Wie halten Sie es mit der Wahrheit, Frau Reiser?

Nur noch zwei Tage bis zur OB-Wahl. Da kann frau durchaus versuchen, kurz zuvor noch eine Pressemeldung in Umlauf zu bringen, um als KandidatIn auf der Ziellinie zu punkten. Sabine Reiser (CDU) hat in Absprache mit ihrer PR-Beauftragten Waltraud Kässer eine Mitteilung gestreut, in der fälschlicherweise behauptet wird, 6 von 7 SPD-RätInnen hätten sich hinter Reiser gestellt. Das riecht nach bewusster Wählertäuschung

Gestern schon war auf seemoz zu lesen, dass Sabine Reiser und ihre PR-Frau Waltraud Kässer, die nebenher die Internet-Publikation see-online betreibt, „mit gezinkten Karten spielen“. Der Eindruck hat sich verfestigt. Weiterhin behauptet das Duo, „sechs von sieben Fraktionsmitgliedern“ der Konstanzer SPD hätten sich hinter Reiser gestellt. Erneut fragte seemoz bei SPD-Räten nach, die ohne ihre Einwilligung dem Reiser-Lager zugeordnet werden. Jürgen Leipold und Jürgen Ruff erklärten daraufhin schriftlich: „Allerdings habe ich mich schon entschlossen, öffentlich keinen der verbleibenden Kandidierenden zu unterstützen und dies in meinem Umfeld auch schon kund getan.“ Diese klare Absage, so Ruff und Leipold weiter, hätten sie Marco Walter (Wahlkampfleiter von Sabine Seeliger, Anm.d.Red.) und auch Waltraud Kässer so mitgeteilt. Letztere scheint das nicht die Bohne zu interessieren.

Heute fragte seemoz per mail bei Sabine Reiser an, wie sie dazu käme, sich sechs SPD-RätInnen einzuverleiben. Auch etliche telefonische Anfragen bei der Kandidatin waren erfolglos. Eine Antwort hingegen kam von Stefan Gessler, dessen Agentur Lorth/Gessler/Mittelstaedt Sabine Reiser unterstützt. Der Inhalt der Pressemitteilung sei „nicht erfunden, vielmehr basiert sie auf entsprechenden Aussagen von Herrn Puchta (Fraktionsvorsitzender der SPD, Anm.d.Red.) im Gespräch mit Frau Reiser und Frau Kässer“. Und weiter: „Frau Reiser und Frau Kässer hatten außerdem zustimmende Einzelgespräche mit Mitgliedern der SPD-Fraktion, aber nicht mit jedem einzelnen Fraktionsmitglied gesprochen“. Wie dann aber Reiser/Kässer dazu kommen, eine irreführende Pressemitteilung heraus zu geben, bleibt ihr Geheimnis. Stefan Gessler behauptet zudem, Reiser habe mit Uwe Herwig (Vorsitzender des SPD-Ortsvereins, Anm.d.Red.) nach einem 90-minütigen Telefonat vereinbart, eine gemeinsame Presseerklärung zu veröffentlichen. Diese Erklärung sei zwischen Reiser und Herwig abgestimmt worden. Herwig dementiert auf Nachfrage heftig: „Schlicht falsch“ sei diese Darstellung, der Text dieser Erklärung stamme von Sabine Reiser.

Mit im schrägen Spiel war von Anfang an Jürgen Puchta, Fraktionsvorsitzender der SPD. Dieser habe, so Gessler, die zwischen Sabine Reiser und Uwe Herwig angeblich abgestimmte Pressemitteilung „geprüft und frei gegeben“. Der Hintergrund: Puchta versorgt Waltraud Kässer regelmäßig mit Informationen aus der SPD-Fraktion und kann so die Berichterstattung auf seeonline elegant mit steuern. Wer nun vermutet, die Seilschaft Puchta/Kässer war federführend bei der angeblichen Unterstützung von sechs StadträtInnen für Reiser, liegt nicht daneben. Denn Puchta steht offiziell hinter Reiser und er glaubte, er könne einige Fraktionskollegen auch ohne deren Zustimmung mit ins Boot der CDU-Kandidatin holen. Festzuhalten bleibt bei diesem Schmierentheater: Trotz der Dementis von Leipold und Ruff wird von Reiser weiterhin der Eindruck vermittelt, dass sie die Unterstützung von sechs SPD-RätInnen hat. Das war noch nie der Fall. Bei der Konstanzer SPD wird es nächste Woche internen Gesprächsbedarf geben. Und zwar nicht zu knapp, wie zu hören ist.

Stefan Gessler ahnt offensichtlich, was da auf seine Kandidatin noch zukommen könnte. Frau Reiser sei davon ausgegangen, dass „die von Herrn Puchta geprüfte und frei gegebene“ Mitteilung auch der „Meinung der SPD entspricht“. Und vorsorglich noch der Satz: „Sollten sich nun die Tatsachen geändert haben, wird dies Frau Reiser selbstverständlich richtig stellen und die Aussage nicht weiter verbreiten“. Aber wann? Der Zeitpunkt der manipulativen Pressemeldung war gut gewählt. Kurz vor der entscheidenden Wahl wird eine Korrektur über die bewusste Irreführung der WählerInnen kaum mehr ins Gewicht fallen.

Der ehemalige SPD-Stadtrat Hans-Joachim Weber hat mittlerweile seinem Unmut freien Lauf gelassen. Er schreibt (auch an see-online): „Jürgen Leipold hat mehrfach erklärt, sich nicht öffentlich äußern zu wollen. Die Behauptung, sechs von sieben Fraktionsmitgliedern haben sich hinter Sabine Reiser gestellt, ist dann mehr als kühn. Mich befremdet, dass see-online zwischen redaktionellen Beiträgen und Werbung für Frau Reiser nicht mehr unterscheidet. Schreibt Frau Kässer die Presseerklärung für Frau Reiser, die sie dann in see-online kommentiert? Die Anzeige und der Wahlkampf von Frau Reiser veranlasst mich öffentlich zu erklären, dass ich Frau Seeliger am Sonntag wählen werde.“

P.S.: Soeben hat auch SPD-Stadträtin Sonja Hotz gegenüber seemoz erklärt: „Ich habe Sven Zylla gewählt. Dass ich nun hinter Sabine Reiser stehen soll, entspricht nicht der Wahrheit“.

Autor: H.Reile