Homöopathie-Gesetze: „Eine Änderung ist überfällig“
Unter dem Hashtag „Globukalypse“ klären Aktivistinnen und Aktivisten über die pseudowissenschaftliche Heillehre Homöopathie auf und rücken Mythen über Globuli & Co. zurecht. „Globukalypse“ ist auch Titel einer neuen Website, die vor wenigen Tagen online ging. Darüber sprach hpd-Redakteurin Inge Hüsgen mit den Initiatoren Dr. Christian Lübbers und Udo Endruscheit.
hpd: Fast gleichzeitig mit Start der neuen Website hat sich Mai Thi Nguyen-Kim in ihrer Show „MAITHINK X (YouTube)“ die Homöopathie aus wissenschaftlicher Sicht vorgenommen. Das Thema trendet gerade, kann man sagen.
Udo Endruscheit: Die Pläne für die neue Webseite gibt es schon seit letztem Jahr. Es war an der Zeit, das Thema wieder in den Fokus zu rücken, nachdem in den letzten beiden Jahren in der Gesundheitspolitik neben Corona praktisch keinerlei bedeutende Entscheidungen getroffen wurden. Schon vor Start von Globukalypse.org gab es eine ganze Reihe fundierter Informationen über Homöopathie online, etwa vom Informationsnetzwerk Homöopathie (INH), die „Homöopedia“ oder die Familienseite „Susannchen braucht keine Globuli„. Noch eine Website mit kritischen Informationen zur Homöopathie?, könnte man sich fragen.
Christian Lübbers: Stimmt, da haben wir und andere ehrenamtlich viel auf die Beine gestellt. Andererseits birgt diese Fülle das Risiko, dass unsere Ziele und Anliegen darin untergehen. Für Globukalypse.org haben wir deshalb alles Wissenswerte kurz und knapp zusammengefasst. Wer es dann noch genauer wissen möchte, findet dort die Links und Hinweise auf unsere weiterführenden Infos.
Wo steht denn die Homöopathie-Aufklärung jetzt?
Udo Endruscheit: Wir haben in den letzten Jahren, seit Gründung des INH 2016, unglaublich viel Aufklärungsarbeit geleistet und damit auch Erfolge erzielt. Umsatz und Verbrauch von homöopathischen Mitteln sind in derselben Zeit zurückgegangen, und in der Bevölkerung hat die Homöopathie an Kredit eingebüßt, wie auch die GWUP-Studie 2021 zeigt.
Christian Lübbers: Natürlich lässt sich aus Korrelation keine Kausalität ableiten (schmunzelt), aber gewiss haben wir das Unsere dazu beigetragen.
Die Aufklärung erreicht also die interessierte Öffentlichkeit, die Patientinnen und Patienten. Auf der anderen Seite sind es doch Politik und Gesetzgebung, die entscheidend zur Förderung der Homöopathie in Deutschland beitragen.
Christian Lübbers: Genau, die Entscheider in der Politik sind eine wichtige Zielgruppe, die wir mit den komprimierten Informationen der neuen Webseite ansprechen. An sie haben wir vier Forderungen adressiert. Es geht uns dabei vor allem darum, den sogenannten Binnenkonsens abzuschaffen, der die Homöopathie ohne rationalen Grund gegenüber evidenzbasierten Therapien bevorteilt.
Binnenkonsens, das bedeutet: Lediglich die Homöopathen müssen sich untereinander einig sein, dass ein bestimmtes Mittel die Zulassung erhält.
Christian Lübbers: Genau, laut Gesetz gehört die Homöopathie zu den sogenannten „Besonderen Therapierichtungen“, übrigens neben anthroposophischer Medizin und Phytotherapie. Anders als reguläre Medikamente müssen diese Mittel ihre Wirkung nicht durch Studien unter Beweis stellen, bevor sie auf den Markt kommen. Der Gesetzgeber misst also mit zweierlei Maß.
Daran schließt sich unsere zweite Forderung an: der Wegfall der Apothekenpflicht für Homöopathika. Obwohl diese Mittel keinerlei spezifische Wirkung besitzen, sind sie trotzdem ausschließlich in Apotheken zu bekommen. Das vermittelt Patientinnen und Patienten ein falsches Signal und verleiht der Homöopathie einen Vertrauensbonus, der ihr nicht zusteht. Ähnlich ist es mit unserer dritten Forderung, die Erstattung der Homöopathie durch gesetzliche Krankenkassen zu beenden. Abschließend fordern wir mehr öffentliche gesundheitliche Aufklärung über Mittel und Methoden ohne wissenschaftliche Evidenz.
Wie schätzt ihr die Chancen ein, mit diesen Anliegen in der Politik Gehör zu finden?
Christian Lübbers: Den Tweets nach zu urteilen, wissen viele Politikerinnen und Politiker selbst sehr wohl, dass eine Gesetzesänderung überfällig ist. Das wurde erst wieder vor wenigen Tagen deutlich, als Gesundheitsminister Karl Lauterbach auf Twitter den aufklärenden Fachaufsatz von Nikil Mukerji und Edzard Ernst als „sehr lesenswert“ empfahl und die Homöopathie zu Recht eine „gefährliche Pseudowissenschaft“ nannte. Die Sachlage ist klar. Entscheidend ist letztlich, ob sich die Politik endlich traut, Konsequenzen zu ziehen.
