Senioren-Protest gegen die Begegnungszone
Heute, Mittwoch, 25. Juli, 9 Uhr, Ortstermin in der Begegnungszone am Konstanzer Bahnhof: Dorothée Schmidt, seit Mai neue Vorsitzende des Stadtseniorenrates, wird an Ort und Stelle ihre Kritik am „Murks-Provisorium“, das „alten- und behinderten-feindlich“ sei, demonstrieren und Veränderungen einfordern. Ihre Gesprächspartner von der Baubehörde werden Bauklötze staunen. seemoz sprach vorab mit Dorothée Schmidt.
Vor genau einer Woche nutzten Sie die Bürgerfragestunde während der Gemeinderatssitzung, um Ihre Kritik an dem Provisorium einer Begegnungszone am Bahnhofsplatz vorzubringen. Hat sich seitdem etwas getan?
Ich war überrascht, schon am darauf folgenden Tag einen Anruf von Bürgermeister Werner zu erhalten. Während des Gesprächs vereinbarten wir dann für Mittwoch einen Termin mit städtischen Bau-Experten am Bahnhof – da kann ich meine Kritik loswerden. Ich muss sagen, wenn die Reaktion auf eine Beschwerde immer so prompt erfolgt, wird das nicht mein letzter Auftritt in der Bürgerfragestunde des Gemeinderats gewesen sein.
Erst vor wenigen Tagen kam es zu einem üblen Unfall in der Begegnungszone: Eine ältere Dame stürzte mit ihrem Rollator über die viel zu hohe Bordsteinkante und zog sich Gesichtsverletzungen zu.
…genau das ist einer unserer Kritikpunkte. Aber das wurde ja schon auf seemoz problematisiert. Der Bordstein ist für Geh- oder Seh-Behinderte viel zu hoch; zumindest sollte die Kante ein visuelles Signal erhalten, das vor der Gefahr warnt. Und eine Ampel muss wieder installiert werden, damit Ältere sicher und ohne Zeitverlust die Fahrbahn überqueren können. Überhaupt der Autoverkehr: Kaum ein Fahrer hält sich an die 20-Stundenkilometer-Regelung. Da sollten Schwellen eingebaut oder wenigstens Verkehrsschilder wie in Spielstraßen angebracht werden, die zum Schrittverkehr auffordern.
Bürgermeister Werner sprach bei der Eröffnung von einer „gewollten Verunsicherung“. Offensichtlich will er so Verbesserungsvorschläge wie Ihren aus der Bevölkerung provozieren.
So eine Aussage finde ich ziemlich schlimm, um nicht zu sagen sogar zynisch. Muss es denn erst zu Unfällen wie den der Rollator-Fahrerin kommen, bevor Verbesserungen realisiert werden? Derlei pädagogische Spielchen gehören möglicherweise auf den Schulhof, aber nicht in den Öffentlichen Raum. Ich will als Bürger wahrgenommen werden und nicht als Versuchskaninchen. Da wäre rechtzeitige Planung schon sinnvoller als solches Experimentieren auf Kosten der Bürger. Vor allem sollte man zukünftig vorab mit Vertretern von Interessengruppen sprechen und deren Rat einholen – mit dem Behinderten-Obmann ist das offensichtlich ja geschehen, aber auch mit dem Stadtseniorenrat oder mit Kita-Betreuerinnen, die zum Beispiel Aussagen zum Verkehrsverhalten von Kindern machen können.
Stichwort: Frühzeitige Beratung. Sind Sie vorab gefragt worden?
Mit uns hat niemand das Gespräch gesucht. Das Treffen am Mittwoch ist der erste Termin dieser Art.
Der jetzt durchgehende Fahrradweg vom Fischmarkt bis zur Marktstätte wurde von den Stadtbaumeistern als bahnbrechende Verbesserung in diesem Projekt gepriesen. Doch kaum realisiert, verhindert schon eine weitere, neue Baustelle die Durchfahrt.
Das meine ich. Man vermisst eine vorausschauende Planung, die vorab mit den Betroffenen die möglichen Probleme abklärt. Dann brauchte man auch keine „gewollte Verunsicherung“, um Reaktionen aus der Bevölkerung heraus zu kitzeln.
Vielen Dank für das kurze Gespräch, Frau Schmidt. Und viel Erfolg beim Experten-Treff
Autor: hpk
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Das Artikel-Bild vermittelt für mich nicht allzu viel Kreativität, weshalb ich 2 Beispiele als Hilfe kurz skizzieren will:
in einer Großstadt nahe Düsseldorf mit über 150.000 Einwohnern (aber sehr viele Eingemeindungen) gibt es eine lange und sehr breite Fussgänger-Zone als Einkaufsstrasse. Eine Strassen- / Überlandbahn kommt von Düsseldorf und hat 2 volle Spuren. Die Strasse ist als Fußgängerzone vollständig mit Platten gepflastert, nur die Schienen schauen heraus. Es gibt an den Gleisen wenige Haltestellen mit Überdachung und Sitzbänken; in Abständen weisen Schilder auf die Überlandbahn hin; die Bahn muß allerdings den sonstigen Verkehr intensiv beachten. Normale Autos und Fahrrad-Fahrer kommen von den Seiten ziemlich an die Zone heran, haben aber die normal üblichen Einschränkungen bei der Benutzung der Zone: Schrittverkehr bzw. Fahrrad „schieben“. Die Breite entspricht etwa der Laube, nur viel länger. Die Bahn bewegt sich in einer Fußgänger-Zone, sozusagen als Bummel- oder Bimmel-Bahn, die durch Signaltöne oder Sichtkontakt die Vorfahrt gewährt wird.
