Der Klimablog (95): Es gibt auch Grund zur Zuversicht

Die nahezu ergebnislose 27. UN-Klimakonferenz brachte am Freitag trotz Nieselregens rund 200 Menschen der Konstanzer Fridays-for-Future-Bewegung auf die Straße. Aber sie hatten auch Forderungen an die Stadt Konstanz dabei: Diese müsse nun endlich eine Ausbauoffensive für erneuerbare Energien starten.

Die Bedingungen hätten besser sein können. Es war kalt, ein Wind pfiff über den Münsterplatz, dazu nieselte es. Dennoch hatten sich etwa zweihundert Demonstrant:innen versammelt, um unter dem Motto „Lokale Energieautarkie statt Klimakonferenz-blabla” gegen das Scheitern der Weltklimakonferenz und die Inaktivität der Konstanzer Behörden zu protestieren. Auch angesichts der explodierenden Energiepreise und der unsicheren Versorgungslage müsse nun gehandelt werden, sagten die Organisator:innen.

„Wir zahlen heute den Preis für die jahrelang verschleppte Energiewende“, so Manuel Oestringer von Fridays for Future, denn derzeit würden vor allem jene, die die Krise am wenigsten verursacht haben, am meisten darunter leiden: „Das sind zum einen die Staaten im globalen Süden, denen wir als reiches Industrieland gerade das Gas vor der Nase wegkaufen. Zum anderen leiden auch unsere eigenen ärmeren Haushalte unter den hohen Energiepreisen und – damit zusammenhängend – den immer teureren Lebensmitteln. Soziale Gerechtigkeit und Klimaschutz sind untrennbar verbunden.“

Dennoch bewegen sich der Konstanzer Gemeinderat und die Verwaltung bei Großprojekten immer noch in die falsche Richtung: „Am Brückenkopf Nord wurde gerade, mitten im größten Artensterben der letzten 65 Millionen Jahre, eine artenreiche Magerwiese für Parkplätze vernichtet“, kritisiert Isabelle Lindenfelser vom Organisationsteam. Offenbar gingen die Verantwortlichen „wie selbstverständlich davon aus, dass auch in Zukunft alle mit dem Auto in die Stadt kommen.“ Verkehrswende heiße jedoch nicht, dass „alle ihre Autos am Stadtrand parken, sondern gar nicht erst mit dem Auto anreisen“.

Zudem kritisierten die Organisator:innen das Tempo beim Ausbau erneuerbarer Energien: Der dringend benötigte Wärmeplan der Stadtwerke komme nur schleppend voran, der Photovoltaik-Ausbau fast gar nicht. So seien bei den Solaranlagen, wie Eileen Blum von Fridays for Future Konstanz feststellte, im vergangenen Jahr gerade mal rund zehn Prozent der im neuen Klimaschutzplan vorgesehenen Anlagen in Konstanz gebaut worden: „Die Rechnung für dieses Bummeltempo zahlen wir alle.“

Den großen Bogen spannte bei der Auftaktkundgebung auf dem Münsterplatz Frank Best, Professor an der HTWG Konstanz, der durchaus Grund zu Optimismus sieht. Hier seine Rede im Wortlaut:

„Die Weltklimakonferenz COP27 hat leider in vielen Bereichen wieder mal eher weichgespülte Ergebnisse gebracht. Positiv zu betrachten ist sicherlich, dass sich sämtliche Staaten weiterhin zum 1,5- beziehungsweise 2-Grad Ziel bekennen und weiterhin darauf gedrängt wird, dass die Reduzierung der Treibhausgasemissionen schneller als bisher vonstattengeht. Für mich ist das 1,5-Grad-Ziel noch nicht aus der Welt – und danach kommt das 1,6-Grad-Ziel, dann das 1,7-Grad-Ziel. Bei jedem Zehntelgrad im Sinne der globalen Klimagerechtigkeit wurde meines Erachtens ein gewisser Durchbruch erzielt, zumindest auf dem Papier – wie der umgesetzt wird, bleibt abzuwarten. Die ärmsten Länder leiden am meisten unter den Folgen des Klimawandels, haben ihn aber am wenigsten verursacht. Das ist eine himmelschreiende Ungerechtigkeit, gegen die wir weiter angehen müssen.