Udo Endruscheit: Wenn die Zeit dafür reif ist, nimmt ein Thema irgendwann Fahrt auf. Das belegen auch die Reaktionen auf den aktuellen Diskurs von Seiten der homöopathischen Szene, etwa der Deutschen Homöopathie-Union und des Zentralvereins homöopathischer Ärzte. Uns – und den gesamten kritischen Diskurs zum Status der Homöopathie innerhalb des Gesundheitswesens – kann man nicht mehr länger ignorieren, ohne sich mit unseren Argumenten auseinanderzusetzen. Das nährt die Hoffnung, dass demnächst jemand in Berlin sagt: „Jetzt habe ich die Nase voll!“
Die neue Website erreicht man unter dem Link www.globukalypse.org
Text: Der Beitrag erschien zuerst auf https://hpd.de
Bild: Pixabay
Zitat: „anders als reguläre Medikamente müssen diese Mittel ihre Wirkung nicht durch Studien unter Beweis stellen…“- wie war das doch gleich bei den angepassten C-Impfstoffen die jetzt unters Volk kommen? Ich dachte gelesen zu haben, dass die Zulassung auf einer Studie mit weniger als einem Duzend Mäusen basiert, oder nicht?
Ich empfehle sich ein halbe Stunde Zeit zu nehmen und den zu Anfang des Artikels genannten Beitrag von Mai Thi Nguyen-Kim auf
https://www.youtube.com/watch?v=IK5BZdnqMDU
anzuschauen.
Geeignet für Homöopathie- Befürworter wie Gegner. Sollte man bis zum Ende schauen. Da ist dann wohl alles gut aufbereitet und man kann eigene Schlüsse ziehen wie man zu Homöopathie-Gesetzen steht.
Harald Schuster
Nur Mal zur Einordnung: der Umsatz der „Globuli-Industrie“ mit den gesetzlichen Krankenkassen betrug 2020 wohl lediglich 6,7 Millionen Euro ( in Zahlen: 6.700.000 €)
Der Gewinn von Biontec 10 Milliarden Euro ( in Zahl: 10.000.000.000€)!
Das hat Auswirkungen auf Menschenleben, wie ai zurecht feststellt!
Niemand wird hierzulande gezwungen, Globuli zu nehmen, viele Menschen auf dieser Welt hatten aber keinerlei Möglichkeiten sich gegen Corona zu schützen oder schützen zu lassen!
Ich warte heute noch auf eine Antwort von Karl Lauterbach aus welchem Grund Beamt:innen nebst Familienangehörige aus dem großen homöopathischen Behandlungs- und Wirkstoffangebot Honig saugen können. Die Beihilferegelung ist mehr als großzügig. […)
Sehr geehrter Herr Braun,
vielen Dank für Ihre Nachforschungen.
Sie waren mit ihrer Antwort schneller als ich.
Und das erweiterte Problem scheint zu sein, dass unter den politisch verantwortlichen Entscheidungsträgern allem Anschein nach Personen zu finden sein könnten, die es wichtiger finden, das knappe Geld für umstrittene homöopathische „Medikamente“ auszugeben, als für bewährte medizinische Hilfsmittel.
MfG
peter krause
Es ist für mich immer wieder bemerkenswert, wie an der nicht nur zahlenmäßig sondern auch wirtschaftlich völlig unbedeutenden „Globuli-Industrie“ herumkritisiert wird während eine Umsatzrendite von 60 Prozent bei Biontec, die insbesondere auf Kosten der gesetzlichen Krankenkassen hierzulande gemacht wurde, kaum jemand Anstoß nimmt!
Im Allgemeinen scheinen die Kosten zumindest unter bestimmten Konditionen leider übernommen zu werden. Drei Suchen, drei Treffer. Ich hoffe inständig, nicht alle gesetzlichen Krankenkassen machen bei dem Mummenschanz mit und ich hatte nur Pech…
https://www.tk.de/techniker/leistungen-und-mitgliedschaft/informationen-versicherte/leistungen/weitere-leistungen/arzneimittel/alternative-arzneimittel/hoehe-kostenuebernahme-alternative-arzneimittel-2002554
https://www.barmer.de/unsere-leistungen/leistungen-a-z/alternative-medizin/homoeopathie-1003654#Werden_die_Kosten_fu00FCr_Homu00F6opathie_von_der_Barmer_u00FCbernommen-1003654
https://www.aok.de/pk/bonus-praemienprogramme/gesundheitskonto/
Und genau das Problem ist ja, dass das Geld dann für die Versorgung insgesamt fehlt.
Homöopathische Medikamente werden von den gesetzlichen Kassen im Allgemeinen nicht bezahlt, es sei denn dass eine Zusatzversicherung abgeschlossen wurde, die extra bezahlt werden muss. Nicht alle Kassen bieten ein solche an. Das hier nur zur Information.
Neben Brillen ist viel mehr noch der Zahnersatz ein Problem für Menschen mit kleinerem Einkommen. Das ist ein Missstand, doch der hat nichts mit homöopathischen Medikamenten zu tun.
Was mich seit Jahren ärgert, ist die Tatasache, dass der GK-Versicherte seine Brille selber bezahlen muss, aber homöopathische „Medikamente“ von Krankenkassen bezahlt werden. Die Wirksamkeit von Brillen ist seit längerer Zeit bestätigt, die Wirksamkeit von homöopathischen Mitteln ist hingegen (mehr als) umstritten. Ein seltsames und befremdliches Missverhältnis.