solarcomplex-Bilanz 2022: Bestes Geschäftsjahr des Bürgerunternehmens
Das Geschäftsjahr 2022 sei das mit Abstand beste in der über 20-jährigen Unternehmensgeschichte gewesen, teilt Bene Müller, Vorstand der solarcomplex AG, mit. Der Umsatz sei von rd. 21 Mio. € auf rd. 32 Mio. € und der Gewinn von rd. einer Mio. € auf rd. drei Mio. € gestiegen. Entscheidend hierfür seien die gestiegene Nachfrage von Industrie und Gewerbe nach Photovoltaikanlagen sowie – als „Sondereffekte“ – die hohen Strom- und Wärmeerlöse aufgrund der 2022 zeitweise enorm hohen Börsenstrompreise.
Die Kennzahlen im Grobüberblick für 2022
Bereits für 2021 präsentierte solarcomplex gute Bilanzzahlen, die 2022 nochmals deutlich übertroffen wurden. Die wichtigsten Kennzahlen für 2022 erläuterte Unternehmensvorstand Bene Müller bei einem Pressegespräch: Bilanzsumme 81,9 Mio. € (2021: 71,5 Mio. €) – Anlagevermögen 64,8 Mio. € (2021: 60,2 Mio. €) – Eigenkapital 34,4 Mio. € (2021: 26,4 Mio.) – Umsatz 32,7 Mio. € (2021: 21,3 Mio. €) – EBITDA (= Jahresergebnis vor Steuern, Zinsen und Abschreibung) 7,8 Mio. € (2021: 5,6 Mio. €) – Jahresergebnis 3.005.000 € (2021: 1.064.000 € ) – Bilanzgewinn: 3.929.000 € (2021: 1.384.000 €). Vorgesehene auszuschüttende Dividende: 6 Prozent (2021: 5 Prozent).
Das Jahresergebnis im Detail
Anlagevermögen: Das Anlagevermögen (dazu gehören vor allem die Wärmenetze, die dauerhaft in Straßen verlegt sind), das mit 64,8 Mio. € einen sehr erheblichen Teil der gesamten Bilanzsumme ausmache, habe sich von 2021 auf 2022 um fast 5 Mio. € erhöht. Und es wachse auch kontinuierlich weiter, da jedes Jahr neue Projekte hinzugebaut werden, erläuterte Bene Müller.
Eigenkapital: Der große Sprung von rd. 8 Mio. € beim Eigenkapital sei auf die Kapitalerhöhung Ende letzten Jahres zurückzuführen. In nur sieben Wochen war die Aktienausgabe abgeschlossen, bei der drei Millionen neue Aktien in Höhe von rd. 8 Mio. € gezeichnet wurden. Der größte Teil des Geldes sei von den Altaktionären gekommen, „die nach wie vor sehr loyal sind und bereit, weiter Kapital ins Unternehmen einzubringen“. Damit hat sich das echte Eigenkapitel des im Jahr 2000 gegründeten regionalen Bürgerunternehmens mit Sitz in Singen – das 2007 von einer GmbH in eine nicht börsennotierte Aktiengesellschaft umgewandelt wurde – im Zeitraum von 2020 bis 2022 von rd. 18 auf fast 35 Mio. € fast verdoppelt. Das Eigenkapital müsse auch weiter wachsen, um neue Projekte zu realisieren und somit dem Anspruch „Energiewende zu machen, gerecht zu werden“.
Was das Kapital angeht, sieht Bene Müller daher auch keinen Engpass. Eine weitere Verdoppelung des Eigenkapitals auf 70 Mio. € in den nächsten Jahren hält er für durchaus realistisch. Vorgesehen ist daher, dass in der für Ende August angesetzten Hauptversammlung 2023 über eine mögliche weitere Aktienausgabe in Höhe von 7,5 Mio. € abgestimmt werden soll. Inklusive der festverzinslichen Genussscheine in Höhe von rd. 10 Mio. € sowie den Sonderposten für Projektzuschüsse von rd. 5,9 Mio. € beträgt das gesamte Eigenkapitel 49,4 Mio. Bei dieser Deckungsquote von 60 Prozent sei die Bereitstellung von Fremdkapital kein Problem, so Müller.
