Der Klimablog (96): Gefährliche und nervige Fahrradecken in Konstanz
Nach vier tödlichen Fahrradunfällen in wenigen Monaten mehren sich die Stimmen (darunter auch von der Freien Grüne Liste), die eine Überarbeitung der Verkehrsführung verlangen. Denn es gibt in Konstanz noch zahlreiche gefährliche Stellen. Viele davon fallen nicht dadurch auf, dass der Radweg besonders doof geführt ist (auch wenn dies häufig der Fall ist), sondern dass es überhaupt keinen Radweg gibt – mit dem Nebeneffekt, dass Bilder von gefährlichen Ecken häufig sehr harmlos wirken.
Neben gefährlichen Ecken gibt es auch viele richtig nervige Orte auf Fahrradwegen. Orte, bei denen man, um wenige Meter zurück zu legen, über mehrere Ampeln oder bei voller Fahrt bremsen muss. Im Folgenden ist eine kleine, sehr unvollständige Auflistung an Stellen in der Stadt, wo dringender Handlungsbedarf besteht – wo Radwege errichtet, ausgebaut oder umgestaltet werden müssten.
Riedstraße:
Wenn man vom Industriegebiet Richtung Wollmatingen fährt, ist die Welt noch in Ordnung – ein breiter Fahrradweg macht Lust. Doch sobald der Bahnübergang gequert ist, hört der Radweg auf der Nordseite plötzlich auf. Wer hier radelt, muss auf die viel befahrenen Straße zu wechseln. Hier gehört dringend ein Radweg hin, oder die Autostraße müsste zur Fahrradstraße umfunktioniert werden.
Das gilt übrigens auch für die Gegenrichtung. Zudem ist der dann vor der Bushaltebucht beginnende Radweg ist viel zu spät zu erkennen.
Radweg Konstanz-Reichenau
Wer auf dem Radweg entlang der Bahnlinie Richtung Reichenau unterwegs sind, kennen die Ecke und hofft, dass es gut gehen wird: Direkt beim Bahnübergang Wollmatinger Bahnhof verengt sich die Fahrbahn plötzlich zu einer schmalen, unübersichtlichen Kurve um das dort noch stehende Gebäude bis zu einer Stoppstelle. Das Hindernis soll zwar irgendwann behoben werden – aber, wie das halt in Konstanz so ist, erst irgendwann.
Fahrradweg unter der Schänzlebrücke
Der Weg von der Oberlohnstraße (Chérisy) oder dem Industriegebiet Richtung Autobahnbrücke (die Schänzlebrücke wurde einst als Teil einer geplanten Autobahn durch Haidelmoos und Paradies gebaut) führt zu einer sehr gefährlichen, weil total uneinsehbaren Ecke (siehe Hauptbild oben). Die meisten Radfahrer:innen, die ich beobachte, wollen geradeaus auf die Brücke fahren. Doch die Vorfahrt gilt für von rechts kommende Radfahrer:innen, die erst sehr spät – wenn überhaupt – gesehen werden. Wer hier queren will, muss anhalten um sicherzugehen, dass niemand hinter dem Brückenaufbau hervorschießt. Das aber macht in der Praxis fast niemand. Eigentlich müsste die ganze Ecke umgestaltet werden. Für eine schnelle Besserung sollte an der Kurve zumindest ein Spiegel angebracht werden (den es früher auch schon mal gab).
Fürstenbergstraße
Fast die gesamte Fürstenbergstraße ist für Radfahrer:innen ein Albtraum. Stadtauswärts beglückt ein Radweg unterhalb des Fürstenbergs – nur was für einer! Er ist gerade breit genug, dass ein Fahrrad darauf fahren kann, und wird noch von der Abbiegespur zum Buhlenweg gekreuzt, um sich dann mitten auf einer großen Kreuzung zu verlieren. In der Gegenrichtung ist’s auch nicht besser. Dort werden die Radler:innen kurz nach der Ampel auf einen schmalen Gehweg gezwungen, den sie sich vor allem bei der Chérisy mit Fußgänger:innen und an der Bushaltestelle mit wartenden Fahrgästen teilen müssen
Zufahrt zum Klinikum
Wer von der Luisen- und der André Noel Straße zum Haupteingang des Klinikums will, darf die Strecke zwischen der Ampel (beim Roten Kreuz) und der Ampel auf Höhe der Eichhornstraße in beiden Richtungen benutzen. Doch dann muss zuerst die Mainaustraße Richtung Suso gequert werden, dann die Einhornstraße und die Beethovenstraße und ein paar Meter weiter wieder die Mainaustraße. Vier Straßen und drei Ampelschaltungen auf 50 Metern!
