Fahrradklima 2022: Konstanz weiter in der Spitzengruppe
Der zehnte Fahrradklima-Test des ADFC ermittelte in Deutschland eine gegenüber der letzten Umfrage 2020 verringerte Zufriedenheit auf Deutschlands Sätteln. Hier die Ergebnisse aus unserer Region.
Die Zahlen sind beeindruckend: An der Umfrage haben insgesamt rund 245.000 Menschen (wohl zumeist Radfahrer*innen) teilgenommen. Das sind 15.000 mehr als 2020 und so viele wie nie zuvor. 1.114 Städte und Gemeinden sind letztlich in die Wertung gekommen, denn je nach Einwohner*innenzahl muss eine Kommune eine bestimmte Mindestanzahl an Bewertungen erreichen, um ins Abschlussranking überhaupt aufgenommen zu werden.
In Baden-Württemberg nahmen an dieser Umfrage etwa 30.000 Menschen teil, in Allensbach waren es 67, in Singen 71, in Radolfzell 99, in Überlingen 148 und im traditionell fahrradstolzen Konstanz satte 572 – allerdings ist zu beachten, dass diese Umfrage nicht repräsentativ ist, sie spiegelt also nicht unbedingt die Meinung der gesamten Bevölkerung wider. Insbesondere die Autofahrer*innen dürften anders als die Radelnden die Infrastruktur für Fahrräder für viel zu gut halten und die Radwege breit genug finden, um ihr Auto darauf abzustellen.
Sehr unterschiedliche Ergebnisse
Die erwähnten Kommunen haben recht unterschiedlich abgeschnitten: In ihrer jeweiligen Größenklassen lagen Überlingen (20.000-50.000 Einwohner*innen) auf Platz 318 von 447 bundesweit bewerteten Gemeinden, Singen (20.000-50.000) auf Platz 68 von 447, Allensbach (<20.000) auf Platz 32 von 474 und Radolfzell (20.000-50.000) auf Platz 54 von 447. Einen echten Spitzenplatz nahm Konstanz ein: Bundesweit gab Platz 4 von 113 Örtern mit 50.000-100.000 Menschen, landesweit bedeutete das Platz 2 unter 16 Städten dieser Größenordnung.
Konstanz musste sich mit einer Schulnote von 3,3 (2018 gab es noch eine 3,1, 2020 eine 3,2) nur Nordhorn, Bocholt und Tübingen geschlagen geben und erzielte damit ein vergleichbares Ergebnis wie in den Vorjahren. Zum Vergleich: Die bundesweite Durchschnittsnote lag bei 3,96 – und das ist nicht mal befriedigend. Der ADFC resümiert denn auch: „So finden 80 Prozent die Radwege zu schmal, 72 Prozent sind mit den Falschpark-Kontrollen auf Radwegen unzufrieden und 70 Prozent der Befragten fühlen sich beim Radfahren nicht sicher.“
Kampf den Falschparker*innen
In dieser Hinsicht liegt Konstanz im Trend, denn miese Bewertungen gab es mit jeweils einer 4,2 für die mangelnde Falschparker*innenkontrolle (und -bestrafung!) auf Radwegen, die unzulängliche Breite der Radwege und die fahrradfeindliche Verkehrsführung an Baustellen. Eine 4,7 erhielt die Konzilstadt gar in der Kategorie Fahrraddiebstahl – es ist also ziemlich klar, was getan werden muss, falls Konstanz zu einer echten Fahrradstadt werden will: Sichere Abstellanlagen müssen her, und es gibt schon längst schmucke Abstellhäuschen, in denen man locker zehn oder mehr Fahrräder und Anhänger auf dem Platz von zwei oder drei Autoabstellplätzen unterbringt. Die Umwidmung von bisher durch parkende Autos blockierten Parkplätzen zu schmucken Fahrradabstellplätzen ist also auch in Konstanz das höchste Gebot der Stunde, lässt sich aus dieser Bewertung schließen. Etwa im Paradies, wo mancherorts die Fußwege mit Fahrrädern vollgestellt sind, könnte die Stadt auf diese Weise zur großen Freude der radelnden Anwohner*innen flugs Abhilfe schaffen.
Die beste Note für Konstanz ermittelte der ADFC für Konstanz mit einer 2,0 für die nicht nur auf den ersten, sondern auch auf den zweiten Blick etwas schwachsinnige Feststellung „Alle fahren Fahrrad“. Mit einer 2,1 schnitt es beim Angebot öffentlicher Fahrräder und der guten Erreichbarkeit des Stadtzentrums sowie einer 2,2 für das Öffnen von Einbahnstraßen in Gegenrichtung gut ab.
Es dauert und dauert
Das Fazit des Fahrradklima-Tests 2022 war zu erwarten: Deutschland hängt gegenüber Fahrrad-Musterländern weit zurück, und eine richtiggehende Aufholjagd hat noch lange nicht begonnen. Der ADFC formuliert es etwa so: „Gute Werbung, schlechte Wege. Schöne Worte und Bilder allein machen das Radfahren weder sicher noch attraktiv. Um Fahrradland zu werden, braucht es echte Verbesserungen in der Infrastruktur, und zwar jetzt und flächendeckend.“
Solange die Verkehrsflächen weiterhin vor allem dem Auto vorbehalten bleiben und unsere Wohnstraßen in erster Linie Autoabstellanlagen mit winzigen Randstreifen für Fuß- und Radverkehr bleiben, wird das nichts mit der Verkehrswende.
Weitere Ergebnisse des Fahrradklima-Tests 2022 gibt es hier beim ADFC, die Ergebnisse früherer Jahre finden Sie hier.
Text & Bild: O. Pugliese