Mit Blick auf die in Konstanz laufende Diskussion über den Einstieg der Thüga bei den Stadtwerken, was damit begründet wird, dass man Geld für die Energiewende und für die Mitarbeiter:innen dazu benötige, fügte er hinzu: Laut seinem Eindruck hätten die Konstanzer Stadtwerke noch gar nie in Erwägung gezogen, „Bürgerkapitel in größerem Stil einzusammeln“. Er selbst halte es in einer reichen Stadt wie Konstanz für durchaus möglich, eine Summe zwischen 20 und 40 Mio. € an Bürgerkapitel zu erhalten, womit ein Argument für die Beteiligung der Thüga schon mal entfiele. Diesen Standpunkt hatte er auch kürzlich bei einer Infoveranstaltung in Konstanz öffentlich vertreten.
Umsatz: Dass nun endlich die Photovoltaik (PV-Anlagen) auch bei den Gewerbe- und Industriebetrieben zum Einsatz komme, habe in den vergangenen vier Jahren den Umsatz mehr als verdoppelt (2019 = 14.561 Mio. € – 2022 = 32.709 Mio. €). Bei Gründung von solarcomplex sei „Photovoltaik eher ein Thema für die links-alternativen Idealisten gewesen“, die eine kleine Anlage auf ihren privaten Häuschen angebracht haben. In der Summe habe das nicht viel gebracht. Erst wenn man jetzt bei Gewerbe- und Industriebetrieben auf einen Schlag bis zu mehreren Megawatt installiere, „kommt Dynamik ins Spiel“. Treiber für die weiter anhaltende Nachfrage seien wie schon im Vorjahr die Energiekrise wegen des Ukraine-Kriegs und die daraus resultierenden sehr hohen Stromkosten.
Ergebnis: Eine Verdreifachung des ohnehin schon sehr guten Jahresergebnisses 2021 von rd. einer Million auf drei Millionen sei allerdings der spektakulärste Bereich der Bilanzahlen 2022, hob Bene Müller hervor. Die deutlich gestiegene Nachfrage nach PV-Anlagen zum einen habe zu diesem enormen Sprung nach oben beigetragen. Zum anderen aber sei etwa die Hälfte des Gewinns zwei „einmaligen Sondereffekten“ geschuldet: nämlich den Stromerlösen wegen der zeitweise extrem hohen Preise für Börsenstrom und den Wärmeerlösen aufgrund der Preisgleitklausel. Der hohe Börsenpreis für Strom von bis zu 40 Cent, wenn auch über nur wenige Monate im vergangenen Herbst, schlug sich auch bei einem – im Vergleich zu Großkonzernen – kleinen Unternehmen deutlich im Jahresergebnis nieder. Die erst im Dezember greifende Abschöpfung der Überschusserlöse, die der Unternehmer Bene Müller gutheißt, sei zu spät gekommen. Der Börsenhype war schon vorbei, die Strompreise sanken wieder und aktuell liege der Marktpreis für Solarstrom nur noch bei fünf Cent. Zusätzlich profitierte solarcomplex beim Verkauf von Wärme von der mit den Abnehmer:innen vertraglich vereinbarten Preisgleitklausel, die sich zur Hälfte aus der Höhe der Inflation und dem Preis für Hackschnitzel berechnet. Beide waren letztes Jahr ebenfalls auf einem preislichen Hoch – dies allerdings nach einer langen Periode niedriger Inflation und sogar rückläufigen Hackschnitzel-Preisen. „Zwei Sondereffekte, die uns ohne eigenes Zutun in den Schoß gefallen seien“, dies klarzustellen, ist Bene Müller wichtig. Ohne die Sondereffekte läge der aus guter Arbeit resultierende Gewinn bei „nur“ – immer noch sehr guten – 1,5 Mio. €. Mit derartigen Effekten sei 2023 nicht zu rechnen. Und deshalb setze man die auszuschüttende Dividende mit sechs Prozent „eher moderat“ an. Der ganz überwiegende Teil des Jahresgewinns bleibe in der Gewinnrücklage als Puffer für die nächsten Jahre.
