Ein großer Riss im eingetrübten Herzen der Romantik
Ein Hauptwerk jenes Komponisten, der so konsequent an der Schwelle zwischen Romantik und Moderne stand wie kaum ein anderer heute noch bekannter Tonschöpfer, ist der einzige Programmpunkt im nächsten Konzert der Südwestdeutschen Philharmonie in Konstanz und Radolfzell: Mahlers umwerfende 5. Sinfonie.
„Es ist nach Disposition der Sätze (von denen der gewöhnliche I. Satz erst an 2. Stelle kommt) schwer möglich von einer Tonart der »ganzen Symphonie« zu sprechen, und bleibt um Mißverständnissen vorzubeugen, lieber eine solche besser unbezeichnet. (Der Hauptsatz (Nro 2) ist in A-moll – das Andante (Nro 1) ist in Cis-moll.)
Man nennt die Symphonie nach dem Hauptsatz – aber nur wenn er an erster Stelle steht, was bisher immer der Fall war – mit einziger Ausnahme dieses Werkes.
Hochachtungsvoll Mahler“ [23.07.1904, an seinen Verlag Peters]
Das gibt zu denken Anlass … Angesichts derartiger Verwicklungen ihrer Architektur (sie ist zudem fünf- und nicht wie lange üblich viersätzig) ist es wohl kein Wunder, dass Mahlers 5. Sinfonie beim Publikum zuerst auf wenig Anklang stieß – zu viele Neuerungen waren schon damals in den Konzertsälen dieser Welt das reinste Kassengift.
Auf der anderen Seite nahm Mahler aber auch durchaus auch hörbaren Bezug auf die Tradition, denn etwa zur Zeit ihrer Komposition beschäftigte er sich im Sommer 1901 mit Bach: „Unsagbar ist, was ich von Bach immer mehr lerne … meine Art zu arbeiten ist Bachisch.“
Das damalige Publikum goutierte das alles trotzdem nicht, und so resümierte Mahler noch Jahre später: „Die Fünfte ist ein verfluchtes Werk. Niemand capiert sie.“
Mahler (1860-1911), der einer der ersten internationalen Klassikstars war, hatte beiderseits des Atlantiks als Dirigent und Opernreformer größten Erfolg. Als Komponist allerdings blieb er lange im Schatten etwa von Richard Strauss. Progressive Musiker wie Schönberg und Berg waren seine enthusiastischen Anhänger, aber der echte Erfolg beim breiten Publikum blieb – auch aufgrund der nationalsozialistischen Verbots- und Verleumdungspolitik – aus. Nach 1945 wendete sich das Blatt dann langsam, und heute ist Mahler als Klassiker anerkannt, wird allerdings nur von einigen wirklich geliebt und gehört. Seine Musik wird noch immer als zu umbrüchig, zu intelligent und zu lang empfunden, während sie im linken Lager lange als dekadent galt, als typisch bürgerlich eben. Und doch ließ sich wohl selbst Schostakowitsch auch von Mahler inspirieren.
Mahlers 5. hat insofern ein besonderes Schicksal, als ihre Bekanntheit vor allem auf einem einzigen Satz beruht, dem „Adagietto“, das in Viscontis Film „Der Tod in Venedig“ als Filmmusik reüssierte. Wahrscheinlich ist dieses „Adagietto“ überhaupt das einzige Stück von Mahler, das überhaupt einige Bekanntheit genießt, obwohl dessen überragende Sinfonien 6, 7 und 9 erst noch folgen sollten.
Wann & Wo: Freitag, 24. März um 19.30 Uhr, Sonntag, 26. März um 18 Uhr und Mittwoch, 29. März im Konzil Konstanz. Dienstag, 28. März um 19.30 Uhr im Milchwerk Radolfzell.
Wie: Karten sind beim Stadttheater Konstanz (07531 900-2150), bei der Südwestdeutschen Philharmonie (Mo-Fr 9.00 Uhr bis 12.30 Uhr) und bei der Tourist-Information am Hauptbahnhof sowie in allen Ortsteilverwaltungen erhältlich. Tickets können hier auch bequem im Internet gekauft werden.
Karten für das Konzert im Milchwerk sind auch bei der Tourismus- und Stadtmarketing Radolfzell GmbH (07732 81-500) und unter reservix.de erhältlich.
Text: Harald Borges
Bild: Der Dirigent Emmanuel Tjeknavorian, fotografiert von Uwe Arens
Quellen:
– Gustav Mahler, Briefe. Herausgegeben von Herta Blaukopf, Wien 1996.
– Peter Revers, Mahlers Sinfonien. Ein musikalischer Werkführer, München 2020.