Theater Konstanz: Menschen hautnah
Katrin Huke und Thomas Fritz Jung bringen Geschichten auf die Bühne des Konstanzer Stadttheaters, zeigen uns Charaktere in vielen Facetten. Begeistern damit. Und das schon seit Jahren. Da kann es passieren, dass man eines der langjährigen Ensemblemitglieder auf der Straße einfach mal grüßt – man kennt sie, weiß aber im Moment gerade nicht, wohin mit ihnen. Stimmt, aus dem Konstanzer Theater, denn da saß man ja kürzlich im Publikum.
Seit 8 Jahren gehört Katrin Huke zum Ensemble – mit Unterbrechung. Sie wurde Mutter – im Schauspielberuf noch viel schwieriger zu vereinbaren als in anderen Bereichen. Eigentlich dachte sie nicht, dass es sie so lange in Konstanz halten würde. Es war dann aber gerade die Familie, die ihr und ihrem Mann Florian Rummel, ebenfalls Schauspieler, das Bleiben leicht machte. Sie fühlen sich als Familie in Konstanz sehr viel besser aufgehoben als in einer Großstadt, nicht nur was Freizeit und Schule betrifft. Und dann sind da noch die Menschen hier in der Stadt und der Region, die ihr offen begegnen und sie quasi „adoptiert“ haben, was ihr sonst so noch nie begegnet ist. Hier haben die Menschen keine Schwellenangst und man kommt leicht mit ihnen ins Gespräch. Besonders gefreut hat sie sich, als ihr nach der Vorstellung eine Dame einen Blumenstrauß – aus dem eigenen Garten – überreicht und gesagt hat: „Sie haben einen neuen Fan“.
Thomas Fritz Jung, der schon 15 Jahre am Konstanzer Theater engagiert ist und zuvor 8 Jahre in Magdeburg war, kann ähnliches berichten. Auch er und seine Frau Anna Hertz sind in Konstanz eingebunden, nicht nur wegen der beiden Söhne. Hier können sie immer wieder auch eigene Projekte auf die Beine stellen. Jung schätzt die Vernetzung mit anderen Kulturschaffenden, aber auch die Zusammenarbeit mit dem Team am Theater selbst, bei dem man sich auf jeden und jede einzelne verlassen kann. Zudem sind die Herausforderungen am Haus spannend und abwechslungsreich, so dass sich keine „ungesunde Routine“ einschleicht. Ein großes Lob auch ans Konstanzer Theaterpublikum, das sehr anspruchsvoll und begeisterungsfähig ist und die Arbeit „ihrer“ Schauspielenden honoriert. Aber um wirklich dazuzugehören in einer Stadt, sagt Jung, müsse man auch die Menschen außerhalb der Theater- und Kulturblase kennenlernen. Deshalb ist „Tom“, wenn es die Zeit zulässt, beim Fußballgucken im „Schnetztor Stüble“ zu finden – eine ganz spezielle Kulisse und Stammtischgemeinschaft. Wer hier begrüßt und statt nach der Schicht nach der letzten Premiere gefragt wird, der hat es auch irgendwie geschafft. Und ist mehr als nur „Neigschmeckt“.
Beide betonen, dass es mit Familie hier in Konstanz einfacher ist und dass sie speziell auch durch die Kinder mehr Kontakt zu den Menschen hier bekommen haben. Sie sind rausgekommen aus dem „Elfenbeinturm“.
Allerdings stellt die Organisation von Berufs- und Familienleben eine große Herausforderung dar. Katrin Huke benötigt für ihre Tochter speziell geschulte Betreuung, so dass nur immer ein Elternteil arbeiten kann und sie von einem nicht gerade üppigen Schauspielgehalt leben. Die Söhne von Thomas Fritz Jung sind schon älter, aber über mehrere Jahre ging ein Gehalt für einen ganzen Pool an Babysittern drauf. Die Arbeitszeiten sind für Eltern ein ganz großes Problem. Zu den Abendvorstellungen kommen auch Probenzeiten morgens meist von 10 bis 14 Uhr und abends von 19 bis 22 Uhr dazu. Dazwischen, davor und danach wird noch Text gelernt – Jung macht das gerne mal am Grenzbach und Huke klemmt den Text an den Kinderwagengriff und lernt ebenfalls Outdoor.
Thomas Fritz Jung erzählt, dass er in der Coronazeit gemerkt hat: „Da gibt’s ja noch ein Leben“. Und es gab Zeit zum Durchatmen und Nachdenken. Die „Maschine Alltag“ wurde ausgebremst.
