Kreuzlingens bemerkenswerte Stadtratswahl
Nach der Wahl des Kreuzlinger Stadtrats (Exekutive) Ende September wird dieser voraussichtlich eine frauenfreie Zone sein. Die bisher einzige Frau tritt nicht mehr an und keine Partei unterstützt die aktuelle Kandidatin. Und das, obwohl alle beteuerten, sie wollten keinen rein männlichen Stadtrat. Sollten nicht fünf Kandidierende die absolute Mehrheit erreichen, käme es Ende November zu einem zweiten Wahlgang.
Die Kreuzlinger Exekutive – der Stadtrat – besteht aus vier Mitgliedern plus dem Stadtpräsidenten (entspricht dem OB). Der Stadtpräsident übt sein Amt auf einer 100%-Stelle aus, die anderen haben 60%-Pensen inne. Von den fünf derzeitigen AmtsinhaberInnen kandidieren vier erneut: Der Stadtpräsident Thomas Niederberger (FDP), sowie der fürs Soziale zuständige Markus Brüllmann (SP), der für das Bauwesen verantwortliche Ernst Zülle (Mitte) und der für die Technischen Betriebe zuständige Thomas Beringer (EVP).
Die bisherige „Chefin“ des Kulturellen, Dorena Raggenbass (Freie Liste FL), tritt aus Altersgründen nicht mehr an. Um diesen frei werdenden Sitz bewerben sich drei Männer und eine Frau. Drei der Kandierenden treten als Parteilose an – obwohl der eine längst für die Freie Liste im Stadtparlament sitzt und zwei weitere sich parteipolitisch klar einordnen. Der Einzige, der als Parteimitglied antritt, wird von dieser Partei nicht unterstützt.
Die bisher bereits im Stadtrat vertretenen Parteien unterstützen ihre bisherigen Vertreter – und mehrheitlich den Kandidaten der Freien Liste (zwischen liberal und Grün), deren Stadtparlamentarier Daniel Moos, der aber als Parteiloser auftritt. Keine Partei unterstützt die einzige Kandidatin Christine Forster.
Die Musikerin äußerte, sie stehe der SP am nächsten – aber sie werde dennoch als Parteilose antreten. Ebenfalls als Parteiloser tritt Musiker Timon Altwegg an, der sich als „bürgerlich und wirtschaftsnah“ bezeichnet und dem der bisherige Stadtrat zu links ist. Entsprechend hat er mittlerweile eine Sympathiebekundung der SVP bekommen. Der Vierte im Bunde der Kandidierenden ist FDP-Mitglied und Gastwirt Fabrizio Ribezzi, den seine Partei nicht unterstützt, dafür aber die „Mitte“.
KultX und kein Ende
Christine Forster hat es sich wohl mit den Parteien als Leiterin des Kulturzentrums KultX verdorben. Bereits vor der Abstimmung über das KultX im Herbst 2021 hatte es in Kreuzlingen Leute gegeben, die gegen die Leitung durch Forster schossen und gerne die Finanzierung des Zentrums verhindert hätten. Als dann im Frühling die KultX-Finanzen nicht rechtzeitig vorgelegt wurden und die damals noch zuständige Stadträtin Dorena Raggenbass dies kritisierte, reagierten Forster und ihr mit-leitender Partner öffentlich sauer. Es kam zum Zerwürfnis mit der Kulturstadträtin Raggenbass und Forster trat zurück. Ihre Funktion im KultX übernahm interimistisch ein SP-Exponent.
Anlässlich eines Wahlpodiums präsentierten sich alle vier neu Kandidierenden als grün und ökologisch – wobei das im Falle von Forster „Tempo 30 flächendeckend und mehr Radwege“ bedeutet, Moos „mehr erneuerbare Energien“ meinte und Altwegg „begrünte Fassaden“ auflistete. Ribezzi, der in Kreuzlingen mehrere Gaststätten betreibt, sprach etwas schwammig von „ökologischer Verantwortung“.
Er schaltet derzeit grosse Inserate, in denen er anbietet zu erklären, warum er als einziger aller Kandidierenden – die bisherigen Amtsinhaber eingeschlossen – gegen das Stimmrecht für Ausländer auf lokaler Ebene ist. Dieses fehlende Recht führt in Kreuzlingen übrigens dazu, dass nicht einmal die Hälfte der Erwachsenen wählen darf, weil der Ausländeranteil an der Bevölkerung bei knapp 54 Prozent liegt.
Timon Altwegg wiederum, der Vierte der Bewerberriege, stammt zwar aus Kreuzlingen und unterrichtet dort, wohnt aber in Berg TG. Was ihm in Leserbriefen den Vorwurf einbringt, als „Auswärtiger“ seine Steuern nicht in Kreuzlingen zu bezahlen.
