Theater: Gegen die Schließung von Spiegelhalle und Werkstattbühne
Die Gerüchteküche brodelt: Angeblich sollen Theater und Philharmonie ganz erheblich sparen müssen, von 20 bis 33 Prozent ihrer städtischen Zuschüsse wird gemunkelt. Das alles steht zwar noch in den Sternen, es ist aber absehbar, dass sich die anstehenden Haushaltskürzungen vor allem gegen Bildung, Kultur und Sport richten werden, die unseren liberalen Eliten am ehesten verzichtbar erscheinen.
Die zu erwartenden drastischen Einschnitte in den Haushalt werden absehbar zu bitteren Verteilungskämpfen führen; die Zeit der Grausamkeiten und spitzen Ellenbogen ist (wieder einmal) gekommen, und in so mancher Amtsstube werden wohl bereits die Messer gewetzt. (Das Millionengrab Bofo hingegen könnte wohl als liberal-religiöse Kult- und Weihestätte ungerupft bleiben.)
Vorsorglich positioniert sich jetzt schon einmal die Spitze des Theaters in diesem Verteilungskampf. Dass dort neben etlichen Arbeitsplätzen die innovativen Formate und die Bildungsarbeit zuerst dran glauben müssten, scheint Beobachtern der Kulturszene ausgemachte Sache.
Hier die Argumente des Theaters in vollem Wortlaut:
„Warum wir die Spiegelhalle brauchen:
Die Spiegelhalle mit ihren 160-180 Plätzen und der so wichtigen vorhandenen Barrierefreiheit ist nicht nur Spielort für das abendliche Abonnementpublikum, sondern ist auch Ort für Gastspiele (Rathausoper, Theaterfreunde, lmprotheater, Literaturgespräche …).
Auch für unser Rahmenprogramm, mit dem wir auf unser Publikum zugehen (z.Bsp. vollMond, das Festival „Let’s Ally“, Tagung Theater hinter Gittern, „Sprache gegen Krieg“ unser Ukraine-Benefiz) und offene, partizipative Formen (etwa die immersive „Expedition Mitte“) bietet der Raum Möglichkeiten.
Die Spiegelhalle ist Heimstätte des 2020 gegründeten STADTENSEMBLE. Bürger*innen aus Konstanz und Umgebung finden sich hier zu einem professionellen Theaterprojekt zusammen. Beim diesjährigen Projekt sind 17 Menschen (aus 40 Bewerbungen) zusammengekommen; die Werkstatt wäre zu klein, das Stadttheater für die nicht ausgebildeten Mitwirkenden nicht zu bewältigen.
Vor allem ist die Spiegelhalle aber auch Ort für die Vorstellungen des Jungen Theater Konstanz und der großartigen und so wichtigen Arbeit unserer theaterpädagogischen Abteilung. Die Spiegelhalle ist – neben der Werkstatt – der Hauptspielort des Jungen Theaters Hier finden unsere Produktionen/ Uraufführungen / Deutschsprachigen Erstaufführungen statt, die vielfach zu Festivals eingeladen werden (z.B. „Der fabelhafte Die“). In der Werkstatt spielen wir die Stücke, die nach großer Nähe verlangen, nach Unmittelbarkeit, Intimität. In der Spiegelhalle haben wir Raum für größere experimentelle Stoffe, Stücke und Erzählungen, personenreichere Produktionen.
In der Spiegelhalle (Dachboden + Foyer) finden unsere theaterpädagogischen Angebote statt. Die Workshops mit Schulklassen (falls sie nicht in den Schulen direkt stattfinden), unsere Spielclubs (Kids Club l für 6-9jährige, Kids Club ll für 10-13jährige, Jugendclub für 14+ und Generationenclub für 18+).
Die Probebühnen in der Inselgasse, Max-Stromeyer-Straße und Brauneggerstraße sind keine Ausweichorte für die wöchentlich stattfindenden Clubproben, weil dort unsere Proben stattfinden und Probebühnenbilder unserer Produktionen aufgebaut sind, die nicht genug Raum lassen für die Clubproben.
Auch unser Nachwuchs-Sonntag-Programm für die ganz jungen Zuschauer*innen und ihre Familien (3+, 4+ oder 6+), der sogenannte „Mitmach-Sonntag“ benötigt als zuverlässigen Spielort die Spiegelhalle mit dem Foyer. Es ist wichtig, dass das Publikum einen Ort hat, um eine monatlich nur einmal stattfindende Veranstaltung regelmäßig zu besuchen.
Die Spiegelhalle schließen, hieße daher, unserem jugendlichen Publikum die Möglichkeit zu nehmen, altersspezifische, genau für sie gemachte Stücke zu sehen. Und es hieße außerdem, Ihnen die Möglichkeit zu nehmen, im Theater mit professionellen Theaterpädagog*innen selbst zu spielen – sei es in einem kontinuierlich stattfindenden Spielclub oder in einem einmaligen Workshop oder beim Mitmach-Sonntag zusammen mit ihren Eltern.
Im März 2023 feiern wir das 33. Jubiläum des Jungen Theaters Konstanz. Vor 33 Jahren hat die Stadt die Notwendigkeit und damit die Wichtigkeit erkannt, für junges Publikum Theater zu machen, sie teilhaben zu lassen an der Kultur ihrer Stadt. Die Spiegelhalle schließen, hieße, einen Riesenschritt zurückzugehen – 33 Jahre zurück, um genau zu sein. Und das in Zeiten wie diesen, in denen wir uns stark machen müssen – gerade für die jungen Menschen … (Stichworte: Demokratie, Mit-Denken, Weiter-Denken, Diskussionen anregen, gemeinsames Erleben …)
Warum wir die Werkstattbühne brauchen:
Die Werkstattbühne bietet Raum und Bühne für Stoffe (Uraufführungen junger Autoren*innen), Projekte und Regieführende, die noch nicht etabliert sind und daher nicht so viel Publikum ziehen, aber SEHR viel Potenzial für die Zukunft haben. Entdeckungen müssen möglich sein. Beispiel die Produktion „Karl“ zu Beginn der nächsten Spielzeit – eine Regiearbeit einer unserer Regieassistentinnen.
Es ist außerdem die Art von Bühne, die einen intimen Theatermoment ermöglicht, der auf größeren Bühnen verloren ginge (Beispiel: „All das Schöne“). Die Werkstattbühne ist die einzige kleine Bühne, die technisch gut ausgestattet ist. Besonders kleine musikalische Formate wie „Kurz vor Kuss“ oder „Eine Sommernacht“ sind dort perfekt aufgehoben und werden vom Publikum geliebt.
Für das ganz junge Publikum (3+/4+) benötigen wir einen kleinen, direkten Bühnenraum mit einer großen Nähe (guter Sicht) zwischen Spieler*in und Kindern. Aus den Workshops unserer theaterpädagogischen Abteilung – sowie aus Schulen und anderen Theatergruppen – können wir hier die ersten Theateraufführungen und Präsentationen des Theaternachwuchses zeigen.
Wir als Theater müssen als Spiegel der Gesellschaft lebendig bleiben und reagieren können. Dies ist nicht nur unser kultureller Auftrag, sondern auch unsere Überzeugung. Eine Schließung wäre auch ein deutlicher Einschnitt des Konzeptes der Intendantin, mit welchem sie angetreten ist.
Die Werkstattbühne zu schließen würde bedeuten, nicht in die Zukunft, nicht in junge Menschen zu investieren. Wir brauchen diesen geschützten Rahmen der Werkstattbühne für unsere Zukunft.“
Text: Papier/O. Pugliese, Bild: Ilja Mess