Mitarbeiter:innen und Unternehmensentwicklung
[the_ad id=“94028″]Die Beschäftigtenzahl steigt zwar, mittlerweile gehören 70 Mitarbeiter:innen zum Team. Doch zehn weitere Stellen sind derzeit ausgeschrieben – für den Bereich Technik, aber auch für das Büroteam. Das Kapital für die Projekte der nächsten Jahre sei zwar gesichert, um deren Ausführung zu realisieren, müsse aber auch die Belegschaft stetig wachsen. Zwei bis drei zusätzliche neue Stellen benötige man auch künftig Jahr für Jahr. Um diese Fachkräfte zu finden und auch längerfristig zu halten, wolle man daher bei der geplanten Kapitalerhöhung vorschlagen, 0,5 Mio. € erstmalig als Mitarbeiter:innen-Aktien zu reservieren. Das Problem des Fachkräftemangels gelte allerdings für den gesamten Energiesektor: bei den Stadtwerken in der Region, auch bei Thüga und anderen Energieunternehmen sähe es nicht besser aus, weshalb durchaus die Gefahr bestehen könne, dass man sich künftig Mitarbeiter:innen gegenseitig abwerbe, womit aber für die Energiewende nichts gewonnen sei, denn unterm Strich bliebe die Beschäftigtenzahl ja gleich.
Und Müller weiter: Als weitere Konsequenz aus der knappen Personaldecke wolle solarcomplex sein Geschäftsfeld hauptsächlich auf die westliche Bodenseeregion konzentrieren. Den stetig wachsenden Anlagenpark zu betreuen, sei eine Daueraufgabe, und Fahrtzeiten von über einer Stunde, um bei Störfällen schnell vor Ort zu sein, sei mit wenigen Mitarbeiter:innen nicht machbar und zudem unproduktiv. Und Arbeit gebe es hier genug: Wenn demnächst alle Gemeinden im nördlichen Hegau mit ihrer kommunalen Wärmeplanung beginnen, dürfte es auch für solarcomplex weitere Aufträge für neue Wärmenetze geben.
Laufende Projekte: „Wärme – Wind – Sonne“
War früher die Fertigstellung eines Solarparks ein außergewöhnliches Ereignis, das man mit einer feierlichen Einweihung beging, so würden diese nun „am laufenden Band“ gebaut. Zahlreiche Solarparks seien in der konkreten Umsetzung, und zwar in der Größenordnung von insgesamt rd. 100 Megawatt (zum Vergleich: in den ersten 20 Jahren seit Gründung wurden rd. 50 MW gebaut). Aktuelle Beispiele: Der Solarpark Deisslingen, von solarcomplex für zwei Landwirtsfamilien projektiert, ging vor wenigen Wochen in Betrieb. – Mit sechs MW Sonnenstrom deckt ein Solarpark für ein Schotterwerk seinen hohen Strombedarf, ins öffentliche Netz geht davon nichts. – Für den solarcomplex-eigenen Solarpark bei Münsingen wurden 4 MW gebaut. – Für die EWS (Elektrizitätswerke Schönau im Schwarzwald, ehemals „Stromrebellen“) wird nach dem Solarpark Döggingen I bis Jahresende Döggingen II fertigstellt.
Mindestens 40 MW für Photovoltaik-Anlagen werden 2023 gebaut werden. Das größte Projekt ist ein Auftrag für eine PV-Dachanlage mit 7,5 MW im Kreis Sigmaringen. „Größer als jeder bisher von solarcomplex gebaute Solarpark“, sei diese Anlage und gleichzeitig auch ein Beispiel dafür, dass es noch ein enormes Dachflächenpotential gebe, das nun schon etwa 20 Jahre ungenützt sei, resümiert Bene Müller.
