fingerzeig über das Fahrwasser des Blattes geben.
Das alles spricht natürlich nicht gegen karla, deutet aber an, in welche Richtung die – angeblich so ideologiefreie – Reise gehen könnte. Oberbürgermeister Uli Burchardt jedenfalls scheint dem Vorhaben gewogen zu sein, aber dass die Obrigkeit mit einem Projekt zur demokratischen Selbstertüchtigung der KonstanzerInnen kuschelt, muss ja nicht zwingend etwas Schlimmes zu bedeuten haben. Es spricht aber für die Erwartung des OB, dass karla ein ziemlich staatstragendes Vorhaben wird.
Wir dürfen also nur aus ganzem Herzen hoffen, dass karla genau das am Ende doch nicht wird.
Quelle der Zitate und weitere Informationen: https://karla-konstanz.de/ und https://karla-magazin.de/
Text: O. Pugliese, Bild: Archiv.
Die arbeiten seit September. Es ist Anfang Oktober.
Die Sommerpause ist ja nun um. Das Crowdfunding ist vier Monate her. „Guter Journalismus braucht Zeit“, meinte Wiebke Wetschera neulich im Wolkensteinsaal. Sie seien in der Findungsphase, heisst es, und im Newsletter vom 3.10. freut sich Karla total, in den Redaktionsräumen „hinter der knallgrünen Tür“, in der Nachbarschaft von „Gastronomie, Läden, Kaffee, Kunst“ fleissig arbeiten zu können. – Das scheint mir so langsam fragwürdig. Was oder wer ist da denn noch zu finden, und warum können die Leute, die schon gefunden wurden und fleissig arbeiten, dabei nichts produzieren? Das Startfenster schliesst sich.
Herr Mennecke,
auch wenn es nicht thematisch passt, möchte ich zu Ihren Aussagen über den Gesundheitsminister antworten. Ich weiß nicht aus welchen Quellen Sie Ihre Infos beziehen und ich bezweifle, dass Ihnen klar ist, was Wissenschaft bedeutet bzw. was es heißt, tatsächlich Wissenschaftler zu sein. Karl Lauterbach ist es definitiv nicht und er ist es auch nie gewesen. Dazu braucht es viele Jahre Forschung im Labor und zwar ohne effekthascherisch mit der Öffentlichkeit zu kokettieren.
Seine Vorhersagen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie waren meist falsch, aus der Hüfte geschossen und ähnelten zum Teil Horrorszenarien – das kann man leicht recherchieren.
Damit genug mit dem „falschen Thema“.
Hallo Herr Martin,
da unterstelle ich mal extrem selektive und/ oder persönlich motivierte Betrachtungsweise. Wenn Sie einen Wissenschaftler, der sich mit Epidemiologie beschäftigt hat, mit Sparkassenangestellten, Verwaltungsfachkräften, Lehrern oder ähnlichen, durchaus ehrbaren Berufen als gleichwertig qualifiziert für dieses Amt ansehen, zweifle ich an Ihrer Urteilsfähigkeit. Lauterbach hat mit seinen Vorhersagen zur Pandemie fast immer richtig gelegen, auch wenn Ihnen das, aus welchen Gründen auch immer, nicht passt.
Zum Thema (um nicht wieder des Abschweifens durch die soziale Kommentarkontrolle bezichtigt zu werden): Ich bin gespannt auf Karla und werde das Projekt gerne kritisch begleiten.
@christina Herbert-Fischer
Stimme Ihnen zu. Werde schauen, wie sich KARLA macht und ob meine Skepsis berechtigt oder unberechtigt ist. Aber das bereits im podcast-Interview zur Klimagerechtigkeit gepflegte kumpelhafte „Du“ ist mir etwas zu distanzlos.
Ich dachte hier ginge es um „Karla“ und nicht um Karl (Lauterbach). Deshalb zurück zum Thema. Ich bin mal gespannt, was und wie das wird. Schauen wir uns das an und diskutieren, nach einem neuen Artikel dazu, nach einer Weile, wie es dann wirklich damit ist. Das halte ich für besser, als wild zu spekulieren.