Fahrradstraße Schottenstraße:
Die Hauptader des Radverkehrs in Konstanz wird bei der Gartenstraße plötzlich zugunsten der Autovorfahrt zerschnitten; alle müssen anhalten. Das freut einen immer besonders. Warum ist das so, weshalb endet die Vorfahrt hier? Die Erklärung, die ich am meisten gehört habe, lautet: weil da der Bus durch muss. Das leuchtet grundsätzlich ein. Aber könnte die Stadt an dieser Stelle nicht eine Bus-Ampel einrichten, die Radfahrer:innen nur dann zum Anhalten zwingt, wenn der Bus auch tatsächlich kommt?
Und wenn wir schon bei der Fahrradstraße sind. Die ist toll, und die schiere Menge an Radler:innen unterstreicht das auch. Aber eigentlich ist die Straße mittlerweile fast zu klein; eine weitere Fahrradstraße entlang dieser Achse wäre nötig. Sie ließe sich in der Brauneggerstraße relativ leicht einrichten. Aber da die allermeisten Radfahrer:innen in die Innenstadt wollen (oder aus ihr raus): Könnte die Stadt nicht auch eine Straßenspur auf der Laube freiräumen? Zum Beispiel auf der östlichen Fahrbahn, wo es noch keine Busspur gibt?
Ampel Zähringerplatz
Auf einer der Hauptachsen in Konstanz (von der Uni zur Fahrradbrücke) muss, wer von der Friedrichstraße kommt, zuerst den Zähringerplatz (Ampel) queren und kurz danach an einer zweiten Ampel warten, um den Fußgänger:innen den Vortritt zu lassen. Müssen hier wirklich Fußgängerinnen und Radfahrer gegeneinander ausgespielt werden? Ist keine sinnvollere Gestaltung der viel befahrenen und begangenen Kreuzung denkbar? Oder – zumindest kurzfristig – eine Führung des Radverkehrs über den nebenan liegenden Parkplatz? In Zeiten eines Klimanotstands sollte doch die Radinfrastruktur auf der Hauptfahrradachse mehr wert sein als ein paar Autostellplätze.
Fahrradstraße zur Uni
Die gibt es nicht. Sollte es aber: Schließlich ist die Uni einer der zentralen Punkte der Stadt und die meisten Menschen fahren mit dem Rad dorthin. Viele über die Friedrichstraße. Doch hier gibt es nur einen schmalen, aufgemalten Radweg. Das ist angesichts der Bedeutung dieser Verbindung nicht gut genug. Eine Verlängerung der Fahrradstrecke auf der Petershauser Straße hoch zur Uni wäre zeitgemäß.
Diese Auflistung ist bei weitem nicht vollständig. Welche Ecken nerven dich so richtig? An welchen Stellen denkst du dir jedes Mal, wenn du daran vorbeifährst: Puh, noch mal gut gegangen? Oder welche Orte meidest du ganz mit dem Fahrrad, weil sie zu gefährlich sind?
Die Kommentarspalte unten ist für Anregungen offen.
Text und Fotos: Manuel Oestringer von der Klimaredaktion
Ich bin Radfahrer, Fußgänger und Autofahrer. Leider gibt es in Konstanz nur wenige Verkehrsabschnitte, die allen Verkehrsteilnehmern gerecht wird. Vielleicht ist die Zeit reif für ein neues Leitbild: Wir denken die Verkehrsflüsse in Konstanz konsequent in der Reihenfolge „1-Fußgänger“ (Gehwege, ÖPNV, Sitzbänke, …), „2-Radfahrer“ und dann erst „3-Autofahrer“. Nicht gegen die Autofahrer, sondern mit klaren Prioritäten für die langfristige Verkehrsplanung.
Mit zunehmendem Alter fühle ich mich als Fußgänger und als Radfahrer immer unsicherer.
Heute musste ich mit meiner Mutter zu einem Facharzt in der Luisenstrasse. Das Navi führte uns immer über eine Fahrradstrasse zur Luisenstrasse. Fast wäre ich voll in diesen Poller gefahren. Obwohl wir rechtzeitig von daheim wegfuhren, kann wir 15 Minuten zu spät beim Arzt an. Ich wusste nicht wie ich zum Arzt kommen sollte, kenne mich in Konstanz nicht gut aus.