Je nach Rolle nimmt man die Auseinandersetzung mit dem Thema auch mit nach Hause, „das lässt sich nicht ausblenden“, so Katrin Huke: „Es gibt Themen, die nicht so privat sind“ und die Seele eher schonen. Anderes wird dann sehr persönlich wie ihre „Königin Lear“. Sie liebt Widersprüche, Brüche und Extreme in ihren Rollenfiguren. Beide haben das Glück, mit ebenfalls künstlerisch Tätigen zusammenzuleben, so dass es zuhause einen Austausch geben kann.
Aktuell spielen Katrin Huke und Thomas Fritz Jung in „Morgen ist auch noch ein Tag“. Auch hier „läuft die Maschine Alltag auf Hochtouren. Unermüdlich wie die Erde um die Sonne. Bis sie dann – plötzlich – explodiert.“ Karl (Thomas Fritz Jung) ist pensioniert und hat endlich Zeit. Zum Nichtstun. Seine Frau Katja (Katrin Huke) bringt das auf die Palme. Es ist eine dieser aufwändigen, anstrengenden Rollen, vor allem für Jung, der einen fast 20-minütigen Prolog im Stakkato zu bewältigen hat. Erst 1 ½ Wochen nach Probenbeginn hat das Team gemeinsam mit Regisseur Abdullah Kenan Karaca beschlossen, dass er versucht, diesen Wahnsinnstext nicht von Stimmen aus dem Off sprechen zu lassen. Und das Konzept geht auf: Das Publikum ist begeistert. Was thematisch an Loriots „Pappa ante Portas“ erinnert, ist kein Klamauk. Die Figuren im Stück entwickeln sich, sind psychologisch fein austariert.
Für Thomas Fritz Jung steht auch nicht das Alter im Vordergrund seiner Darstellung, sondern „das Gepäck, das man mitträgt“. „Diese Geschichte betrifft uns alle – uns persönlich, unsere Eltern und Großeltern – und sie hat Relevanz in der Gesellschaft. Es gibt keinen Plan für diese zweite Hälfte im Leben.“ Katrin Huke ergänzt, dass dieses Stück alle Generationen berührt.
Katrin Huke, Thomas Fritz Jung sowie Sabine Martin und Sebastian Haase, die zwei schräge Alte geben, und Miguel Jachmann, der die drei Söhne spielt, bringen ihr Publikum zum Lachen und zum Nachdenken. Relevante Themen werden auf humorvolle Art und mit einer großen Leichtigkeit präsentiert.
Gibt es einen Lieblingssatz?
Für Thomas Fritz Jung ist das: „Ich genieße es, nichts zu tun!“, und für Katrin Huke: „Ich wusste gar nicht, dass das geht: Nichtstun.“
Die Autorin dieses Textes hat sich bei der Frage: „Weißt du, was er macht?“ ganz spontan entschieden: „Er unterhält sich mit mir, beim Frühstück. Ausführlich.“
Text: daniB
Bild: Ilja Mess
Vorstellungen „Morgen ist auch noch ein Tag“, 16.5. um 19.30 Uhr, 17.5. um 15 Uhr, 20./24.5. jeweils 20 Uhr.
Katrin Huke, geboren in Thüringen, studierte an der Hochschule für Musik und Theater „F.M. Bartholdy“ in Leipzig. Es folgten Engagements am Hans Otto Theater Potsdam, am Kleist Theater Frankfurt/Oder, am Mecklenburgischen Staatstheater Schwerin. Seit der Spielzeit 2012/2013 ist sie – mit Unterbrechung – Ensemblemitglied am Theater Konstanz. Zu sehen war sie u.a. in Jelineks „Wut“, „Ewig jung“, „Cabaret“, „Jeder stirbt für sich allein“ und als Königin Lear zu sehen. Momentan spielt sie in „Morgen ist auch noch ein Tag“ und parallel in „Eine Sommernacht“.
Thomas Fritz Jung erhielt seine Schauspielausbildung an der Theater Werkstatt Charlottenburg Berlin. Nach diversen Engagements an Berliner Theatern war er am Theater der Landeshauptstadt Magdeburg sowie an den Freien Kammerspielen Magdeburg. Zur Spielzeit 2008/2009 wechselte er ans Theater Konstanz. Zu sehen war er u.a. in „Orpheus in der Unterwelt“, bei den Freilichtspielen auf dem Münsterplatz als Tell und als Christian de Neuvillette in „Cyrano de Bergerac“ sowie als Pontius Pilatus bei „Jesus Christ Superstar“ und als Schlomo Herzl bei „Mein Kampf“. Danach spielte er u.a. in „Von Mäusen und Menschen“, „Ewig jung“, „Meer“, als Dieter Koulmann im Monolog „10 Plus. Kette und Schuss“, in „Viel Lärm um nichts“ und „Nosferatu“ auf dem Münsterplatz, „The Black Rider“ und „Animal Farm“. Momentan spielt er in „Morgen ist auch noch ein Tag“ und startet in die Proben zu „Der eingebildete Kranke“ auf dem Münsterplatz.