Gemeinderat übt sich in Arbeitsverweigerung

Der Juni war kein Sahnemonat des Konstanzer Gemeinderats. Erst platzte am 14. die Sitzung schon nach zehn Minuten, dann wurden am 28. etliche Tagesordnungspunkte nicht behandelt, weil die Damen und Herren ein Fußballspiel nicht verpassen wollten. Das grenzt an Arbeitsverweigerung – anderswo ein Kündigungsgrund. Wichtige Themen blieben auf der Strecke, so z.B. die Diskussion um die Von-Emmich-Straße. Wir dokumentieren hier, was dazu hätte gesagt werden können, wenn die Räte ihren Arbeitsauftrag ernst genommen hätten.

Werner Allweiss (FGL) konnte noch erläutern, warum er für die Umbenennung gekämpft hatte. Andere Beiträge wurden dann abgeblockt. Zum Beispiel diese:

 

FWG-Stadtrat Anselm Venedey zur Umbenennung der Von-Emmich-Straße

Herr Oberbürgermeister, liebe Kolleginnen und Kollegen;

Wir, die Mitglieder der Strassenbenennungskommission, haben einen Fehler gemacht. Wir haben die Anwohnerinnen und Anwohnern der Von-Emmich-Straße nicht rechtzeitig in den Umbenennungsprozess einbezogen und vielleicht ist im Hinblick auf den schnellen Baufortschritt am Petershauser Bahnhof sogar die Umbenennung zu spät diskutiert worden, viele neue Wohnungen an der von Emmich Strasse sind inzwischen bezogen.

Doch die Entscheidung, die von Emmich Strasse umzubenennen, bleibt richtig: Von Emmich steht für das deutsche Kaiserreich, für Militarismus, für den Glauben, dass es bessere und schlechtere Völker gebe. Dazu wurde sein Name durch die deutschen Faschisten benutzt, um die Geschichtsschreibung zum 1. Weltkrieg umzudeuten.

Damit steht von Emmich eben nicht für das von uns so oft zitierte Bild von der weltoffenen Gesellschaft, vom friedlichen Miteinander, vom gemeinsamen Einstehen gegen Rassismus, wie ihn der Gemeinderat auch heute wieder auf der Tagesordnung hat. Doch die Anwohnerinnen und Anwohner wollen den Namen behalten. Nein, nicht weil sie das, wofür der Name steht, als richtig erachten. Sie sind dagegen, weil die Umbenennung Kosten verursacht, aufwändig ist oder auch weil es ihnen einfach egal ist, wer von Emmich war.

Heute lesen wir in der Tagespresse, dass immer mehr Jugendliche den Unterschied zwischen Diktatur und Demokratie nicht mehr kennen. Gerade in diesen Zeiten ist es wichtig, dass die gewählten Vertreter in den politischen Gremien Zeichen setzen, und eine wichtige Kontrollfunktion stellvertretend übernehmen. Diese Funktion hat die Kommission, die ja eigens dafür eingesetzt ist, verantwortungsbewusst übernommen.

Ich glaube nicht, dass die Anwohnerinnen und Anwohner bereit für eine Umbenennung gewesen wären, wenn sie früher beteiligt gewesen wären. Hätten wir uns dann anders entschieden? Ich hoffe nicht. Die Politik ist verpflichtet, auch unpopuläre Entscheidungen zu treffen, wenn diese nötig sind. Denken Sie nur an die Gewerbesteuererhöhungen, die wir hier im Gremium vor nicht allzu langer Zeit beschlossen haben. Glauben Sie, die betroffenen Unternehmer hätten der Gewerbesteuererhöhung mehrheitlich zugestimmt? Sie war trotzdem richtig!

Und so gibt es eben auch Bereiche, bei denen die Bürgerbeteiligung an Grenzen stößt. Wenn es ums historische Bewusstsein unserer Stadt geht, dann sind wir gewählte Vertreter verpflichtet, das Ansehen unserer Stadt zu schützen und notfalls eben auch eine unpopuläre Entscheidung zu treffen. Eine solche hat die Straßenbenennungskommission und anschließend auch der Gemeinderat getroffen. Lassen Sie uns diese richtige Entscheidung nicht wieder revidieren, sondern lassen Sie uns die Umbenennung bestätigen und lassen Sie uns den betroffenen Anwohnern helfen, die Umbenennung möglichst unbürokratisch und schnell annehmen zu können.