Ich finde es gut, dass diese Neuerscheinung hier nicht tot geschwiegen wird. Andere Medien hatten schon länger darüber berichtet, außer natürlich der Lokalzeitung., wen wundert das?
Vielleicht geben seemoz und Karla, die sich sicher sehr unterscheiden werden, gerade deshalb, am Ende gemeinsam eine echte Alternative zur Lokalzeitung.
Eigentlich ist es schade, dass viele Printmedien eingehen, doch um den Südkurier würde ich nicht trauern, wenn es irgendwann mal so wäre.
Herr Mennecke,
der aktuelle deutsche Gesundheitsminister ist fachlich betrachtet nicht besser geeignet als seine Vorgänger und/oder Vorgängerinnen und er hat nie als Arzt praktiziert – er ist lange schon Politiker und vergeudet wertvolle Zeit in belanglosen Talkshows zur Selbstdarstellung und zur Aufrechterhaltung des Anscheins er sei Wissenschaftler. Das ist nicht seriös, nicht vertrauenswürdig. Seine Vorhersagen im Zusammenhang mit COVID-19 waren meist falsch und oft ohne wissenschaftliche Grundlage.
@ Michael Maier
Ungefähr so postfaktisch wie Ihr Kommentar (m.E./ teilweise/ womöglich). Alles mehr so gefühlt, oder? Einfach mal googeln. Im Übrigen bin ich froh, dass wir erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik einen fachlich geeigneten und sogar intellektuell begabten Gesundheitsminister haben.
Hat hier jemand einen Wanderschäfer gesehen? Die Kommentarsektion meckert so fleißig. 🙂
Bei dem was hier so schön beschrieben word bekomme ich mehr als Bauchschmezen. Dieses Millieu denkt m.E. alles andere als pluralistisch. Aus diesen Kreisen wutde teilweise auch Zero Covid unterstützt. Bis heute hat da niemand eingestanden dass das frei jeglicher wissenschaftlichen Evidenz war. Und überhaupt die Wissenschaft, diese Bubble wird uns womöglich die nächsten Jahte weiterhin erklären was gute und was schlechte Wissenschaft ist. Ich empfehle da mal zu googeln, auch international, wie die verschiedenen Medien über die intellektuellen Entgleisungen unseres Gesundheitsministers zu seiner aktuellen Mega äh Metastudie berichten. Postfaktische Zeiten….
Die erfolgreiche Crowdfunding-Aktion hat gezeigt, dass hunderte Konstanzerinnen mehr Pressevielfalt möchten, und dafür auch bezahlen würden. Nicht mit ihren Daten, nicht indem sie Werbung gucken, nicht mit Spenden, sondern mit einer regulären Abo-Gebühr. Das ist nicht nur für karla gut. Auch viele andere unabhängige Journalistinnen in Deutschland warten gespannt, ob das Modell längerfristig trägt.
Btw finde ich gut, dass Seemoz bzw. O. Pugliese offen über die neuen Mitbewerber berichtet – anders als das Lokalblatt, in dem wie jeden August Wespen- und Quaggaplage thematisiert werden, egal was in der Stadt los ist. Konkurrenz belebt das Geschäft und nützt allen, die sich nicht fürchten. Ich freue mich auf wöchentliche Scharmützel der Kolumnisten von Seemoz und karla und wünsche beiden den größten Erfolg.
@Teresa Linz
Ich sehe ich mich durch Ihren aufschlussreichen Beitrag in meiner Vermutung bestätigt.
Man kann und darf ohne jede Frage eine politische Initiative Gründen, aber ich empfinde Unbehagen, wenn mir soetwas als ideologiefreie „Zeitung“/unabhängiger Kommunaljournalismus“ verkauft wird.
Soetwas brauche ich zumindest nicht.
„Frei von Ideologie.“
3/8 der Gründungsmitglieder sind im JFK.
