Nachverdichtung in der Gottfried-Keller- und der Steinstraße
Bei einer Fahrt vom Zähringerplatz in die Steinstraße liegen rechter Hand etliche in die Jahre gekommene Gebäude, die dem Bund gehören. Dort soll in den nächsten Jahren unter dem Siegel „Zukunftsstadt Konstanz“ einiges geschehen. Manche Häuser sollen Neubauten weichen und das Areal insgesamt eine spürbare Nachverdichtung erfahren.
Hier eine Mitteilung der Stadt Konstanz:
„Die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) plant für die im Besitz des Bundes befindlichen Wohngebäude in der Gottfried-Keller-Straße und in der Steinstraße eine städtebauliche Neuordnung. Dazu gehört auch die Planung von Ersatzbauten für drei dieser Wohngebäude. Hierzu wurde im Mai dieses Jahres ein Architekten-Wettbewerb ausgelobt.
Ziel dieses Realisierungswettbewerbs ist es, auf den betreffenden Flurstücken attraktiven, bezahlbaren und nachhaltigen Wohnraum zu schaffen. Die Aufgabe des städtebaulichen Wettbewerbs für die ganze Siedlung in Petershausen lag speziell in der behutsamen Innenentwicklung unter Berücksichtigung der Wohn- und Aufenthaltsqualität sowie der Qualität der Freiflächen, auch unter Berücksichtigung wirtschaftlicher Aspekte.
18 Architekten- und Landschaftsarchitekten-Büros haben ihre Ideen und Konzepte eingereicht. Ende Oktober tagte die Jury in der Halle Petershausen und beurteilte die Wettbewerbsarbeiten. Auf dem ersten Platz landete das Büro Steimle Architekten aus Stuttgart/Überlingen mit Planstatt Senner aus Überlingen. Unter den weiteren Preisträgern sind Thomas Schüler Architekten Stadtplaner aus Düsseldorf mit KRAFT.RAUM Landschaftsarchitektur und Stadtentwicklung aus Krefeld, sowie Krehl Girke Architekten aus Konstanz mit Gnädinger Landschaftsarchitekten aus Singen.
In einem nächsten Schritt werden die Preisträger zu einem Verhandlungsverfahren gemäß VgV eingeladen. Die Arbeiten werden ab sofort in Form einer digitalen Ausstellung auf der Homepage der Stadt Konstanz ausgestellt. Auch im städtischen Verwaltungsgebäude in der Unteren Laube 24 sind die prämierten Arbeiten im 6. Obergeschoss ausgestellt – voraussichtlich bis Jahresende.“
Zu sehen sind die Wettbewerbsergebnisse auf der Homepage der Stadt Konstanz: www.konstanz.de/architektenwettbewerb
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Ein etwas anderer Bauherr
Wer sich die Bilder der geplanten Neubauten im Internet betrachtet, erkennt als Laie auf den ersten Blick nicht viel: Heitere Menschen jüngeren oder mittleren Alters, die in einem durchsonnten, lichten Wohnkomplex konfliktfrei miteinander kommunizieren, als müssten sie niemals zur Arbeit gehen. Die zugehörigen Texte versprechen die Verwirklichung einer sozial-ökologischen Utopie mitten in Petershausen-West. Die Bauten sehen auf den computergenerierten Zeichnungen schmuck und leicht aus, wie man heute in diesem Preissegment eben so baut, nur die Beete sind – ganz im Trend unserer Zeit – üppiger und mit einer größeren Vielfalt an Arten bepflanzt als es noch vor ein paar Jahren in Entwürfen üblich war, und es fehlt auch nicht an einem Gewächshaus und Nutzpflanzen (womit wahrscheinlich nicht Marihuana gemeint ist). Selbstverständlich ist auch an Begegnungsbereiche gedacht, und selbst Vögel und Fledermäuse sollen sich im Entwurf, der den 1. Platz belegt, wohlfühlen.
Versprochen wird semi-urbanes Wohnen in einem grünen Umfeld, und das dürfte dem Wunsch vieler Menschen aller Altersgruppen entgegenkommen: Einige Grünflächen sowie eine Quartiersgarage, dazwischen ein Architektur gewordenes grünes Gewissen aus Holz und Recycling-Stahl, und trotzdem viele Einkaufsmöglichkeiten direkt um die Ecke. Versprochen wird bezahlbarer Wohnraum in einfacher Bauweise, wie er im begrenzten Stadtgebiet am ehesten durch Verdichtung zu haben ist. Dass eine solche Verdichtung, so grün sie auch gestaltet sein mag, in der näheren Nachbarschaft auf manche Abneigung stoßen könnte, ist nicht auszuschließen.
