Der Streit um das Leben glücklicher Tiere
Vor einigen Tagen zeigten mehrere Schweizer Tageszeitungen unschöne Bilder einer großen Geflügelzuchtanlage: Hühner mit zerrupftem Gefieder, ein aggressiver Hahn, der auf ein blutendes Huhn einpickte. Von wegen „glückliche Hühner“, da sehe man, wie schlecht es den Tieren immer noch gehe, hieß es auf der einen Diskussionsseite. Typisch, dass man gerade jetzt mit solchen Bildern aufwarte, kam von der anderen Seite.
Dass da vor allem am Zeitpunkt der Veröffentlichung herumkritisiert wurde, liegt daran, dass am 25. September in der Schweiz über die „Massentierhaltungsinitiative“ abgestimmt wird. Ziel derselben ist es, für die gesamte Nutztierhaltung Vorschriften einzuführen, wie sie derzeit für Tierhaltung nach Bio-Suisse-Richtlinien verpflichtend sind. Damit würde Massentierhaltung im großen Stil in der Schweiz unmöglich. Und damit die heimischen Bauern nicht durch Billig-Importe in ihrer Existenz gefährdet würden, verlangt die Initiative, dass nur tierische Produkte eingeführt werden dürfen, die mindestens auch diesen Vorschriften entsprächen.
Als „Massentierhaltung“ wird „industrielle Tierhaltung“ definiert, die „zur möglichst effizienten Gewinnung tierischer Erzeugnisse“ genutzt wird und bei der das „Tierwohl systematisch verletzt wird“. Am einschneidendsten wäre die Vorschrift, dass pro Hektar nur noch 2,5 statt bisher 3 „Großvieheinheiten (GVE)“ gehalten werden dürften. Eine GVE entspricht einer 600 Kilo schweren Kuh, die 6000 Liter Milch pro Jahr gibt. Diese Vorschrift brächte es mit sich, dass viele Bauern ihren Viehbestand reduzieren müssten, weil die Höfe flächenmäßig zu klein für die heute gehaltene Tierzahl wären und es kaum Land gibt, das dazu gekauft (oder gepachtet) werden könnte.
Bei den möglichen Höchstzahlen würde sich nur bei den Legehennen viel ändern. Statt der heute möglichen 18.000 dürften es nur noch 4000 sein – und die müssten auch noch auf mindestens zwei Ställe verteilt werden. Bei den Masthühnern bliebe die Höchstzahl von 27.000 gleich, aber die Hühnerhalter müssten viele neue Ställe bauen, denn es dürften nur noch 2000 Tiere im jeweils selben Stall leben.
Zum Vergleich im Öko-Landbau in Deutschland darf ein Betrieb maximal 3000 Legehennen halten, von denen sich höchsten sechs einen Quadratmeter Stall teilen und jedes Huhn vier Quadratmeter Auslauf haben muss. Allerdings stammen nur neun Prozent der in Deutschland verkauften Eier aus Bio-Haltung. Wollten deutsche Hühnerhalter künftig noch Eier an Schweizer Lebensmittelbetriebe oder den Einzelhandel liefern, müssten sie auch mehr Ställe bauen – die Schweizer Bio-Vorschriften würden dann auch für Importe gelten. Ganz zu schweigen von Fleischproduzenten, die dann auch höchstens 2,5 Kühe pro Hektar halten dürften – schlechte Aussichten für „Fleischfabriken“ also, in denen Tier neben Tier steht und die nie die Sonne sehen.
Wie zu vermuten ist, wollen weder die Schweizer Landwirte – die sich sonst gerne als Tierschützer und Landschaftspfleger darstellen – etwas von dieser Initiative wissen, noch die Apologeten der freien Marktwirtschaft. Letztere sehen ihr Credo gefährdet, nachdem es der Markt schon richten werde. Wahlweise werden auch die KonsumentInnen bemüht, die sich dann das (noch) teurere Fleisch nicht mehr leisten könnten. Den Rückgang des Fleischkonsums würden dagegen die Initianten und ihre UnterstützerInnen durchaus begrüßen.
Alles in allem kann man aber wohl davon ausgehen, dass die Initiative wenig Chancen hat angenommen zu werden. Erst kürzlich sind Initiativen mit ähnlichen Stossrichtungen klar abgelehnt worden. Daran wird sich wohl auch dieses Mal nichts ändern.
Text: Lieselotte Schiesser
Bild: Pixabay