(K)eine Straße für Georges Ferber?
Daniela Frey von der Deutsch-Französischen Vereinigung Konstanz (DFV) schaltet sich in die Debatte um die Von-Emmich-Straße ein. Doch sie belässt es nicht beim Rückblick auf die Nachkriegszeit und die Rolle, die Georges Ferber damals spielte, sondern spricht sich wie auch Werner Allweiss für eine Leitlinie bei zukünftigen Umbenennungen aus. Womöglich eine Argumentationshilfe für die Gemeinderatssitzung am Donnerstag, auf der wohl die Umbenennung der Von-Emmich-Straße rückgängig gemacht wird.
„Wieso sollten wir jetzt den einen Militaristen gegen einen anderen Militaristen austauschen?“ Diese Worte einer Anwohnerin der Von-Emmich-Straße gehen mir seit der Informationsveranstaltung zur Umbenennung der Straße in Georges-Ferber-Straße ebenso wenig aus dem Kopf wie das mehrfach vorgebrachte Argument, dass der heute nicht mehr besonders große Bekanntheitsgrad Otto von Emmichs eine Umbenennung unnötig macht.
Verständlich ist, dass die Anwohner der Von-Emmich-Straße sich im Umbenennungsverfahren übergangen fühlen. Zudem ist der Zeitpunkt der Umbenennung – kurz nach Fertigstellung eines großen Neubaus, dessen Bewohner erst vor wenigen Monaten eingezogen sind – mehr als unglücklich gewählt. Dies vor allem angesichts der Tatsache, dass von Emmichs Biographie in Konstanz seit langem bekannt ist. Der Gemeinderat wird sich nun in der Sitzung am 28.06.2012 vermutlich doch gegen die Umbenennung der Straße aussprechen.
Doch was heißt das für die Zukunft? Verzichtet man dann künftig auf die Umbenennung einer Straße mit der Argumentation, dass der Mensch oder das Ereignis, nach dem sie benannt ist, heute sowieso weitgehend unbekannt ist und es deshalb keine Rolle mehr spielt, was in der Vergangenheit passiert ist? Mit der Argumentation, dass die Straßenbenennung im Spiegel ihrer Zeit betrachtet durchaus ihren historischen Wert hat? Möglich wäre das, sinnvoll meiner Meinung nach nicht.
Sinnvoll allerdings wäre, wie auch schon mehrfach angeregt wurde, eine klare Leitlinie zu formulieren, die festlegt, welche Kriterien für eine Straßenumbenennung erfüllt sein müssen, welche Straßen von den festgelegten Kriterien betroffen sind und auch wie weit man bei einer Straßenumbenennung in der Vergangenheit zurückgehen muss. Auf eine solche Leitlinie könnten sich die Verantwortlichen berufen und sähen sich nicht dem Verdacht der Willkür ausgesetzt, der zu Recht im Raum steht.
Rückblickend auf die Informationsveranstaltung hatte ich das Gefühl, dass manche auch in Georges Ferber den Schuldigen für die geplante Umbenennung sehen. De facto ist es aber doch so, dass beschlossen wurde, die Von-Emmich-Straße umzubenennen und nicht, dass diese umbenannt werden muss, weil Georges Ferber eine Straße braucht, die nach ihm benannt ist. Auch kann es nun nicht die Konsequenz aus dem Fall Helmle sein, dass fortan jeder unter Generalverdacht gestellt wird. Aus diesem Grund und zur Richtigstellung der Behauptung, (auch) Ferber sei ein Militarist gewesen, soll im Folgenden das Wirken von Georges Ferber in Konstanz dargestellt werden.
Wer war Georges Ferber?
Georges Ferber wurde 1915 im elsässischen Saverne geboren. Den 2. Weltkrieg verbrachte der studierte Altphilologe und Germanist als Offiziersanwärter in der Infanterie, bevor er dann in deutsche Kriegsgefangenschaft geriet. Nach der kampflosen Besetzung von Konstanz am 26.04.1945 war Ferber bei den ersten Verwaltungsfachleuten, die nach Konstanz kamen. Diese Beamten waren in sehr kurzer Zeit für die bevorstehende Aufgabe ausgebildet worden. Bevor sie nach Deutschland kamen, versah man sie mit einem militärischen Offiziersrang und der dazugehörigen Uniform. Die Gründe dafür benennt Lothar Burchardt im sechsten Band der Konstanzer Stadtgeschichte: Die Beamten agierten in einem hauptsächlich militärischen, hierarchisch gegliederten Umfeld, in welchem die Dienstgrade eine überaus bedeutende Rolle spielten. Zudem wollte man den Verwaltungsfachleuten durch die Uniform den Anfang im uniformfreudigen Deutschland erleichtern.
