Zylla zieht zurück
(hpk) Das enttäuschende Ergebnis im ersten Wahlgang mit 14,3 Prozent hat ihn entmutigt: Sven Zylla, SPD, tritt im zweiten Wahlgang der Konstanzer OB-Wahl nicht mehr an. Und er verzichtet auf eine Wahlempfehlung für einen anderen Kandidaten. Damit wird das Kandidaten-Karussell neu gedreht: Sollte nur die Hälfte der Zylla-Wähler ins Lager der Grünen wechseln, hätte Sabine Seeliger den Abstand zu den Spitzenreitern Reiser und Burchardt schon aufgeholt. Aber auch: Wechselt die andere Hälfte zu Burchardt, läge der deutlich an der Spitze der Kandidatenschar. Wer will, mag das spannend finden.
Ich kann nur hoffen, dass neben den „drei Favoriten“, den drei „Großen“, noch weitere Kandidaten im Rennen bleiben werden, um nicht einen ungültigen Stimmzettel abgeben zu müssen, wenn man weder von Reiser, Burchardt noch Seeliger überzeugt ist.
Frau Seeliger hat viele Fundamentalgrüne überzeugt, auf vielen nicht-ökologischen Gebieten aber wenig Kompetenz bewiesen. Gerade im Bereich Kultur waren ihre Ansagen lasch, im Hinblick auf ein schlüssiges Verkehrskonzept setzte sie allein auf die Wunderlösung „City-Maut“. Ein OB muss nicht auf allen politischen Themenfeldern fit sein – doch etwas mehr als Umweltfragen dürften es schon sein, von denen der künftige Rathauschef eine Ahnung haben sollte.
Frau Reiser bringt zwar vielfache Verwaltungserfahrung mit, man fragt sicht jedoch, was sie nach zahlreichen Stellenwechseln nun nach Konstanz treibt. Eine ganz überzeugte Kandidatur war das für mich nicht, eher eine Flucht oder der Druck, sich hier bewerben zu müssen. Entsprechende Unsicherheit konnte Reiser bis zum Schluss nicht ablegen, die Spaltung des bürgerlichen Lagers wird ihr von Vielen zum Vorwurf gemacht. Und dass sie sich stark konservativ gibt, mag in manchen ländlichen Vororten und Alteingesessenen Punkte bringen – eine Universitätsstadt braucht aber Moderne, und sei es nur ein Anstrich davon.
Und schließlich ist auch der aufholende Uli Burchardt nicht das, was er verspricht: Bürgernähe will er bieten, aber das vor allem über die „Online Kommunikation“, wie er sagt. Persönliche Gespräche scheut er wohl eher. Dabei war er der einzige Kandidat, von dem ich im gesamten Wahlkampf keinerlei Antwort auf meine Mails bekommen habe, die nach inhaltlichen Positionen fragten. Wer nur „twittert“, der ist aus meiner Sicht für den OB-Posten nicht geeignet. Abgesehen davon, dass die deutliche Nähe zu den Unternehmen, Gewerbetreibenden und Selbstständigen Burchardts wortschaftsliberale Haltung eindeutig unterstreicht – und die vom Mittelstand und der Elite der Stadt erwidert wird; da fehlt mir die Stimme, die das Wort für die ergreift, die es auch im Wohlstands-Konstanz gibt, die sozial Schwachen, die kinderreichen Familien oder die Behinderten und Minderheiten.
Ich setze darauf, dass der Wähler noch Alternativen zu den Kandidaten bekommt, die fröhlich von Plakaten und in Annoncen lächeln.
Respekt für Sven Zylla! Nach dem sehr mageren Zuspruch im ersten Wahlgang ist sein Rückzug nur konsequent.
Lang ist es her, da haben die Sozialdemokraten einmal versucht die Wählerinnen und Wähler mit einer Seife als Wahlgeschenk „einzuseifen“. Mit seinen 1000 trockenen Frühstücksbrötchen kurz vor dem Wahlgang war Zylla in Konstanz offensichtlich auch nicht besonders erfolgreich.
Dass er nun nach seinem Rückzug keine Wahlempfehlung ausspricht, mag vermutlich auf die Gemütslage der gebeutelten SPD als Juniorpartner der Grün geführten Landesregierung zurückzuführen sein. Man weiss es nicht …
Immerhin bedeutet Zyllas Rückzug eine neue Herausforderung und Chance für Sabine Seeliger!
Sie sollte das m.E. dahingehend aufgreifen, um ihr Profil in sozialen Fragen zu stärken.
Ich habe sie im ersten Wahlgang gewählt und werde das auch im zweiten tun. Und ich hoffe dass viele NichtwählerInnen und Zylla-WählerInnen Sabine Seeliger wählen werden.
Es wird jetzt auf einen Lagerwahlkampf hinauslaufen, bei dem sich die FavoritInnen deutlicher positionieren müssen.
Sabine Reiser, mit ihren austauschbaren Worthülsen, wäre die pure Katastrophe für Konstanz.
Die Konstanzerinnen und Konstanzer sind jetzt aufgefordert sich für Uli Burchardt oder Sabine Seeliger zu entscheiden!
Stefan Frommherz