Woyzeck am Theater Konstanz

Woyzeck am Theater KonstanzEin Klassiker feiert am 20. Januar im Stadttheater Konstanz Premiere – „Woyzeck“, in der Regie von Nina Mattenklotz. Mit gerade einmal 23 Jahren schrieb Georg Büchner ein poetisches, bildgewaltiges und zutiefst berührendes Bühnenfragment, basierend auf realen, genau recherchierten Fällen. Nun kommt es auf die Konstanzer Bühne.

Die Frage nach der Verantwortung, dem eigenen und dem anderen Leben gegenüber, trieb den jungen Mediziner, Forscher, Revolutionär und Schriftsteller Georg Büchner um. „Der Mensch ist ein Abgrund, es schwindelt einem, wenn man hinabsieht“, lässt Büchner seinen Woyzeck erkennen und liefert ihm damit die Einsicht in die Spannung, der er selbst ausgesetzt ist. Woyzeck scheitert gnadenlos an seinem Versuch, sich in ein gutes Verhältnis zur Welt zu setzen.

Woyzeck ist ein Außenseiter: finanziell an den untersten Rand der Gesellschaft gedrängt, von Vorgesetzten gedemütigt, von der Wissenschaft zum Studienobjekt gemacht und missbraucht. Er ist dem radikalen Mangel an Empathie seiner Umwelt ausgeliefert, bis die Welt ihm selbst zum Fragment wird und er schließlich aus dem sozialen Gefüge herausfällt. Doch Woyzeck ist nicht nur das Opfer sozialer Verhältnisse oder ein pathologischer Musterfall. Er schlägt zu(rück). Woyzeck ermordet Marie. Seine Marie, wie er meint.

Was ist mit Marie? Wie würde sie ihre Geschichte erzählen? „Ich bin Marie. Ich bin die Frau, die Marie war. Die Frau, die ich war, wurde von ihrem Mann ermordet.“ Wenn Woyzeck ein Opfer der Verhältnisse ist, so ist doch Marie sein Opfer und darüber hinaus ebenfalls ein Opfer der Verhältnisse. Zeit also, den Blick auf sie zu richten! Regisseurin Nina Mattenklotz nimmt die Infragestellung sozialer Klassen und geschlechterspezifischer Herrschaftsverhältnisse in Familie, Liebe und Arbeit in das Zentrum ihrer Inszenierungen. Gemeinsam mit Dramaturgin Meike Sasse und ihrem Team präsentiert sie auf der Konstanzer Bühne eine Fassung, die den Blick auch auf Marie lenkt: „Die Frau, die ich war, war keine schöne Leiche und ihr Mord war Mord. Der Mann, der mein Mann war, ermordete mich, um mich zu besitzen.“

Obwohl ein Fragment, ist Büchners „Woyzeck“ gegenwärtig das weltweit erfolgreichste deutschsprachige Bühnenstück. Büchner hat es mehrfach überschrieben und reale Fälle eingearbeitet. So hat der Eifersuchtsmord des ehemaligen Soldaten Johann Christian Woyzeck an der Witwe Johanna Christian Woost in Leipzig am 2. Juni 1821 – nicht nur in der Namensgebung – seine Spuren hinterlassen. Woyzeck war durch den Leipziger Psychiater Clarus für schuldfähig erklärt und 1824 hingerichtet worden. Liberale Psychopathologen erkannten bei Woyzeck allerdings eingeschränkte Willensfreiheit und Schuldunfähigkeit. Büchner hat sich in diesen Fall eingearbeitet und zeigt in seinem Drama die destruktiven Folgen der Lebensumstände Woyzecks auf.

Hier noch einmal die Frage nach Marie und ihrer Rolle: Meist steht bei den Aufführungen Woyzeck als Unterdrückter im Mittelpunkt, dessen Tat in seinen krassen Lebensverhältnissen begründet liegt. Doch auch Marie lebt in diesen Verhältnissen. Und Büchner hat sie als für die damalige Zeit kraftvolle Frau beschrieben, mit einem Hunger nach Leben und ihrem Wunsch, selbstbestimmt und frei zu leben. Woyzeck hätte eine Wahl gehabt, war aber gefangen in seinen Konventionen. „Die Frau, die ich war, empfand keine Schuld“, so sagt die Marie.

Büchners „Woyzeck“ ist auch dieses Jahr „Sternchenthema“ bzw. Schwerpunktthema im Abiturleistungskurs in Baden-Württemberg. Deshalb bietet das Theater Konstanz zusätzlich zu den Abendvorstellungen auch Vormittagsvorstellungen speziell für Schulen an.

Online: https://www.theaterkonstanz.de
Text: Theater Konstanz
Bild: Ilja Mess