Engagiert und widerspenstig: Wer wars? (55)

Der angsteinflößende Hauptmann

Es fand sich einfach kein Verräter. Der Gemeindeammann von Klosters weigerte sich, den Rebellen an die Habsburger auszuliefern, zu beliebt war dieser bei den EinwohnerInnen Graubündens. Und auch der Arzt ließ sich nicht überreden, ihn beim nächsten Aderlass verbluten zu lassen. Obwohl tausend Gulden auf seine Ergreifung ausgesetzt waren, dauerte es sechs Jahre, bis tatsächlich jemand zustach.

Der lästige Staatsfeind war um 1490 im südtirolischen Tschöfs zur Welt gekommen. Sein Vater hatte sich vom Landwirt zum Bergwerksbesitzer hochgearbeitet, so dass der Bub die Lateinschule besuchen und in Padua studieren konnte. Erste Station des Juristen war danach das nordtirolische Schwaz, das damals dank reichhaltiger Silber- und Kupferminen die größte Bergbaumetropole Europas war. Hier fungierte er als Grubenschreiber und vertraute noch auf Ferdinand, den Habsburger Regenten der Grafschaft Tirol.

Doch wie in Süddeutschland gärte es auch hier bereits: Adel und Klerus, die sich immer mehr Rechte anmaßten, Beamte, die willkürlich kassierten und richteten, brachten Bauern wie Handwerker gegen sich auf; dazu kam noch, dass der hochverschuldete Regent die Minen an die Augsburger Bankiersfamilie Fugger verpfändete, was nicht nur die ohnehin miesen Arbeitsbedingungen der Bergleute verschlechterte, sondern auch die Qualität der Silbermünzen (da diese in der Fugger’schen Prägerei mit Kupfer gestreckt wurden).

Als nördlich der Alpen 1525 die ersten Burgen und Schlösser brannten, entlud sich auch in Tirol der Unmut. Der Hauptmann, inzwischen zu militärischen Ehren gelangt, wurde zum Anführer der Unzufriedenen und stellte Forderungen: Der Kirchenbesitz solle an Bedürftige, ungenutzter Boden an landlose Bauern verteilt werden; Abgaben und Dienste sollten ersatzlos gestrichen, Richter künftig vom Staat bezahlt und die Pfarrer von den Gemeinden gewählt werden. Als Druckmittel scharte er ein Söldnerheer um sich.

Lange verhandelte Ferdinand, lenkte ein, hintertrieb, spaltete, versprach – und ließ, als nichts half, die Aufständischen schließlich verfolgen, den Anführer verhaften. Diesem gelang jedoch die Flucht nach Klosters im Bündnerland, wo er seinen radikalsten Plan entwarf: Der Süden Tirols sollte vom konservativen Norden abgetrennt und zu einer egalitären, freien Bauernrepublik werden. Der Umsetzungsversuch endete im Juli 1526 jedoch mit der militärischen Niederlage bei Radstadt.

Wer war der 1532 ermordete „pöse mentsch“, der die Habsburger zu Fall bringen wollte und der dem Tiroler Regenten noch aus seinem venezianischen Exil heraus schlaflose Nächte bereitete?

Text und Bildcollage: Brigitte Matern

Die Auflösung erscheint am kommenden Montag.