Die Querverbindungen der anderen gehen zum Verein KN gestalten*, von Pantisano initiiert, XR Extinction Rebellion und der Initiative Konstanz Klimapositiv 2030.
Das 1. Kernthema: „Klimagerechtigkeit“ – der innovative, investigative, immersive Journalismus legte vor mit einem Interview mit Stadtvater Burchardt und einem Kommentar über das Kernthema, in dem das Wort Konstanz nicht mal vorkommt. Plus einem Studentenprojekt, das von Pantisano vorgestellt wurde.
Zielgruppe ist das „jüngere“ Konstanz, sprich, Studenten.
Ich bin mir ganz sicher, karla ist frei von Ideologie und verbündet sich mit der Community, die aus ihrer bisherigen Bubble besteht.
Hat das JFK da einen raffinierten Weg gefunden, das eigene Parteiprogramm an den jungen Mann/die junge Frau zu bringen?
Der Südkurier muss sich jedenfalls keine Sorgen machen. Es wird super, es wird wie Seemoz. Nur besser.
@Michael Maier
Mit unserem Crowdfunding im Rahmen des mitwirken-Programms haben wir uns für eine Förderung der Hertie Stiftung qualifiziert. Als gemeinnützige GmbH sind derartige Förderungen ein Teil unseres Finanzierungsmixes. Aktuell befinden wir uns im Aufbau. Zu und nach dem Start unseres Projekts im Herbst werden wir kontinuierlich über Mittelherkünfte und -verwendungen berichten.
4 € im Monat für ein karla-Abo finde ich teuer.
Mir scheint KARLAweniger eine „Zeitung“, sondern eher ein pädagogisch-politisches Projekt zu sein.
In der Selbstdarstellung ist u.a. davon die Rede, dass „gemeinsam mit der Community mehrmals im Jahr Schwerpunktthemen“ erarbeitet werden sollen, dass KARLA „konstruktiv“ sei und nach „Lösungen & Ideen“ suche. Zudem arbeite man mit der Universität Konstanz zusammen („karla schult gemeinsam mit dem SQ-Zentrum der Universität Konstanz den journalistischen Nachwuchs in Theorie und Praxis“) und biete „Medienbildung für Schulen“ an. Auch stehe das „Gemeinswohl“ „im Zentrum“.
Es stellt sich natürlich die Frage: Wer ist die „community“ bzw. wer definiert, wer die community ist. Und : Was ist „konsttuktiv“ und was sind „Lösungen“ und was ist das „Gemeinwohl“?
Alles sicher sehr löblich, aber ein gewisses Unbehagen ob der dahinter liegenden möglichen konkreten politischen Agenda und Ziele verspüre ich doch…. Ist KARLA – bzw. die sie tragenden Personen – vielleicht doch eher ein politische Akteur mit konkreten poltischen Zielvorstellungen und weniger ein die „Politik“ kritisch begleitende Stachel im Fleische?
Das wäre auch legitim, aber dann sollte man es klarer und deutlicher sagen.
Zur Finanzierung erfolgt die Aussage, dass man z.T. im Rahmen des „Crowd Fundig Contest 2022 Mitwirken“ der Hertie-Stiftung (Hertie-Förderprogramm für gelebte Demokratie“) finanziert werde bzw. diese Finanzierung anstrebe.
@niki volz: war nur eine Frage. Ich dachte ich hätte irgendwo im Netz gelesen dass eine Stiftumg die Burda nahe steht dieses neue Projekt motunterstützt. Sind es denn dann nur lokale private Kleimspender oder gab es auch Mittel bzw. Offerten von Stiftungen odrr NGOs? Auf der Webseite konnte ich da keine klaren Angaben finden.
@Michael Maier
Spannend, wie kommen Sie auf Burda? Bei karla hat selbstverständlich kein Medienkonzern oder Verlagshaus „die Finger im Spiel“.
Stimmt es dass bei karla auch Burda die Finger im Spiel hat?