Parteilos bleiben die Wenigsten
Was sich aber sowohl in Kreuzlingen als auch in anderen Thurgauer Orten gezeigt hat: Parteilose bleiben nach erfolgter Wahl selten parteilos. So ist der Kreuzlinger Stadtpräsident Thomas Niederberger kurz nach seiner Wahl als Parteiloser der FDP beigetreten. In anderen Orten sind parteilos Gebliebene im Amt gescheitert – es fehlte ihnen schlußendlich an „Hausmacht“, um ihre Vorhaben durchs Parlament oder die Volksabstimmung zu bringen.
Text: Lieselotte Schiesser
Bild: Pixabay
Ich schreibe die 4 Neuen auf meinen Wahlzettel. Wir brauchen frischen Wind und Macher im Stadtrat und nicht nur ¨Planer¨
Ruedi Anderegg
Sehr geehrter Herr Ribezzi, zuallererst bitte ich um Entschuldigung dafür, dass ich Ihnen fälschlich die Unterstützung der „Mitte“ zugeschrieben habe. Es ist selbstverständlich sie SVP, die sie und Timon Altwegg zur Wahl empfiehlt. Dass Sie sich gegen das Ausländerstimmrecht auf kommunaler Basis aussprechen, ist Ihr gutes Recht. Aber ich sehe nicht, warum es dann negativ sein soll bzw. „vorwurfsvoll“ wenn ich das – ohne Interpretation – erwähne. Sie selbst wiederholen diese Haltung ja hier und in Ihrem Inserat in den „Kreuzlinger Nachrichten“. Ich nehme nicht an, Sie wollten damit ausdrücken, Sie selbst sähen das negativ.
Es kandideren übrigens acht Personen: der Stadtpräsident zur Wiederwahl, drei Stadträte und vier Personen, die den frei werdenden vierten Stadtratssitz übernehmen möchten.
Sehr geehrter Herr Fabrizio,
ganz besonders gefällt mir an Ihrem Betrag der Begriff „Leistungsprinzip“, denn das schätze ich sehr. Es handelt sich hierbei um ein Wort, das ganz besonders in Deutschland abhanden gekommen ist. Hier orientiert man sich lieber nach dem unteren Mittelmaß und wenn das gerade nicht passt, legt man in der Tat Quoten fest – das macht bei uns neuerdings sogar die CDU. Das verstehe einer, mir ist das fremd.
Sehr geehrte Frau Schiesser, schön dass ein Konstanzer Blatt unsere Stadtratswahl als bemerkenswert einstuft und darüber informiert.
Sie ist es in der Tat. Es stellen sich 7 Kandidaten zur Wahl auf, was zeigt dass genug Motivation aus verschiedenen Lagern vorhanden ist. Dass es leider nur eine Frau unter den 7 Menschen gibt finde ich auch schade, aber das ist nicht die Schuld der Kreuzlinger oder der Parteien oder der Kandidaten. Es ist im Moment halt leider nur eine Frau bereit die Aufgaben auf sich zu nehmen. Wir haben zum Glück keine Quoten orientierte Gesellschaft in Kreuzlingen sondern arbeiten und denken nach dem Leistungsprinzip……egal welcher Couleur derdiedas Individuum ist. Leider habe ich Sie nicht persönlich kennen lernen dürfen, noch sind Sie mir weder positiv noch negativ aufgefallen, aber mich unterstützt öffentlich die SVP und nicht die Mitte, die Basis der FDP Partei unterstützt mich sehr wohl, der Vorstand hat da anscheinend eine andere Meinung aber das kommt vor. Ich für meinen Teil freue mich lieber über 90 mal ja und 7 mal nein als umgekehrt. Dann finde ich es unschön, dass Sie das in Kreuzlingen sehr wichtige Thema des Ausländerstimmrechts mit einer von Ihnen interpretierten Aussage am Rande aber doch vorwurfsvoll erwähnen. Gerne erkläre ich auch Ihnen warum der einzige Secondo unter den Kandidaten diesem Thema kritisch gegenüber steht. Dieses Gespräch können wir gerne mit oder ohne nachträglichem Druck in Ihrem Blatt führen, das ist mir egal. Was mir nicht egal ist, wenn man mich ohne mich zu kennen in die eine oder andere Ecke stellt und den Lesern damit eine Meinung in meinem Namen suggeriert. Die Worte “ökologische Verantwortung“ habe ich übrigens noch nie so ausgesprochen! Ich gehe davon aus, dass Sie den Anspruch an sich selber haben eine neutrale, wahrheitstreue Berichterstattung zu pflegen, genau so wie ich mir eine verantwortungsvolle, volksnahe Exekutive in Kreuzlingen wünsche. Handeln wir danach!
