Charles, der Globuli-König
Der neue König des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland, King Charles III., initiierte einen Lehrstuhl für Komplementärmedizin, um Beweise für die Wirksamkeit der Globuli zu erhalten. Die Resultate waren vernichtend.
Die Königin ist tot, lang lebe der König. Elisabeth war beim pompösen Begräbnis im Mittelpunkt, doch Charles stand im Fokus der Kameras. Neben dem royalen Blut verband die beiden auch eine besondere Leidenschaft, die dem breiten Publikum kaum bewusst war: ihre Vorliebe für alternative Heilmethoden, besonders die Homöopathie.
Die Vorliebe von König Charles III. für die umstrittene Therapie- oder Heilmethode entbehrt nicht einer gewissen Komik. Mit seinem missionarischen Eifer, die Zuckerkügelchen (Globuli) salonfähig zu machen und wissenschaftlich zu bestätigen, erlitt er Schiffbruch. Er initiierte dazu ein universitäres Projekt – und scheiterte grandios.
König wurde er trotzdem. Das liegt aber nicht an seinem wissenschaftlichen Verständnis, sondern an seinen Genen.
Doch schön der Reihe nach.
Prinz Charles hielt nie hinter dem Berg zurück, dass er an die heilende Wirkung von alternativmedizinischen Produkten und Therapien glaubte. Ähnlich wie seine verstorbene Mutter. Das kann in der besten Familie vorkommen, auch in einer royalen. Doch Charles war auf einem Feldzug und nutzte seine Popularität, um Einfluss auf die öffentliche Meinung zu nehmen und Werbung für Globuli zu machen.
Das ist für den Repräsentanten eines Königshauses befremdlich. Charles litt darunter, dass er von Medizinern und aufgeklärten Geistern mitleidig belächelt wurde. Deshalb regte er die Schaffung einer Professur für Alternativmedizin an der englischen Universität Exeter an. Ein weltweites Novum.
Charles wollte Beweise für die Wirksamkeit der Globuli
Der ewige Prinz wollte wissenschaftliche Beweise für die Wirksamkeit von Globuli erhalten. Deshalb war es keine Überraschung, dass in der Berufungskommission auch der Homöopath von Queen Elisabeth saß.
Die Wahl fiel 1993 auf den deutschen Arzt und Wissenschaftler Edzard Ernst, der bis anhin an der Uni Wien gelehrt und geforscht hatte. Die königlichen Erwartungen waren klar: Ernst sollte die erwünschten Resultate erbringen.
Doch der Professor war nicht bereit, unbesehen Beweise für umstrittene Hypothesen zu suchen und die royalen Erwartungen blind zu erfüllen. Er wollte nach wissenschaftlichem Standard zuerst Grundlagenforschung betreiben und die verfügbaren Studien zur Homöopathie prüfen.
Dabei tauchten bei ihm bald Zweifel an den alternativen Methoden auf. Als er dann randomisierte, Placebo-kontrollierte Doppelblindstudien anstellte, sah er sich bestätigt: Die Resultate waren vernichtend und erreichten teilweise nicht einmal die Werte von Placeboeffekten.
Ernst fühlte sich seinem wissenschaftlichen Gewissen verpflichtet und veröffentlichte seine Studien gegen den Willen seines „Auftraggebers“. Charles war entsetzt und wies seinen persönlichen Sekretär an, einzugreifen. Dieser schrieb der Universitätsleitung, Professor Ernst habe die vereinbarte Vertraulichkeit verletzt.
Die Universität knickte nach der royalen Schelte ein
Die Universität knickte nach der royalen Schelte ein und eröffnete ein Disziplinarverfahren gegen den aufmüpfigen Professor. Die Kommission sprach ihn zwar 2010 von allen Vorwürfen frei, doch seine Abteilung wurde trotzdem geschlossen.
