Die Nase voll: Sportverbände gegen Belegung von Sporthallen mit Geflüchteten
Angesichts der großen Zahl aus der Ukraine geflüchteter Menschen fehlt es allerorten an Unterbringungsmöglichkeiten, und viele der Geflohenen werden vom Landkreis in Sporthallen untergebracht. Damit ist aber ein regulärer Sportbetrieb kaum noch möglich. Sportverbände aus dem Kreis wenden sich jetzt in einem offenen Brief an den Landrat und bitten dringend um Abhilfe.
Betr.: Hier Stellungnahme und Anfrage der Stadtsportverbände Konstanz, Singen, Stockach und Radolfzell
Belegung von Kreissporthallen und kommunaler Sporthallen mit Geflüchteten aus der Ukraine
Sehr geehrter Herr Landrat Danner,
in den zurückliegenden Wochen und Monaten hatte der Landkreis Konstanz eine große Zahl geflüchteter Menschen aus der Ukraine aufzunehmen. Damit haben sich die bisher vorhandenen Kapazitäten an Wohnraum in den kreiseigenen bzw. vom Kreis angemieteten Unterkünften drastisch verringert. Der steigende Druck, zugewiesene Geflüchtete unterzubringen, hat den Landkreis veranlasst, die kreiseigenen Sporthallen für den Schul- und Vereinssport zu schließen und in Flüchtlingsunterkünfte umzuwidmen.
Diese Maßnahmen haben für die betroffenen Kreisschulen und mitnutzenden Sportvereine einschneidende Konsequenzen mit sich gebracht. Ausfallende Schulsport- und Trainingsstunden sowie Wettkampftermine konnten nur teilweise durch die angespannte Situation öffentlicher Träger in kommunalen Hallen untergebracht werden. Dadurch sind auch dort schon viele Hallenstunden weggefallen.
Die Sporthallen im Kreis, kreiseigene und kommunale, sind unverzichtbare Sportstätten für den Pflichtunterricht an Schulen und für den Trainings- und Wettkampfbetrieb der auf diese angewiesenen Vereine.
Eine Schließung bedeutet für SchülerInnen besonders nach zwei Jahren coronabedingten Unterrichtsausfalls und dessen Folge eine in mehrfacher Hinsicht nicht mehr zu kompensierende Benachteiligung. So können beispielsweise OberstufenschülerInnen ohne das Pflichtfach Sport kein Abitur machen.
Für die Vereine hat eine weitere Schließung von Sporthallen noch viel härtere Konsequenzen bis hin zur Existenzgefährdung, wenn insbesondere Wochenend- und Wettkampfbetrieb unterbleiben müssen. Für die Vereine mit Wettkampfbetrieb bedeutet die Schließung der Hallen, die betroffenen Mannschaften vorübergehend oder ganz vom Wettkampfbetrieb abmelden zu müssen. Damit geht eine Wettbewerbsverzerrung zulasten der SportlerInnen, besonders bei der Jugend, einher.
Finanzielle und personelle Folgen wirken sich katastrophal für den Fortbestand der Vereine aus.
Seit der ersten Flüchtlingswelle im Jahre 2015 standen die Sportvereine an erster Stelle der Integrationsarbeit, die auch von der Zielgruppe gern angenommen wurde. Dieser so wichtige und von den Vereinen mit großem Engagement geleistete Einsatz für das Gemeinwesen darf nicht unterbrochen werden.
Bei allem Verständnis für die Notlage der Geflüchteten einerseits und des Landkreises andererseits möchten wir Sie bitten, nach anderen Lösungen zu suchen. Es gibt sicher leerstehende Industriegebäude, leerstehenden Wohnraum, auch Gasthöfe und Hotels im Landkreis. Auch der Bau von Leichtbauhallen, wie sie jetzt in Konstanz und anderen Kreisgemeinden geplant sind, können das Belegen der kreiseigenen und kommunalen Hallen verhindern. Vielleicht gibt es noch weitere Gemeinden im ländlichen Raum, die entsprechende Flächen zur Verfügung stellen könnten, diese bisher aber noch nicht angeboten haben.
Dieses Szenario darf sich nicht verfestigen, zumal die Vereine in ihrem sozialen Auftrag schon immer ihre nicht zu unterschätzende Arbeit mit allen Bevölkerungs- und Altersschichten unter Beweis stellen. Es kommen auch zunehmend Kinder aus der Ukraine zu unseren Sportangeboten, denen wir sagen müssen, dass wir sie nicht versorgen können, da wir keine Sporthallen haben, das kann nicht zielführend sein.
Besonders in den Städten Konstanz, Singen, Stockach und Radolfzell ist die Zahl der aufzunehmenden Flüchtlinge an die Kapazitätsgrenze gelangt. Die Absicht des Landkreises, jetzt auch kommunale Sporthallen für die Unterbringung Geflüchteter requirieren zu wollen, ist für uns als Vertreter des Sports im Landkreis Konstanz aus oben genannten Gründen nicht hinnehmbar und wir fordern Sie auch auf, schnellstmöglich die kreiseigenen Hallen wieder an Schul- und Vereinssport zurückzugeben.
Die von uns vertretenen Sportvereine und Sportverbände sind sich der ernsthaften Lage, in welcher Sie sich befinden, vollauf bewusst. Aus diesem Grunde wollen wir Sie in der Integrationsarbeit weiterhin mit allen unseren Kräften unterstützen. Dazu benötigen wir aber die Möglichkeit, für Jung und Alt in den Hallen unserer Kommunen aktiv zu sein.
Wir hoffen auf Ihr Verständnis und die schnellstmögliche Umsetzung unseres Anliegens.
Mit freundlichen Grüßen
Stadtsportverband Konstanz
Stadtsportverband Singen
IG Sport Radolfzell
Stadtsportverband Stockach
Diskussion zum Thema: Mittwoch, 5.10. ab 20 Uhr – „Kommunale Sportpolitik in der Sackgasse?“ in der Schänzlehalle (Winterersteig 23). Frank Schädler (Amt für Schule und Sport), Martin Müller (Stadtsportverband) und Harald Schuster (Vorsitzender des USC Konstanz) nehmen als Fachkundige teil.
Text: MM/red, Bild: O. Pugliese
Es ist bedauerlich, dass erneut Sporthallen zur Unterbringung von Flüchtlingen – übrigens nicht nur aus der Ukraine, auch Menschen aus anderen Ländern suchen weiterhin und wieder verstärkt hier Zuflucht – benötgt werden. Aber ich befürchte, dass daran wohl kaum ein Weg vorbeführen wird, wenn wir die Menschen im Winter nicht in Zelten oder gar auf der Straße schlafen lassen wollen. Die Zeiten sind hart und werden so schnell nicht besser.
Wie wäre es denn mit dem „Bodenseeforum“? Dort könnten doch evtl. räumliche Kapzitäten für eine Zwischennutzung vorhanden sein – auch wenn dies sicher nicht ausreichen dürfte, wäre es evtl. doch ein Gedanke wert. Auch der Vorschlag, im Winter die üppigen Hotelkapazitäten am Bodensee für die Unterbringung der Flüchtlinge zu nutzen, erscheint mit sinnvoll.