Bundesbedienstete bevorzugt
Die fraglichen Gebäude und Flächen in der Gottfried-Keller-Str. 13-17 und Steinstr. 6-10 gehören der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA), also dem Bund. Einzelheiten der Pläne waren bereits Anfang dieses Jahres Thema im Technischen und Umweltausschuss (TUA). Wie den Sitzungsunterlagen zu entnehmen ist, herrschen hier besondere Bedingungen, bedingt auch durch den Bauherrn, der spezielle Ziele verfolgt: „Die BImA stellt Bundesbediensteten im Rahmen der Wohnungsfürsorge des Bundes deutschlandweit bezahlbaren Wohnraum in der Nähe ihres Dienstortes zur Verfügung. Im Rahmen von Gegenseitigkeitsvereinbarungen können auch Bedienstete oder Beschäftigte der Bundesländer bzw. der Kommunen Wohnraum durch die Wohnungsfürsorge des Bundes nachrangig erhalten. Nicht von Bundesbediensteten bzw. nachrangigen Berechtigten in Anspruch genommener Wohnraum wird zu den gleichen Konditionen dem freien Markt angeboten“, hieß es in den TUA-Sitzungsunterlagen. „Generell ist es ihr nicht erlaubt, Fördermittel jedweder Art zu beantragen bzw. zur Gegenfinanzierung ihrer Maßnahmen einzusetzen. Der BImA ist es damit nicht möglich, Sozialwohnungen zu bauen. Gleichwohl hat sie sich mit ihrer Mietenrichtlinie dazu verpflichtet, ihre Mieten am unteren Ende des örtlichen Mietspiegels zu orientieren. Darüber hinaus ist die BImA dazu verpflichtet, die Miete derzeit bei 10 €/m² Euro zu deckeln.“ Außerdem will sie ihren Bestand behalten und ausbauen, daher werden zur Finanzierung des Bauvorhabens keinerlei Immobilien veräußert
Zuerst soll parallel zur Steinstraße ein Neubau mit 45 Wohnungen für die Bewohner*innen der abzureißenden drei Häuser errichtet werden. Danach sollen die drei querstehenden Blocks aus den fünfziger Jahren plattgemacht und durch Neubauten ersetzt werden. Das Ziel: „Es können dadurch insgesamt circa 160 neue und bezahlbare Wohnungen mit Aufzug und zum Teil in barrierearmer Ausführung entstehen.“
Die Mieter*innen soll während des gesamten Prozesses ein Mitspracherecht erhalten und später in die neuen Wohnungen ziehen dürfen: „Zudem erhalten die Bestandsmieter ein Anmietrecht für die neu gebauten, den heutigen Anforderungen entsprechenden Wohnungen. So können diese räumlich in ihrem gewohnten Umfeld bleiben und auch die gewachsenen Nachbarschaften bleiben erhalten.“
Angesichts dessen, was sonst im Raubtierkäfig Immobilienmarkt üblich ist, ist das ein ungewohnt humanes Verfahren. Nach der Pleite mit dem Verkauf des Vincentius-Areals, das – als luxuriöser „Laubenhof“ wiederauferstanden – für die Menschheit wohl ein für alle Mal verloren ist, steht hier einmal eine menschenfreundliche (weil nicht profitmaximierte) Entwicklung eines Quartiers zu erwarten.
Text: MM/red, Bild: O. Pugliese
Unbestritten, dass es hier nicht so schlimm kommen wird wie auf dem Vincentius-Areal. Das Mitspracherecht der Mieter ist allerdings begrenzt – diese hätten am liebsten alles belassen, wie es ist. Hier von einer menschenfreundlichen Quartiersentwicklung zu schreiben, scheint mir allerdings zu kurz gedacht wenn nicht gar Orwellsches Neusprech, also ein Framing, welches Tatsachen verbirgt und Absichten verschleiert.
Die Vernichtung bestehender Bausubstanz durch Abriss, nämlich die Verschwendung von Ressourcen, ist der Zukunft der Menschheit abträglich und damit eben nicht menschenfreundlich. Das Überbauen von Freiräumen zwischen und um die Blöcke ist auch nicht menschenfreundlich: Es werden Bäume abgeholzt und den Bewohnern bislang als Freizeitflächen genutze Wiesen genommen.
Ja es stimmt, das die BImA, also der Staat, hier (und anderswo) keine Profite generieren will. Er muss das auch nicht, weil er nicht in der Konkurrenz reüssieren muss. Doch ein Handeln außerhalb kapitalistischer Profitlogik ist noch keine hinreichende Bedingung für „menschenfreundlich“.
Nach den Plänen sollen nicht nur drei Blöcke durch Neubauten ersetzt werden, sondern das ganze Gebiet. Was stimmt da jetzt?