„Ich erforschte mit meinem Team die Alternativmedizin, Charles dagegen wollte sie nicht hinterfragen, sondern propagieren. Als ich immer mehr Belege dafür fand, dass viele Verfahren der Alternativmedizin nicht wirksam und manchmal sogar gefährlich sind, nahmen die Spannungen zwischen mir und Charles zu.“ Edzard Ernst
Ernst ließ sich vom Prinzen und heutigen König keinen Maulkorb umhängen und arbeitete seine Erfahrungen mit der königlichen Familie im Buch „Charles, the Alternative Prince“ auf, das Anfang dieses Jahres erschien. Darin rechnet der emeritierte Professor mit den Königlichen ab.
In einem Interview mit dem Standard sagte Ernst:
„Seit es die Homöopathie gibt, gehörte die britische Königsfamilie zu den Homöopathie-Verfechtern. Charles hat aber nicht nur die Homöopathie gefördert, sondern auch viele andere alternativmedizinische Verfahren. Was dabei auffällt, ist, dass er sich immer nur die bizarrsten und unplausibelsten herauspickt und diejenigen, die ansatzweise evidenzbasiert sind, beiseitelässt.
Das mag daran liegen, dass er stets das Mystische und Antiwissenschaftliche bevorzugt. Schon als junger Mann ist er von Laurens van der Post auf diesen Weg geführt worden, einem aus Südafrika stammenden Esoteriker und selbsternannten Guru.“
Charles hat laut Ernst auch eine Firma gegründet, die umstrittene Mittel produzierte und vertrieb. Zum Beispiel eine Tinktur aus Artischocken, die den Körper entgiften sollte. Für ein weiteres Heilmittel verwendete seine Firma Schlangenöl.
Charles, der Schlangenöl-Verkäufer
Ernst nennt ihn deshalb im Buch einen Schlangenöl-Verkäufer. Und er erwähnt, dass die verstorbene Queen die Schirmherrin des „Royal Homoeopathic Hospitals“ war. Ein Job, den König Charles sicher gern übernimmt.
Zum besseren Verständnis sei hier angefügt, dass die Homöopathie vier grundlegende wissenschaftliche Erkenntnisse grobfahrlässig verletzt. Es braucht keine Bildung in Chemie und Medizin, um dies zu erkennen.
Vier Irrtümer
- Irrtum Nummer 1: Ähnliches mit Ähnlichem heilen. Ein Beispiel: Wer eine Bleivergiftung hat, bekommt Globuli, die in verdünnter Form aus Blei hergestellt sind. Blei heilt laut Homöopathie also mit Blei kontaminiertes Blut.
- Irrtum Nummer 2: Verdünnung. Die Tinkturen werden so stark verdünnt, bis sie nur noch wenige bis gar kein Moleküle der angeblichen Wirksubstanz mehr enthalten. Trotzdem wird ihnen eine Heilwirkung zugeschrieben.
- Irrtum Nummer 3: Potenzierung: Je stärker die Verdünnung, desto größer die Wirkung. Weist ein Globuli noch viele Moleküle der Wirksubstanz auf, wirkt es weniger stark, als wenn es gar keine Moleküle mehr enthält.
- Irrtum Nummer 4: Wasser nimmt Informationen auf: Durch das Verschütteln der verdünnten Flüssigkeit springen angeblich Informationen der Wirksubstanz auf das Wasser über. Auch diese Theorie widerspricht sämtlichen wissenschaftlichen Erkenntnissen. Würde Wasser solche Informationen aufnehmen, wäre es so vergiftet, dass wir es nicht mehr trinken könnten.
Was wohl die wenigsten Konsumenten homöopathischer Mittel wissen: Globuli werden aus unzähligen Substanzen hergestellt. Zum Beispiel aus Walkot, gestampften Ameisen, hochgiftigen schwarzen Tollkirschen oder aus dem Gift Atropin.
Doch zurück zu Charles: Aus einem Prinz ist über Nacht ein König geworden. An seiner Haltung gegenüber der Komplementärmedizin wird sich aber nichts ändern. Als König kann er erst recht nicht zugeben, sich ein Leben lang geirrt zu haben. Selbst wenn die wissenschaftlichen Fakten eindeutig sind.
Text: Hugo Stamm. Er befasst sich seit den Siebzigerjahren mit neureligiösen Bewegungen, Sekten, Esoterik, Okkultismus und Scharlatanerie. Er hält Vorträge, schreibt Bücher und berät Betroffene.
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