Sehr geehrter Herr Salzmann, danke für die verlinkte Mitteilung. Aber jetzt sagen Sie uns doch mal, wo darin steht, die FDP Kreuzlingen nominiere Ribezzi für den Stadtrat. Die einzige Empfehlung, die die Partei abgibt lautet: „Die Partei hat sich zudem einstimmig für Thomas Niederberger als Stadtpräsident entschieden und empfiehlt ihn für eine weitere Legislatur.“ Alles andere war lediglich eine Abstimmung innerhalb der FDP, wen man denn nun von den Kandidierenden gerne im Stadtrat sähe. Aber nirgends steht, die Partei nominiere dieses Mitglied oder empfehle es zur Wahl. Wenn die Aufnahme auf die Liste gleichbedeutend mit „Nomination“ wäre, dann hätte die FDP an diesem Abend auch Brüllmann (SP), Beringer (EVP) und Altwegg (parteilos) nominiert. Aber ich verstehe, dass Sie als Mitglied von Ribezzis Wahlkomitee sich für Ihren Kandidaten ins Zeug legen.
Sehr geehrte Frau Schiesser
In der Tat, Journalisten wissen es besser als einer, der tatsächlich im Vorstand dieser FDP sitzt. Aber ich lasse sie in ihrem Glauben. Offensichtlich kennen sie nicht alle Medienmitteilungen unserer Partei. Gerne empfehle ich Ihnen:
https://kreuzlingen24.ch/articles/150340-klare-ansage-der-fdp-ortspartei-kreuzlingen
Die FDP unterstützt natürlich ihr eigenen Parteimitglied…..
Alexander Salzmann scheint den Draht zu seiner eigenen Partei FDP ein bisschen verloren zu haben, denn da hat sich kein „Fehler eingeschlichen“. Die FDP unterstützt als Partei die Kandidatur ihres Mitglieds Fabrizio Ribezzi tatsächlich nicht. Dass es (viele?) Mitglieder gibt, die ihn unterstützen, mag sein – aber im Text geht es um die Unterstützung der Partei. Und die hat er nicht. Zitat FDP-Präsident Thomas Gut bestätigt am 24.06. in der „Thurgauer Zeitung/Tagblatt“, „dass die Partei ausser Stadtpräsident Thomas Niederberger niemanden für die Stadtratswahl nominiert.“ Zu Ribezzis Kandidatur sagte er, der (FDP) Vorstand finde, „er sei in der Legislative am richtigen Ort“, die Stadtratskandidatur dagegen habe den Vorstand nicht überzeugt. Noch Fragen dazu?
Auch das Textverständnis scheint Schwierigkeiten zu bereiten: Über Christine Forster steht im Artikel nicht, sie sei zurückgetreten, weil ein paar Parlamentarier die Finanzierung in Frage gestellt hätten. „Parlamentarier“ kommen in dem Text gar nicht vor. Da steht, Forster sei nach einem „Zerwürfnis mit der Kulturstadträtin Raggenbass“ auf Grund von deren bzw. des Stadtrats Kritik an der zu spät vorgelegten Rechnung zurückgetreten. Man sollte übrigens auf Geraune um „Schwerwiegenderes“ auf das man aus „juristischen Gründen nicht eingehen“ könne verzichten. Das klingt sehr stark nach dem Versuch, nach dem Motto „irgendwas bleibt immer hängen“, der Ruf der Kandidatin zu schädigen.
Da hat sich ein Fehler eingeschlichen. Die FDP unterstützt seinen eigenen Kandidaten sehr wohl. In einer parteiinternen Umfrage erhielt er mit Abstand die meisten Stimmen aller Stadtratskandidaten, gefolgt von Brüllmann, Altwegg und Beringer. Dazu gibt es Meldungen und Lokalblättern.
Ebenso inkorrekt ist der Rücktritt von Frau Forster im Kulturzentrum KultX, weil ein paar Parlamentarier, so auch, die Finanzierung infrage stellten. Der Souverän stimmte der Finanzierung nämlich haushoch zu. Die Gründe sind andere und wesentlich Schwerwiegendere, auf die ich aus rechtlichen Gründen nicht eingehen werde.
Spannend ist, was die Schreiberin meint wichtig zu sein in unserer Stadt: kein Wort von Wirtschaft, Wohlstand, unternehmerischem Denken, Integrität, Gewerbe, schlanke Verwaltung, direkte Demokratie. Haben Sie zu viel deutsche Luft geschnuppert?
Bei der „Freien Liste“ handelt es sich um eine politische Gruppierung und nicht um eine politische Partei im herkömmlichen Sinn. Die Freie Liste ist auch kein Verein und besitzt somit auch keine Statuten. Sowohl als parteiloser als auch einer Partei angehörig kann man innerhalb der Freien Liste politisieren.