Über weite Strecken der Max-Stromeyer-Straße muss man als Radler knapp an parkenden Autos vorbeifahren, immer in Gefahr, dass plötzlich eine Autotüre aufgerissen wird. Zudem sind die Radwege so schmal und auf der anderen Seite der Abstand zum fließenden Autoverkehr so gering, dass die Autofahrer den vorgeschriebenen Abstand zu den Radfahrern von 1,5m nur einhalten können, wenn sie keinen Gegenverkehr haben und auf die Gegenfahrbahn ausweichen können. Ansonsten dürften sie die Radfahrer nicht überholen, was die meisten aber trotzdem tun. Man ist als Radler also „eingeklemmt“ zwischen fahrenden und parkenden Autos. Ich nehme die Strecke mit dem Rad nicht mehr, da viel zu gefährlich. Bevor man Fahrradautobahnen baut, sollte man erst einmal solche Gefahrstrecken beseitigen. Aber mit Ersteren kann sich die Stadt eben besser als „öko“ profilieren.
Gerade auf dem Weg zur Uni (und zurück) startend im Paradies, begegnen mir vor allem junge Erwachsene, die sich verkehrswidrig und gefährdend mit dem Fahrrad verhalten. Ich habe in den letzten Jahren einige Beinahe-Unfälle erlebt und das hängt eben auch mit der Dichte und Enge zusammen. Da muss man als Fahrradfahrer strikt diszipliniert sein.
Verkehrserziehung junger Schüler gibt es ja bereits, sogar in unserer tollen Stadt. Aber das scheint eben nicht lange zu halten. Deshalb bin ich für Erziehung durch finanzielle Sanktionen. Bei scharfen Kontrollen könnten Stadt und Land sehr viel Geld einnehmen. Außerdem sollten Kennzeichen für Fahrräder gesetzlich verpflichtend sein. Das ist im Grunde bei der heutigen Rädervielfalt und steigenden Zahlen nicht mehr zu vermeiden, sonst geht die Kontrolle noch vollends verloren.
Die inzwischen doch häufigen Auflistungen von rücksichtslosen Radfahrern wirft die Frage nach Verkehrserziehung z.B. an Schulen auf. Weshalb gibt es sowas nicht in BaWü? Davon abgesehen, wurde der Bericht vor dem Hintergrund von tödlich verunglückten Radfahrern verfaßt. Welche Meldungen gab es mit dem Inhalt „Radfahrer tötet Automobilfahrer“ innerhalb der letzten Jahre in Konstanz?
– Was in der Aufzählung von Gefahrenpunkten fehlt, sind die Ampelphasen. Am Zähringerplatz z.B. werden Fußgänger wie Radfahrer olympiareif konditioniert. Berufs-Zynisten stellen hierbei die Frage, ob die Nähe des Krankenhauses mit der Ampelschaltung zusammenhängt. Ähnlich die Grünphase der Radampel am Bahnübergang beim Finanzamt. Aufgehübscht durch die enge, kaum übersehbare Auffahrt zum Südkurier.
Ein besonderes Schmankerl hat die Verkehrsplanung am Ortsende von Konstanz zu bieten. An der Ampel von der Auto-Waschstraße Richtung Südkurier ist die Grünphase für Räder und Fußgänger extrem leistungssteigernd ausgelegt. Um dem noch die Krone aufzusetzen, ist die Ampel über die Abzweigespur zum Südkurier nicht synchronisiert. Wenn ein Lkw stadtauswärts bei rot steht, ist die Sicht auf evtl. abbiegende Autos versperrt. Viel Spaß bei einem Unfall in dem Bereich bei nicht aktiver Ampel.
Wie man sieht, mangelt es nicht an Punkten, über die man die „Verantwortlichen“ tagtäglich mit dem Rad oder zu Fuß jagen müsste. In der Erwartung, daß das saudumme Geschwätz von der Fahrradstadt Konstanz ein Ende hat.
Ich bin leidenschaftlicher Fahrradfahrer und passiere regelmäßig einige der diskutierten gefährlichen Stellen. Es ist für mich ganz klar, dass hier im Punkto Verbesserung der Sicherheit von den Stadtverantwortlichen investiert werden muss. Eine Verharmlosung wäre Blödsinn.