In einer Stadt mit 40.000 Einwohner in S-Anhalt. Gibt es eine Strasse parallel neben der Einkaufsstrasse und Fussgängerzone. Parallel zu dieser wurde auf Markplatz-Höhe ein kurzer Strassenzug zur gepflasterten Fussgängerzone gemacht, in deren Mitte 2 Fahrzeugspuren durch anderes Pflaster markiert worden sind. Dazu gibt es eine zentrale Haltestelle mit Überdachung und Sitzbänken. Die Strasse ist für Bussverkehr, Taxis, Handwerker u.a. innerhalb der 2 Spuren befahrbar. Beim Busstop an der Haltestelle ergeben sich für nachfolgende Busse/KFZ Wartezeiten. Der Eindruck entstand allerdings, dass auch einige eigentlich „unbefugte KFZ“ diese Abkürzung benutzen und regelmässig beim Warten ihre Geduld trainieren können.
Das Konzept wäre bei beiden Fällen, dass man eher eine Fussgängerzone einrichtet und den anderen Teilnehmern Teilrechte bei Nutzung zuordnet und gegenüber den Fussgängern einräumt: ob man dies durch Markierungen oder andere Bodenbeläge kennzeichnet, wäre unerheblich. Wichtig ist aber die Vermittlung, dass es sich um eine „Zone mit Fussgänger-Vorrechten“ handelt, die allerdings Spuren für KFZ und Fahrräder enthalten kann. Vielleicht vermittelt dieser Artikel eine etwas zu skeptische Haltung gegenüber Konstanzer/-innen; die Bewohner zu den beiden obigen Bsp. erschienen mir sehr ausgeglichen und geduldig.
Mein Loblied auf „weisse Streifen“ vs. Verunsicherung
Der Sinn von „weissen Linien“ wurde mir von DDR-Rentnern eindringlich erklärt: man dürfe bei der Bahn-Einreise in Ostberlin-Friedrichsstr. die Linien auf dem Bahnsteig zum Einstiegskante erst nach ausdrücklicher Aufforderung übertreten.
Vor Ort kam einmal eine West-Rentnerin mit Rollkoffer aus der Unterführung heraus und lief direkt in die „verbotene Zone“; der restlich Bahnsteig war ziemlich voll. Schlagartig war man sehr angespannt und wollte schon auf sie zulaufen und sie über die „Grenzlinie“ zerren, als es plötzlich im Lautsprecher tönte: „na Muttchen, wolln mer nicht zurücktreten.“ Nahe stehende Westreisende haben sie kurz angesprochen und ihr die Hände entgegen gestreckt, so dass die Situation schnell gelöst war. Auch ich war als Unbeteiligter hochgradig „verunsichert“ in diesem Augenblick.
Die finanzielle Förderung von Transitstecken durch die BRD hatte nicht nur bei der Erneuerung von Autobahnen positive Spuren hinterlassen. Neben dem Ingenieurwesen dürften die Betreiber auch grundlegende (alters-bezogene) Psychologie-Kenntnisse verwendet haben.
Kaum ein Auto hält sich hier an die 20-kmh-Begrenzung (ich kann das bezeugen). Hier könnte ein nettes kleines Blitzgerätchen schnell Abhilfe schaffen und dabei noch die Stadtkasse bereichern. Dann wäre begegnungszonenmäßig schon sehr viel gewonnen. Und das eingenommene Geld investieren wir dann in den richtigen Umbau.
Wenn man mir die bescheidene Bemerkung eines höflichen Vorschlages gestattet, so denke ich an eine unkomplizierte und weitaus preiswerte Methode, dieses Provisorium auf eine nahezu „perfekte“ Begegnungszone heben: mit etwas Farbe, gerne im „Konstanzer Look“, auf die Fahrbahn aufgebracht, und schon erhellt sich des Nutzers Miene mit einem kleinen Lächeln im Antlitz, sei es als Fussgänger oder als Zwei- oder Vierradfahrer.
Im wunderschönen Schweizerischen St. Gallen kann diese Idee des Gemeinderates begutachtet werden. Einfach nur schön! Voila – mehr braucht doch nicht! Ihr ergebener Matthias Romer
An und für sich ist die Idee gut, die Umsetzung selbst wenn es nur vorübergehend so geplant ist, lässt mehr als zu wünschen übrig. Selbstsicher und flott kommt man schon über die Straße, aber mit meinem Miniskusanriss vorübergehend etwas gehandicapt, ist es sogar für mich mühsam und unsicher. Viele Autos halten sich nicht an die Geschwindigkeitsbegrenzung und fahren deutlich zu schnell. Insgesamt ist das ein unhaltbarer Zustand und es bleibt zu hoffen, dass nachgebessert wird bevor noch mehr passiert.