Die Windkraft-Projekte in der Region sind und bleiben wohl sehr überschaubar. Für den „Windpark Länge“ auf der Gemarkung Donaueschingen und Hüfingen (Landkreis Schwarzwald-Baar) liegt seit Februar die Genehmigung des BImSchG-(Bundes-Immissions-Schutzgesetz)-Antrags vor (2019 wurden dessen Bau gestoppt, weil die Umweltverträglichkeitsgenehmigung des Landes Baden-Württemberg gegen ein Bundesgesetz verstoßen hatte). Sechs Windräder mit jeweils 5,7 MW sollen dort 55 Mio. kWh/Jahr Strom erzeugen. Allerdings wurde eine neue Klage eingereicht und jetzt muss das VGH Mannheim (wo ein eigener Senat für Windkraftprojekte eingerichtet wurde) entscheiden.
Für den „Windpark Brand“ der Gruppe „Hegauwind“ (Zusammenschluss mehrerer Stadtwerke und Energieunternehmen der Region) ist solarcomplex nur der Projektierer. Auf der Gemarkung Tengen sollen sich künftig drei weitere Windräder (zusätzlich zu denen von „Verenafohren“) drehen und mit je 5,7 MW etwa 30 Mio. KWh/Jahr Strom liefern. Der BImSchG-Antrag ist eingereicht, wenn alles gut läuft, könnte die Genehmigung bis Jahresende vorliegen. Aber auch hier ist damit zu rechnen, dass noch Klage eingereicht wird (das sei inzwischen bei Windkraftprojekten Standard, so Bene Müller). Z.B. positioniert sich der Hegau-Geschichtsverein seit Längerem gegen diesen Standort, weil aus seiner Sicht (zumindest der seines ehemaligen 1. Vorsitzenden Wolfgang Kramer) diese Windräder den schönen Blick vom Napoleons-Eck über den Hegau und seine alte Burgenherrlichkeit verschandeln würden.
In einem noch sehr frühen Planungsstadium befindet sich der ebenfalls von „Hegauwind“ geplante „Windpark Langwieden“ (Gemarkung Engen). Drei bis vier Windräder sollen zwischen Stettener Höhe und Geisingen, auf einer Fläche zwischen der Autobahn A81 und der Daimler-Teststrecke, 50 Mio. kWh/Jahr Strom liefern. Vor kurzem wurde dieses Projekt in Engen der Öffentlichkeit vorgestellt. Ein Standort, der eigentlich recht konfliktfrei sein sollte: Was den oft monierten Schall angeht, so ist die A81 ein Vielfaches lauter als jeder Windpark. Wenn alles gut läuft, könnte 2026 die Inbetriebnahme erfolgen. Wer der Projektierer sein wird, ist noch offen. solarcomplex jedenfalls nicht, da hierfür die Kapazitäten fehlen.
Hauptgeschäftsfeld Wärme: Das entstehende Wärmenetz in Häusern mit 10 km Netzwärme für 160 Anschlussnehmer:innen wird 5 Mio kWh/Jahr liefern und somit Ersatz für ca. 700.000 Liter Heizöl sein. Mit dem Wärmenetz Jungnau (Kreis Sigmaringen) ist das vierte Wärmenetz in der „Nahwärme Region Sigmaringen“ im Bau, bei dem mit 7 km Netzlänge für 170 Anschlussnehmer:innen 2,5 Mio kWh/Jahr erzeugte Wärme ca. 300.000 Liter Heizöl ersetzen.
Erfolgsfaktoren einer Energiewende
Bene Müller brachte zum Abschluss seiner Bilanz-Präsentation die Erfolgsfaktoren (bzw. Misserfolgsfaktoren) einer Energiewende folgendermaßen auf den Punkt:
+ Die Technologien sind ausgereift.
+ Das Kapital (eigen und fremd) steht ausreichend zur Verfügung.
– Es fehlt massiv an Personal.
– Die Genehmigungen dauern zu lange und sind zu kompliziert (obwohl Deutschland faktisch im Energienotstand ist, haben wir kein Notstandsrecht).
„Wir sind in der Region schon die zentrale Kraft, was den Ausbau erneuerbarer Energien angeht, daraus kann man auch ein bisschen ableiten, wie es insgesamt mit der Energiewende in der Region vorangeht“, so seine persönliche Bilanz.
Text: Uta Preimesser
Foto: Dieter Heise
Grafiken: solarcomplex