Gleichzeitig weise selbstverständlich auf rücksichtsloses und vollkommen verkehrswidriges und gefährdendes Verhalten einer erheblichen Anzahl von Radterroristen hin (ohne Licht, mit hoher Geschwindigkeit auf Gegenfahrbahn/falsche Seite, in Fußgängerzonen etc. etc….). Nach persönlicher Ansprache reagiert die Mehrheit uneinsichtig und z.T. sogar aggressiv. Hier muss es durch Polizei und Stadt viel mehr Kontrollen geben, um durch hohe Geldbußen das Gefährdungspotential in den Griff zu bekommen – alles andere hilft hier leider nicht, da der Mensch von Natur aus eben kein Vernunftswesen ist.
Ich stimme in (fast) allem zu und zurecht werden hier auch noch andere Beispiele beschrieben. Danke für die Mühe mit der Auflistung!
Aber erwähnen darf man schon auch, dass ich mich als Radfahrer oft von Radfahrern gefährdet fühle, die mit Vollgas durch verkehrsberuhigte Zonen (eigentlich Schritttempo) fahren und dort an Kreuzungen (Hohenhausgasse – Zollernstraße, Inselgasse – Brückengasse, …) keine Vorsicht walten lassen, auch auf Fußgänger keine Rücksicht nehmen oder z.B. in der Fahrradspindel am Bärengraben wegen zu hohen Tempos ihren Göppel nicht mehr im Griff haben und auf den Gegenverkehr zurasen. Abgesehen davon hat man in verkehrsberuhigten Zonen auch keine Fußgänger wegzuklingeln. Auch auf der Fahrradbrücke müssen manche dringend Überholer im Gegenverkehr überholen. Es passiert mir bisher nichts, weil ich dort übervorsichtig bin.
Bezeichnend im Artikel ist ja „Wer hier queren will, muss anhalten, um sicherzugehen, dass niemand hinter dem Brückenaufbau hervorschießt. Das aber macht in der Praxis fast niemand (sic!).“ Müsste hier nicht die unsäglich rücksichtslosen Praktiken der mangelnden Vorsicht und des Hervorschießens kritisiert werden?
Friedrichstr. -Ecke Jacob Burckhardt Str. wenn sich die Radfahrer an zu weit in die Fridrichstr. vorgefahrenen Autofahrer (bei Nebel u. /od. Regen vorbei schlängeln müssen. Oft denke ich „oh-grad noch mal“ gutgegangen“(Richtung Uni)
Bei allen dargestellten Beispielen bemerkte ich mein unwillkürliches Nicken beim Lesen. Danke für die Auflistung.
Mir fallen auch noch mehr Beispiele ein. z.B. Schwaketenstr. von GSS Richtung Bad, parkende Autos direkt am Radstreifen und eben oftmals zu weit rechts. kommste kaum vorbei.
Sehr geehrter Herr Nabholz,
ich werde Sie gerne, wenn Sie wieder mal durch die Fussgängerzone radeln, persönlich zum Thema Radwege ansprechen. Grüsse Franz Zeller
@ Markus Nabholz: Natürlich muss wie immer beim Thema Fahrradinfrastruktur refelxartik der Hinweis auf rücksichtslose Fahrradfahrer kommen. Ich sehe den Zusammenhang leider nicht.
@Roland Fuchs: Oder dafür sorgen dass die Strassen nicht mehr so viel von Autos befahren werden. Umwege scheinen Ihnen nichts auszumachen. Die Frage ist nur, wer sie in Kauf nehmen muss. Das muss sicherlich im Einzelfall entschieden werden. Im Sinne der Verkehrswende geschieht das ja auch schon gelegentlich im Sinne der Fahrradfahrer.
Ich kann noch eine sehr nervige Stelle beisteuern:
Fährt man stadtauswärts auf dem Bodenseeradweg entlang der Bahnlinie zwischen den Haltestellen Fürstenberg und Wollmatingen muss man den von rechts aus einer Bahnunterführung kommenden Fahrradfahrern Vorfahrt gewähren. Diese sieht man aber wegen der Unterführung erst sehr spät. Ausserdem scheint es unangemessen, den Fahrradhighway derart von einer kleinen Einfahrt auszubremsen. Es konmmt hier regelmässig zu Verwirrungen.
Ein Spiegel würde die Stelle etwas übersichtlicher machen. Noch besser wäre aber eine sinnvolle Vorfahrtsregelung.
Neben gefährlichen Ecken gibt es auch viele hirn- und rücksichtslose Radfahrer. Auch das sollte mal bei aller Kritik an der Verkehrsplanung auch deutlich mehr angesprochen werden.
Auf viel befahrenen Straßen gehört eben KEIN Radweg hin. Diese gehören – auch mit ggf. in Kauf zu nehmenden Umwegen- neben/auf weniger befahrene Straßen. Ganz einfach ♂️