Grundsteuererhöhung: Droht eine „Syltisierung“?
Obwohl erst rund 60 Prozent der Grundbesitzer:innen die im Zusammenhang mit der Änderung ab 2025 geforderte Steuererklärung abgegeben haben, erhalten die ersten inzwischen die Bescheide vom Finanzamt. Und die lassen nichts Gutes erwarten. Dazu ein Kommentar.
Zugegeben, es gibt zur Zeit wahrscheinlich unmittelbar Bedrohlicheres als die Grundsteuererhöhung, die jetzt in zwei Schritten vor uns liegt: Erstens zum Jahr 2024 mit der Steigerung des Hebesatzes von 410 auf 510 Punkte, wie von einer Mehrheit des Konstanzer Gemeinderats vorgeschlagen. Und zweitens durch die vom Bundesverfassungsgericht zum Jahr 2025 angeordnete Änderung der Berechnung dieser Steuer.
An einem konkreten und belegbaren Beispiel kann die sich abzeichnende, dramatische Entwicklung aufgezeigt werden.
Für ein Grundstück in Konstanz Petershausen wurde per Grundsteuerbescheid der Stadt für das Jahr 2022 ein Messbetrag von 51,31 Euro festgelegt, aus dem sich, zusammen mit dem Hebesatz von 410 Prozent, eine Grundsteuer über 210,37 Euro für dieses Jahr errechnet. Für das Jahr 2024 beläuft sich diese dann durch die Anhebung des Hebesatzes auf 510 Prozent voraussichtlich auf 261,68 Euro.
Für das selbe Grundstück legt das Finanzamt Konstanz jetzt mit dem Grundsteuermessbescheid ab 01.01.2025 diesen Steuermessbetrag auf 580,58 Euro fest. Dieser Betrag ist das ca. 11fache des bisherigen Basisbetrags. Ein Hebesatz ist damit noch gar nicht verbunden, da dieser erst noch vom Stadtparlament festgelegt werden muss. Eine Entscheidung steht noch aus, aber es steht zu befürchten, dass dieser Hebesatz auch kommen wird.
Würde man davon ausgehen, dass der bisherige Messbetrag von 510 Prozent fortgeschrieben würde, käme man auf einen neuen Grundsteuerbetrag vom 2960,96 Euro.
Utopie? – Hoffentlich!
Ob es dazu kommt, muss abgewartet werden. Offensichtlich läuten aber schon die Alarmglocken in der Verwaltung, denn gleich in zwei aktuell veröffentlichten Pressemitteilungen verweist die Kämmerei drauf, dass alles ja noch offen wäre und bislang keiner sagen könne, wie hoch die Grundsteuer ab 2025 tatsächlich wäre. (Amtsblatt Konstanz, 14.01.2023, Seite 6 – Und SÜDKURIER – Ausgabe Konstanz – vom 14.01.2023, Seite 20)
Klar ist aber, dass die Stadt, wollte sie ihren Bürger:innen nur eine ähnlich hohe Belastung per Grundsteuer auferlegen wie bislang, mindestens gar keinen Hebesatz anlegen dürfte oder sogar einen negativen Hebesatz anwenden müsste. Denn der neue Steuermessbetrag liegt ja ohnehin schon über dem derzeitigen Grundsteuerbetrag, in den ein Hebesatz eingerechnet wurde. (Also doch Utopie?) – Übrigens: Die Städte dürfen einen Hebesatz festlegen, das ist gerichtlich geklärt; dürfen – aber müssen nicht!
Hinter all diesen Zahlen verbirgt sich leider mehr als nur die Neuberechnung einer Grundsteuer. Es ergibt sich ein sozialer Sprengstoff, der letztendlich alle trifft, denn die Grundsteueranhebung wird alle treffen: Grundbesitzer:innen, Wohnungseigentümer:innen und – das wird leider zu oft vergessen – auch die Mieter:innen, da diese über die Nebenkostenabrechnung zur Kasse gebeten werden. Auf alle kommen also Mehrkosten zu. Und das in einer wirtschaftlichen Situation, in der es vor Preisanstiegen nur so wimmelt und viele Menschen schon jetzt nicht mehr wissen, wie sie mit dem Geld auskommen sollen.
Es steht zu befürchten, dass sich immer weniger Menschen Konstanz leisten können werden. Vor allem dann, wenn der Hebesatz für Konstanz weiterhin so exorbitant hoch bleibt. Der durchschnittliche Hebesatz in Deutschland liegt bei 386 Prozent. Das sind 124 Prozent weniger als in der Konzilstadt.
Wenn Rat und Verwaltung hier nicht aufpassen, steht der Stadt eine „Syltisierung“ bevor. Eine Entwicklung hin zu einem beliebten Ferienort, an dem sich Wohnen aber nur noch sehr betuchte Menschen leisten können.
Es wird also sehr von den anstehenden Entscheidungen in der Verwaltung und im Gemeinderat davon abhängen, ob Konstanz auch weiterhin eine soziale Ausrichtung ihrer Lebensqualität erhalten will.
Text: Jürgen Ritter
Symbolbild: Pixabay