LLK-Stadtrat Holger Reile zur Umbenennung der Von-Emmich-Straße

Werte Kolleginnen und Kollegen,

Da die wesentlichen Argumente schon vorgetragen wurden – Dir, lieber Werner Allweiss herzlichen Dank für Deine umfangreiche Aufklärungsarbeit in diesem Fall – möchte ich mich kurz fassen.

Wir sind weiterhin dafür, dass die Von-Emmich-Straße, wie hier beschlossen, umbenannt wird. Die Gründe dafür sind hinreichend vorgetragen.

Richtig ist, dass es versäumt wurde, die Anwohner rechtzeitig zu informieren. Das muss in Zukunft anders laufen.

Aber: Auch die Anwohner haben sich reichlich Zeit gelassen, auf diese Unterlassung unsererseits frühzeitig zu reagieren. Das Thema ging monatelang durch alle Medien und dann so zu tun, als sei man von der Umbenennung überrascht worden – das halte ich eher für einen vorgeschobenen Grund.

Auch manche andere, sogenannte Gründe, die gegen eine Umbenennung sprechen sollen, sind nur schwer nachzuvollziehen. Emmich kenne ja sowieso keiner mehr, also könne man das auch lassen.

Das ist kein verwertbares Argument, außer, man hat sich der absoluten Geschichtsverweigerung verschrieben. Ich finde es ausgesprochen gut, wenn wir neuere Erkenntnisse über Namensgeber für Straßen oder Plätze diskutieren und dann auch darüber entscheiden.

Es zeichnet sich ab, dass hier eine Mehrheit die Umbenennung rückgängig machen will. Für diesen Fall beantragen wir, dass am Emmich-Straßenschild zumindest eine Tafel angebracht wird, die über den militaristischen Hintergrund von Emmichs deutlich aufklärt.

Desweiteren unterstützen wir den Vorschlag, Leit- und Richtlinien zu verfassen, wie wir zukünftig mit dem Thema umgehen. Es stehen noch weitere Umbenennungen an: Raggenbass, evt. Moltke, Hindenburg, Bismarck, Gröber und einige andere. Das wird sicher nicht einfach, denn wo setzen wir an, wo ziehen wir die Grenze? Nur soviel: Die Sigismundstraße ist nach einem König und späteren Kaiser benannt, der vor rund 600 Jahren Jan Hus hat meucheln lassen. Dafür würde er heutzutage lebenslang mit anschließender Sicherungsverwahrung bekommen. Aber kaum jemand erinnert sich daran, wenn er durch diese Straße läuft. Interessiert uns das oder ist das schon zu lange her und wir reden nicht darüber? Auch dort könnte ich mir eine kleine Erklärungstafel vorstellen ebenso wie am steinernen Krieger an der Cherisy-Kaserne, der auf einen völlig sinnlosen Krieg verweist. Steigen wir in die Debatte erst ab dem 19.Jahrhundert ein oder noch später? Diese Leitlinien müssen schnell erarbeitet werden. Vorschläge, bei Straßenumbenennungen auf unverdächtige Bezeichnungen aus dem Tier- und Pflanzenbereich zurück zu greifen, sind wohl nicht ernst gemeint.

Denn auf keinen Fall möchte ich, dass ein Ortsunkundiger, der beispielsweise sein Navi bemüht, um sich in der Stadt zurecht zu finden und seinen Zielort sucht, dann folgende Ansage bekommt: „Biegen Sie nach hundert Metern rechts in die Veilchenstraße ein – die nächste links bitte in den Giraffenweg – nach wiederum 50 Metern erreichen sie ihren Zielort: Herzlich willkommen in der Ameisenallee“

Willkommen in einer geschichtslosen Stadt? Das, Kolleginnen und Kollegen, kann es nicht sein.