Auf der anderen Seite gibt es weiterhin keinerlei konkrete Beschlüsse zum Ausstieg aus Kohle, geschweige denn aus Öl und Gas oder zum Abbau milliardenschweren Subventionen für fossile Energieträger. Es heißt ja gerne mal, dass fossile Energieträger billig seien – das ist Augenwischerei, nicht nur, weil sie horrende Folgekosten verursachen. Sondern auch, weil sie seit Jahrzehnten mit Hunderten Milliarden subventioniert werden. Wenn es hart auf hart kommt, zeigt jeder mit dem Finger auf die anderen, und es bleibt im Großen und Ganzen bei Appellen und unverbindlichen Absichtserklärungen.

Schwammige Zusagen

Viel wichtiger als das, was auf dem Papier steht, ist natürlich das, was tatsächlich umgesetzt wird. Was passiert denn nach der Konferenz in der Realität? Wir wissen aus den letzten zehn Jahren, dass es kaum Länder gibt, deren Zusagen zu Emissionssenkungen ausreichen. Viele Zusagen sind schwammig, manche sind an Bedingungen geknüpft. Und die realen Maßnahmen bleiben in vielen Fällen noch hinter den Zusagen zurück.

Um die 1,5 Grad einzuhalten, dürfen 2030 rund 33 Gigatonnen Treibhausgase ausgestoßen werden. Wenn man die Zusagen der Weltgemeinschaft von September 2022 zusammenrechnet, kommen wir optimistisch auf 53 Gigatonnen, also 20 Gigatonnen beziehungsweise 60 Prozent mehr. Das kann nicht sein, wir dürfen hier nicht lockerlassen und müssen den Druck auf die Politik aufrechterhalten!

Unser gesamtes globales System – Energieerzeugung, Wärme, Mobilität etc. – ist über mehr als hundert Jahre auf fossilen Energieträgern aufgebaut worden, die Widerstände gegen die notwendigen Veränderungen sind enorm hoch.  Der größte Teil der fossilen Reserven muss im Boden bleiben, das sind Werte von Billionen von Euro. Das weckt Begehrlichkeiten bei Menschen, denen Profit wichtiger ist als die Umwelt.

Die Macht der Lobbys ist ungebrochen

Das zeigt sich unter anderem daran, dass über 600 Lobbyisten von fossilen Unternehmen auf der COP27 vertreten waren. Das ist bei ca. 35.000 Teilnehmer:innen nicht überzubewerten, zeigt aber die Macht der Lobby, die weiterhin ungebrochen ist. Die Veränderung eines solch mächtigen globalen Systems benötigt einen langen Atem und viel Kraft. Die verschiedenen For-Future-Bewegungen versuchen es jetzt seit drei Jahren, und die gesellschaftlichen Widerstände sind enorm. Ich sehe uns, ehrlich gesagt, auch nächstes Jahr und übernächstes Jahr wieder hier stehen, und wenn es sein muss auch noch 2030. Bis dahin wird sich dann aber auch schon vieles zum Positiven verändert haben!

Wir sollten uns deshalb auch nicht von irgendwelchen kurzfristigen Rückschlägen entmutigen lassen, sondern uns immer weiter gegenseitig unterstützen und darin bestärken, nicht nachzulassen. Denn was wir auch betrachten sollten: Das Emission-Gap, die Umsetzungslücke zwischen den Zusagen und den notwendigen Reduktionen, wird seit ein paar Jahren tatsächlich kleiner. Noch 2019 und 2020 ergab das rechnerische Ergebnis aus all den verschiedenen Dekarbonisierungsplänen eine Temperaturerhöhung von über 3 Grad gegenüber der vorindustriellen Zeit; 2021 kamen noch 2,7 Grad zusammen, 2022 nur noch 2,5 Grad.

Wenn es in dem Rhythmus weitergehen würde, dann hätten wir in fünf Jahren zumindest schon mal die Zusagen zusammen, die uns auf einen 1,5-Grad-Pfad bringen. Unsere Aufgabe wird es sein, die Umsetzung der Maßnahmen wieder und wieder und wieder einzufordern – auf kommunaler Ebene, in Deutschland, in der EU und in der Welt.  Es kann gehen, wir können es gemeinsam schaffen, wir geben nicht auf!“

Texte: MM/Frank Best; Fotos: Pit Wuhrer

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