Ferber hatte sich freiwillig gemeldet, um beim Aufbau der Zivilverwaltung im Nachkriegsdeutschland zu helfen. „Er wollte“, wie Brigitte Weyl in einem Artikel schreibt „das Land seiner Studien selbst kennenlernen (…)“[1]. Bisher waren seine Aufenthalte in Deutschland kurz gewesen: Als Student war er einmal nach Berlin gereist und bisweilen war er vom Elsass über die Grenze gefahren – auch um Briefe von jüdischen Freunden mit nach Frankreich zur Post zu nehmen.
Sechs Jahre lebte Ferber, betraut mit kulturellen Aufgaben, zusammen mit seiner Familie in Konstanz und nahm entscheidenden Einfluss auf die Wiederentstehung der Presse, das kulturelle Leben und die positive Entwicklung der deutsch-französischen Beziehungen in der Stadt.
Die Gründung des Südkuriers
Das nach dem Krieg in allen Besatzungszonen verhängte Publikationsverbot führte dazu, dass die Bevölkerung nur noch sporadisch informiert wurde. Meist geschah dies in Form von zweisprachigen “Avis“ in Plakatform, die „Par Ordre du Gouvernement Militaire“ Befehle erteilten. Doch bereits im Frühsommer 1945 begannen viele Deutsche in verschiedenen Städten Anträge zur Gründung einer Zeitung zu stellen. In Konstanz war es der aus Berlin stammende Johannes Weyl, der bereits im August 1945 die Erteilung einer Lizenz zur Gründung einer Zeitung in Aussicht gestellt bekam. Dass dies so schnell ging, war Georges Ferber zu verdanken, der der Ansicht war, dass die Stadt nicht länger ohne Zeitung auskommen könne. Er setzte sich bereits früh bei seinen Vorgesetzten für die Gründung einer Lokalzeitung in Konstanz ein und wartete auch gar nicht erst die offizielle Genehmigung aus Freiburg ab, um mit der Arbeit an der ersten Ausgabe des Südkurier zu beginnen. Diese konnte dann bereits am 7. September 1945, mit dem Datum vom 8. September erscheinen, obwohl erst einen Tag zuvor die offizielle Erlaubnis aus Freiburg eingetroffen war.
Das kulturelle Leben nach Kriegsende
Von den ca. 300 Theatern, die es vor dem 2. Weltkrieg in Deutschland gegeben hatte, haben nur zehn, darunter das Konstanzer Stadttheater, den Krieg unbeschadet überstanden. Es gelang deshalb nach dem Krieg, bekannte Schauspieler nach Konstanz locken, die in Zeiten größeren Angebots nie an den Bodensee gekommen wären. Innerhalb der Bevölkerung war das Interesse am Theater und allgemein an Kultur sehr groß, da man sich nach den Kriegsjahren Abwechslung und Unterhaltung wünschte.
Ein besonderes Event stellte 1946 die Konstanzer Kulturwoche dar. Diese Kulturwoche kann als erstes Beispiel einer erfolgreichen deutsch-französischen Zusammenarbeit in Konstanz gewertet werden: Auf deutscher Seite waren der Apotheker Bruno Leiner und seine Tochter Sigrid von Blanckenhagen, auf französischer Seite Georges Ferber für die Organisation verantwortlich. Unter schwierigen Voraussetzungen schaffte man es, diese Kulturwoche auf die Beine zu stellen. Das Herzstück war eine Ausstellung, in der viele Bilder von in der NS-Zeit verbotenen Künstlern ausgestellt wurden. Von Georges Ferber wurde die Ausstellung zusätzlich – teils unter schwierigen Umständen – mit Bildern aus französischen Beständen bestückt. Auf dem Programm der Kulturwoche fanden sich außerdem Konzerte, Theaterstücke, Filme und Autorenlesungen. Ein besonderes Highlight stellte die deutsche Uraufführung von Bertolt Brechts Mutter Courage dar, zu der Brecht das erste Mal wieder nach Deutschland reiste. Die Konstanzer Kulturwoche wurde über die Region hinaus bekannt. Sowohl in- als auch ausländische Zeitungen berichteten positiv über das Ereignis, und die deutschen und französischen Verantwortlichen waren mit dem Ergebnis außerordentlich zufrieden.
Die Gründung der Deutsch-Französische Vereinigung Konstanz (DFV)
Georges Ferber war auch maßgeblich an der Entstehung der DFV beteiligt. Die Organisation der Kulturwoche 1946 erfolgte noch unter Gouverneur Marcel Degliame, der sehr streng nach den französischen Besatzungsprinzipien handelte. Ferber hatte dazu aber seine eigene Meinung, wie er bei einer Veranstaltung 1999 in Konstanz erklärte: „Ihm sei“ wie im Bericht des Südkuriers zu lesen ist „jedoch schon damals der Gedanke an eine „verordnete“ Kultur fremd gewesen. Kulturpolitik sei immer eine Entscheidung darüber, was kulturell wertvoll sei und was nicht.“[2]
Degliames Nachfolger André Noël hingegen war wie Ferber ein Mann, der sich in Konstanz für eine Verbesserung der deutsch-französischen Beziehungen einsetzte. So kam es unter ihm zur Gründung des Europahauses in der Mainaustraße. Diese Begegnungsstätte diente der deutsch-französischen Verständigung, und viele kleine Vereine waren dort ansässig. Kulturelle und politische Veranstaltungen fanden im Europahaus ebenso statt wie Barabende und andere Feierlichkeiten. Auf Betreiben von Ferber und Noël wurde im Europahaus 1948 auch der sogenannte Club 49 gegründet, der ein deutsch-französisches Begegnungszentrum werden sollte.
Ferber erzählte dazu im Jahr 2000 in einem Interview mit dem Südkurier: „Ich wollte mit dem Club die Möglichkeit bieten, dass Deutsche, Franzosen und andere sich außerhalb des oft schwierigen Alltags formlos treffen konnten (…).“[3] Aus dem Club 49 heraus entstand 1950 die DFV Konstanz. Sie war eine der ersten Deutschfranzösischen Vereinigungen in Deutschland und zur Gründungsveranstaltung erschienen 150 Personen, die einen deutsch und französisch besetzten Vorstand wählten, dem auch Noël und Ferber angehörten. Am Ende des Jahres 1950 hatte der Verein fast 750 Mitglieder. Das Europahaus musste leider 1954 aufgrund finanzieller Probleme schließen, die DFV aber besteht bis heute.
Ferber verließ Konstanz Ende 1950, als er nach Bad Godesberg versetzt wurde. Jedoch blieb er der Stadt immer stark verbunden und besuchte sie häufig. Die verschiedenen Feierlichkeiten der DFV, andere kulturelle Anlässe und Veranstaltungen über die Besatzungszeit boten ihm immer wieder Gelegenheit, an den Bodensee zu reisen. Georges Ferber verstarb Ende 2002 in seiner Geburtsstadt.
An dieser Stelle kann nur eine Übersicht über die Zeit von Ferbers Leben gegeben werden, die für eine mögliche Straßenbenennung in Konstanz relevant ist. Für eine ausführlichere Biographie ist ohnehin mehr Recherche nötig. Die DFV wird diese Aufgabe gerne annehmen – aus Interesse am Leben von Georges Ferber.
Autorin: Daniela Frey
für die DFV Konstanz
[1] Weyl, Brigitte, Deutschland mit der Seele suchen. Zum Tod von Georges Ferber am 30. Dezember 2002, in: Hallo Bonjour. Zeitschrift der Deutsch-Französischen Vereinigung Konstanz, 9. Jahrgang Nr. 36.
[2] Erinnerungen an die „schöne Not“. Konstanzer Kulturwochen 1946-Zeitzeugen im Gespräch, in: Südkurier 10.05.1999.
[3] Heranreifen statt glücklicher Einfall. Deutsch-Französische Vereinigung wird 50, in: Südkurier 01.02.2000.
Weitere Links:
Ein preußischer Kriegsheld und die lokale Erinnerungskultur
Sehr geehrte Fraun Frey,
als frankophon eingestellter Bürger ( Ich habe 7 Jahre mit meiner Familie in Frankreich gelebt und gearbeitet und bin Mitglied in der DFV) und als unmittelbar Betroffener( ich wohne in der Von-Emmich-Straße, möchte ich auf die folgenden Punkte hinweisen:
1. Prof. Burghard hat in der besagten Veranstaltung auf die geschichtlichen Zusammenhänge hingewiesen. Eine Verunglipfung des Otto von Emmich ist dort unterblieben.
2. Der Veranlasser Stadtrat Allweis hat hier einen klaren Rückzieher gemacht, weil seine geschichtlichen Angaben nicht stimmten.
3. Dass die Nazis die Umwiedmung vorgenommen haben und den von Emmich ausgegraben haben ist mehr als nur ein Schönheitfleck aber hat eben auch einen geschichtlichen Hintergrund. Ich wohne knapp 10jahre in der Straße und in Konstanz und habe auf meine Frage: Wer der Herr von Emmich sei, nie eine Antwort bekommen. es hat bis auf einen geschichtsbewussten Nachbarn niemand intweressiert.
4.Kein Mensch der gegen die Namensänderung ist hat etwas gegen Herrn Ferber. Trotzdem ist die Frage legitim: Was hat Herr Ferber vor seiner Entsendung nach Konstanz gemacht? Im ersten Weltkrieg gab es manigfaltige Verstöße gegen das Kriegsrecht auch auf französischer Seite. Verdun ist dafür ein beredtes Zeichen.
5.Ich bin sicher, der Stadtrat und seine Benamungskommission werden eine würdige Lösung für den verdienten Herr Ferber finden.
6. Zu wünschen wäre ein besseres Timing, etwas mehr Humor ( siehe Gertaud von Emmich die Kinderbuchautorin) Ha, ha und keine Verbreitung von Falschaussagen und Halbwahrheiten, die Herr Allweis nicht nur bei seinen Stadtratskollegen und in der Presse verbreitet hat.
Ich wünsche Ihnen weiterhin viel Freude an Ihrer Arbeit.
Avec tous mes sentiments
Stefan Bolenius